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S18-Alternative: "Geld ist Nebensache"

Vizekanzler Hubert Gorbach zeigte im Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" Sympathie für eine Verbindung Dornbirn-Lustenau mit Rheintunnel als Alternative zur S 18.

VN: Ihre Wochen als Regierungsmitglied sind gezählt. Auf welche Erfolge sind Sie in der Bilanz über mehr als drei Jahre Infrastrukturminister stolz?

Gorbach: Ich habe einige Dinge angepackt, die durchaus auch unangenehm waren, weil es jahrzehntelange bequemer war, zu verwalten, und nicht zu gestalten. Dazu zählt die ÖBB-Reform. Ich habe immer gesagt, dass ich nach Wien möchte, um Spuren zu hinterlassen, ob diese jedem gefallen oder nicht. Auf Sicht gesehen war die ÖBB-Reform notwendig, um wettbewerbsfähig zu sein. Damit habe ich den ersten und einzigen Streik der zweiten Republik ausgelöst. Das war auch ein Erlebnis der besonderen Art.

VN: Hat die Infrastruktur-Offensive in der Tat gewirkt?

Gorbach: Diese Offensive ist mir gemeinsam mit Schüssel und schlussendlich auch dem Finanzminister gelungen. Wir haben die Ausgaben für Schiene und Straße von 2000 bis 2014 auf 40 Milliarden gegenüber den 15 Jahren zuvor verdoppelt. Man muss wissen, dass eine investierte Milliarde 15.000 bis 16.000 Arbeitsplätze darstellt. Ich habe in Vorarlberg und Tirol mit Druck einige Projekte forciert. Wir haben Richtung Osten und Süden einen riesigen Nachholbedarf. Ein Punkt in meiner Erfolgsbilanz ist das erste PPP-Modell, das ich für die A 5 zwischen Wien und Brünn umgesetzt habe.

VN: Wie schaut es mit der privaten Beteiligung an der Finanzierung des Brennerbasistunnels aus?

Gorbach: Das kommt. Der Tunnel ist fast 30 Jahre diskutiert worden. Ich habe im früheren italienischen Verkehrsminister Lunardi einen genialen Kollegen gefunden. Auch Barrot wurde ein echter Mitstreiter. Die Wichtigkeit wird sicherlich erst in 20 oder 30 Jahren erkannt. Ich habe in der Geschichte gelesen, dass die Brennerroute immer schon der meist frequentierte Transitweg zwischen Nord und Süd war.

VN: Der Brennerbasistunnel wird aber nur dann interessant und zu einer Entlastung führen, wenn die Durchfahrt billiger ist als auf der Straße.

Gorbach: Richtig, aber die Rahmenbedingungen gegenüber heute müssen verändert werden. Eine Alternative zur Straße ist notwendig, auch wenn sie vier oder fünf Milliarden Euro kostet. Europas maßgeblichster Verkehrspolitiker Barrot sagt, dass ab 2015 Lkws mit nichtverderblichen Gütern nicht mehr am Brenner herumkurven dürfen. In diesem Zusammenhang erwähne ich die EU-Präsidentschaft. Wir haben die Wegekostenrichtlinie im März abgeschlossen, mit viel Kampf unsererseits. Kollegen aus Holland oder Griechenland haben gefragt, ob ich nun der Verkehrs- oder der Umweltminister bin. In der Wegekostenrichtlinie haben wir erstmals die Möglichkeit der Querfinanzierung festgeschrieben. Zu den externen Kosten ist bis 2008 ein Lösungsvorschlag auszuarbeiten. Sensible Gebiete können stärker bemautet werden, der Brenner bis zu 25 Prozent mehr. Wir haben eine Mautdifferenzierung bis zu 100 Prozent – zeitlich und räumlich.

VN: Kommen wir zu den Pleiten: Die von Ihnen forcierte S-18-Trasse ist gestorben. Was nun?

Gorbach: Die S 18 ist für mich ein Musterbeispiel für eine falsch gestrickte EU. Es ist eine Frechheit, wenn man schreibt, dass keine Alternativen untersucht wurden. Tatsache ist, dass zwischen Bregenz und Götzis fast jeder Quadratzentimeter genau angeschaut wurde. Alle vier Kommunen, die gegen die Trasse waren, haben mir keine andere Lösung gesagt. Wir sind mit der Amtstrasse sehr weit gekommen. Das höchstgerichtliche Urteil nehme ich zwar zur Kenntnis, aber ich verstehe es nicht. Die EU läuft Gefahr, lokalen Lösungsansätzen in die Suppe zu spucken, aber keine Alternativen anzubieten. Das lässt mich fast verzweifeln. Ich hätte mir schon den Spatenstich in meiner Amtszeit gewünscht.

VN: Gibt es eine Variante, die aus Geldgründen gescheitert ist, aber machbar wäre?

Gorbach: Das einzig Positive ist, dass jetzt eine Alternative gesucht werden muss. Geld muss heute, wenn man damit Lebensqualität und Natur erhalten kann und nachhaltige Verkehrspolitik betreiben will, zweit- oder drittrangig sein. Ob Rheinuntertunnelung oder eine landschaftlich integrierte Einhausung. Die Bevölkerung und die Wirtschaft verdienen jetzt rasch eine Lösung. Dornbirn-Lustenau ist eine Variante.


Vignette nur Zwischenlösung

Verkehrsminister Gorbach: Möglichkeiten der Telematik öffnen neue Tore.

Auf die Straßenbaufinanzierung angesprochen, zeigt sich Gorbach zufrieden: „Wir haben europaweit mit der Lkw-Maut gepunktet. Eine Pkw-Maut auf allen Straßen muss europaweit diskutiert werden, kann nie eine Insellösung und schon gar nicht eine Geldeinnahmeaktion sein.“

Absetzmöglichkeiten

Künftig werden laut GorbachMöglichkeitenderTelematik neue Tore öffnen. Die Pkw-Vignette ist damit also nur eine Zwischenlösung? „Ja, das sehe ich. Eine unkomplizierte Zwischenlösung. Endlösung ist, den öffentlichen Nahverkehr so attraktiv zu machen, dass es Spaß macht, mit dem Bus den Pkw zu überholen.“ Und dennoch: “Über steuerliche Absetzmöglichkeiten müssen wir differenzieren zwischen Pendlern und Freizeitverkehr. Leistungsabhängige Besteuerung ja, aber nur europaweit. Die Technologie ist so einzusetzen, dass der, der das Auto beruflich braucht, ausgenommen und nicht bestraft wird. Und wer in der Freizeit fährt, soll dafür bezahlen“, schlägt der Vizekanzler im Gespräch mit den „VN“ vor.

Die Landtagsforderung, zur Straßenbaufinanzierung die Mineralölsteuer zu erhöhen, lehnt Gorbach ab.

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