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Ärzte drohen mit Streiks

Die Vorarlberger Ärztekammer kritisiert die Pläne des Gesundheitsministeriums zur Verstaatlichung des österreichischen Gesundheitswesens.

Die angedachten ärztlichen Versorgungszentren, in denen alle Fachärzte eines Spezialgebietes zusammengezogen werden sollen, bezeichnet Ärztekammerpräsident Peter Wöß als “Unsinn”. Er befürchtet dadurch erhebliche Verschlechterungen der Versorgung vor allem im ländlichen Raum. Sollte es seitens der Politik kein Einlenken geben, wurde ein landesweiter Streik für 8. November angedroht.

Alle Arztpraxen in Vorarlberg würden an diesem Tag geschlossen bleiben.

Ärzte kündigen Widerstand an

Hinter den Kulissen der Finanzausgleichsverhandlungen wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Ärzteschaft in den vergangenen Tagen ein neues, zentralistisch-verstaatlichtes Gesundheitssystem nach dem Vorbild der ehemaligen DDR geplant. Die ambulante Gesundheitsversorgung soll demnach künftig planwirtschaftlich durch Bund und Länder gelenkt werden. Dies beinhaltet ein Entwurf zur 15a-Vereinbarung aus dem Gesundheitsministerium, der am Mittwoch im Ministerrat verabschiedet werden soll. Die Österreichische Ärztekammer und alle Landesärztekammer fordern gemeinsam die umgehende Rücknahme des Entwurfs sowie eine Einbindung in die künftigen Planungen zur medizinischen Versorgung und kündigen breiten Widerstand der Ärzteschaft gegen die Verstaatlichung des Gesundheitssystems an.

Österreich hat hinsichtlich der Qualität der Behandlungsergebnisse, dem direkten Zugang zu Ärzten und dem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis das beste Gesundheitssystem in Europa. Das bescheinigte erst vor wenigen Tagen der neueste von schwedischen Forschern erhobene europäische „Health Consumer Index“ (siehe auch www.healthpowerhouse.com), wo 29 Länder verglichen wurden. Nirgendwo in Europa würden die Patienten schneller versorgt und besser behandelt. Dennoch ist das Gesundheitsministerium derzeit dabei, die bewährten Strukturen des Gesundheitswesens zu zerschlagen und die Weichen in Richtung eines verstaatlichten Gesundheitswesens zu stellen.

Entwurf hinter dem Rücken von Ärzten und Patienten

Die Österreichische Ärztekammer erreichte in diesen Tagen auf inoffiziellem Weg ein vor dem Hintergrund der Finanzausgleichsverhandlungen offensichtlich seit geraumer Zeit diskutierter Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums. Dieser hat eine noch nie da gewesene Systemänderung des österreichischen Gesundheits- und Krankenversicherungssystems zum Inhalt. Nach dem Wortlaut des Gesetzesentwurfes können u.a. künftig flächendeckend ambulante Versorgungszentren (AVZ) eingerichtet werden, die eine tragende Funktion bei der medizinischen Betreuung der Bevölkerung übernehmen sollen. Deren zentralistische Ausrichtung und Dominanz erinnert an die längst wieder abgeschafften Polikliniken der ehemaligen DDR, die nun in Österreich für teures Geld wieder aufgebaut werden sollen. Das bewährte sozialpartnerschaftliche System der sozialen Krankenversicherung soll damit durch eine monopolistische Zuständigkeit der Gesundheitsplattformen auf Bundes- und besonders auf Länderebene ersetzt werden.

Leidtragender ist der Patient

Würden diese staatlich geplanten Versorgungszentren, die auch von Handelsketten und privaten Investoren (Kapitalgesellschaften) betrieben werden können, in der angestrebten Weise flächendeckend angesiedelt, ist eine massive Ausdünnung der niedergelassenen Ärzte vor Ort zu befürchten. „Für die Bevölkerung drohen eine Unterversorgung in Wohnortnähe und lange Wartezeiten in den neuen Versorgungszentren, wo auch die bislang so geschätzte freie Arztwahl nicht sicher gestellt werden kann“, betont MR Dr. Peter Wöß, Präsident der Ärztekammer Vorarlberg. Zudem müssten Behandlungen nach staatlicher Vorschrift und nicht nach persönlicher Notwendigkeit oder dem Bedürfnis der Patienten vorgenommen werden. Dieses neue Modell bedeutet keinerlei Alternative zum bedürfnisgerechten Ausbau der fachärztlichen Versorgung, sondern lediglich teure Doppelgleisigkeiten. Leidtragende dieser Entwicklung sind letztendlich die Patienten, weil ein solches System nur auf Profit abzielt und nicht mehr auf dem Prinzip der Solidarität fußt. „Damit ist der Zwei-Klassen-Medizin Tür und Tor geöffnet“, warnt Wöß.

Bundesweite Protestmaßnahmen und Patientenbegehren geplant

Als Reaktion auf diesen Angriff kündigt die Österreichische Ärztekammer Protestmaßnahmen in Form von bundesweiten Ordinationsschließungen, Protestveranstaltungen und die Beendigung sämtlicher Kassenverträge an. Parallel zu den Widerstandsaktionen der niedergelassenen Ärzte kündigte auch die Bundeskurie der Angestellten Ärzte für den Fall der Realisierung des Regierungsvorhabens die Abhaltung von Betriebsversammlungen, die Auflösung sämtlicher Betriebsvereinbarungen zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz und österreichweite Arbeitsniederlegungen an. Im November wird ein österreichweites Patientenbegehren gegen die Verstaatlichungstendenzen in der Medizin stattfinden. Gefordert wird die Rücknahme des Entwurfs und die Einbeziehung der Ärzteschaft bei künftigen Planungen zum Gesundheitssystem. „Wir sind jederzeit bereit, an sinnvollen Maßnahmen zur Stabilisierung und Bestandssicherung unseres ausgezeichneten Gesundheitssystems mitzuwirken“, versichert Wöß.

Die Eckpfeiler des Entwurfs:
Ärzte werden entmündigt, Kassenverträgen droht Auflösung

  • Ausschließlich der Bund bestimmt die Anzahl der Kassenstellen (österreichische Durchschnittwerte). Land und Kasse dürfen (ohne Mitsprache der Ärzte) nur noch die Verteilung der Stellen nach Bundesvorgaben im Land vornehmen..
  • Alle Gesundheitsdienstleister (neben Ärzten vor allem Krankenanstalten, Optiker- und Handelsketten etc.) aber auch private Investoren (Kapitalgesellschaften) können so genannte AVZ (Ambulante Versorgungszentren) gründen und dort Ärzte anstellen. Diese AVZ sollen sukzessive die Kassenärzte ersetzen.
  • Freiwerdende Kassenverträge werden unter den AVZ ausgeschrieben, wobei alle Vertragsbedingungen inkl. Honorar einseitig vom Hauptverband vorgegeben und die gesamtvertraglichen Tarife damit obsolet werden.
  • Bestehende Kassenverträge sollen den Bundesvorgaben angepasst bzw. allenfalls auch vorzeitig zurückgenommen werden.
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