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Ruhestörung durch Sexmeile

Eine der größten Sexmeilen von Paris hat neuerdings eine feine Adresse. [28.1.2000]

Zum Ärger der Villenbesitzer im westlichen Nobelvorort Boulogne-Billancourt hat sich der Boulevard Anatole-France in den vergangenen Wochen in einen lebhaften Straßenstrich verwandelt. Was die vornehmen Anrainer beklagen, sind letztlich die Spätfolgen der verheerenden Weihnachtsorkane: Weil weite Teile des angrenzenden Stadtwaldes Bois de Boulogne wegen der Sturmschäden gesperrt wurden, verlegten die dort tätigen Transvestiten ihr Geschäft auf den Nobelboulevard.

Dort ist nun jede Nacht der Teufel los. Bis in die frühen Morgenstunden strömen die Freier aus ganz Paris herbei, sorgen für endlose Autoschlangen und nach Auskunft der Anrainer für einen „Höllenlärm“. Aber dies soll rasch ein Ende haben: Die Bevölkerung macht mobil, und der Bürgermeister hat sich an höchster Stelle in Paris beschwert.

Andere Bewohner der wegen der Parknähe sündhaft teuren Anliegerwohnungen beklagen sich über den „vulgären Anblick“ des Nachts sowie haufenweise Präservative und leere Wodkaflaschen am nächsten Morgen, denen sie beim Spaziergang mit ihren Hunden ausweichen müssten.

Zwischen 3.00 und 4.00 Uhr herrscht auf dem ehemals ruhigen Boulevard Anatole-France nunmehr Hochbetrieb. Dutzende Transvestiten stehen dann unter den Laternen Spalier und locken die vorbeifahrenden Kunden. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt tragen sie Stöckelschuhe, einen Pelzmantel und darunter fast nichts. Bisweilen öffnen sie die Mäntel und präsentieren den Freiern ihre künstlichen Brüste und schwarzen Tangas.

Seit den achtziger Jahren ist der Bois de Boulogne ein Treffpunkt für Transvestiten aus der ganzen Welt, vorwiegend aber aus Lateinamerika. Nacht für Nacht verkaufen die „Brasilianer vom Bois“ ihre Sexdienste an Kunden, die in Scharen aus Paris angefahren kommen. Da die Polizei der Hauptstadt inzwischen rigide gegen die nach wie vor verbotenen Bordelle vorgeht, bleibt vielen Prostituierten nur der Straßenstrich. Stephanie kam vor zwölf Jahren von ihrer Heimat im Südpazifik nach Paris. „Eigentlich hatte ich als Kind nur den Traum, einmal den Eiffelturm zu sehen“, erzählt sie. „Dann bin ich geblieben.“ Ihrer Meinung nach sollen sich die Leute in Boulogne-Billancourt nicht so aufregen: „Manche Kunden kommen doch selber aus dem Viertel.“

(Bild:APA

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