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Salzburger Landestheater: Neustart mit gravierenden Änderungen

Carl Philip von Maldeghem ist 39 Jahre alt und promovierter Rechtsphilosoph. Er war persönlicher Referent von Gerard Mortier, hat bei Peter Steins Regie-Arbeiten assistiert, "Simone Boccanegra" in Ferrara inszeniert und er leitet seit 2002 die Schauspielbühnen in Stuttgart mit spektakulären Erfolgen.

Vor allem aber – und das ist der Grund für das folgende APA-Interview – wird Maldeghem Mitte 2009 die Nachfolge des eher glücklosen Peter Dolder als Intendant des Salzburger Landestheaters antreten.

APA: Herr Maldeghem, wie ist Ihr erster Eindruck von Salzburg?

Maldeghem: Mitten in dieser Kulturstadt steht das Landestheater. Diese Position möchte ich deutlich stärken. Ich will, dass mit dem bevorstehenden Neuanfang auch ein künstlerischer, kommunikativer und wirtschaftlicher Aufbruch verbunden ist.

APA: Dann lassen Sie uns doch gleich Nägel mit Köpfen machen. Was sind Ihre Pläne im Musiktheater?

Maldeghem: Das Musiktheater soll einen deutlich größeren Stellenwert bekommen. Wir planen sechs statt wie bisher vier Produktionen. Drei Mal soll Oper im Landestheater gegeben werden, dazu kommt eine Operette. Zumindest einmal werden wir in eines der Festspielhäuser gehen, und für die sechste Produktion bin ich noch auf der Suche nach der richtigen Spielstätte.

APA: Wie wollen Sie das schaffen? Dafür bräuchten Sie ja ein fixes Ensemble.

Maldeghem: Genau das will ich. Ein Rumpf-Ensemble, mit dem man mittelgroße Opern wie “Figaro” gut besetzen kann. Dieses Ensemble soll in den großen Produktionen – etwa bei Strauss oder Wagner auf größeren Bühnen – durch Gastsolisten ergänzt werden. Wir haben das durchgerechnet, es geht sich aus. Aber der Hauptgrund für das Ensemble ist ein künstlerischer. Nur ein Ensemble schafft Identität und Identifikation des Publikums mit seinem Theater.

APA: Sie haben zwar selbst Oper inszeniert, aber in Ihrem Spielplan in Stuttgart findet sich dieses Genre nicht.

Maldeghem: Nein, und daher soll es in Salzburg einen Operndirektor geben, der den Spielplan mit entwirft, die Sänger auswählt und als Bindeglied zum Mozarteum Orchester fungiert. Außerdem will ich neben Ivor Bolton einen musikalischen Leiter für die Oper am Landestheater gewinnen, der zirka drei Produktionen pro Jahr leitet. Auch Korrepetitoren will ich in Zukunft fix an das Haus binden.

APA: Und das soll sich finanziell alles ausgehen?

Maldeghem: Erst kommt die künstlerische Vision und dann die Umsetzung. Nicht umgekehrt. Über fehlendes Geld klagen finde ich uninteressant.

APA: Werden die Änderungen im Schauspiel auch so gravierend ausfallen?

Maldeghem: Es wird bei vier Produktionen auf der großen Bühne und vier weiteren in der Kammer bleiben. Was sich ändern wird, ist zweierlei: Einmal muss man besonders behutsam mit dem großen Raum umgehen, diese an sich sehr reizvolle Spielstätte muss ästhetisch erst einmal geknackt werden; zweitens das Ensemble. Zur Zeit gibt es zu wenig junge und zu wenig ältere Schauspieler, nur in der Mitte, so zwischen 40 und 50 Jahren, gibt es viele, die ich sicher nicht alle beschäftigen kann. Deswegen wird es neue Gesichter geben.

APA: Und bleibt im Ballett ein Stein auf dem anderen?

Maldeghem: Im Ballett habe ich mich für Kontinuität entschieden. Für meine ersten beiden Jahre wird Peter Breuer Ballettchef bleiben, danach wird man überlegen müssen. Allerdings möchten wir auch Gast-Choreografen einladen, so dass es im Salzburger Landestheater auch Tanz in einer ganz anderen Handschrift zu sehen gibt. Die Stärke der Ballett-Truppe wird mit zwölf Leuten wohl gleich bleiben.

APA: Bleibt nur noch das Jugendtheater, das Sie umkrempeln können…

Maldeghem: Umkrempeln nicht. Aber das von Lutz Hochstraate installierte Jugendtheater soll die vierte, quicklebendige Kompanie dieses Theaters sein. Hier wird es wie bisher vier Produktionen geben, aber ich werde auch das Opern- und Ballett-Ensemble ins Jugendtheater einbinden. In diesem Bereich möchte ich das interdisziplinäre Theater besonders forcieren.

APA: Das Salzburger Landestheater hat noch immer rund 7.600 Abonnenten. Sind die für Sie ein Klotz am Bein oder Chance?

Maldeghem: Im Abonnenten sehe ich einen erfahrenen Zuschauer, einen theatralischen Vielflieger, der uns einen Vertrauensvorschuss gibt und daher gut behandelt werden muss. Aber es gibt keine Sonderprogramme für Abonnenten. Wenn er neugierig ist, komme ich entgegen, ganz sicher. Übrigens habe ich in Stuttgart mit 11.000 Abonnenten angefangen, jetzt sind es 13.000.

APA: Wie halten Sie es mit der Moderne und dem Experiment in einem Drei-Sparten-Landestheater?

Maldeghem: Die Gegenwart ist Auftrag und Verpflichtung. Ich will kein museales Theater, das sich nicht ändert und gleich aussieht wie vor 150 Jahren. Aber das Gegenwärtige gibt es auch in antiken Stoffen, dafür müssen die Stücke nicht alle brandneu geschrieben sein. Schlagen Sie die Zeitung auf und Sie werden sehen, dass zum Beispiel die Geschichte der Kinder-Mörderin Medea verblüffend oft vorkommt in unserer Welt.

(Das Gespräch führte Christoph Lindenbauer/APA)

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