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Ruhe im Verhandlungssaal

Feldkirch/Bregenz - Wo sonst verhandelt und verurteilt wird, herrscht diese Woche Ruhe. Protest ist angesagt. Die Justiz fordert mehr Personal und will ein Zeichen setzen.

Bereits im Eingangsbereich des Landesgerichts Feldkirch ist deutlich zu spüren: Heute ist es ruhiger als sonst. Kein Angeklagter erkundigt sich beim Portier nach seinem Verhandlungssaal, kein Kläger fordert diese Woche einen Beklagten zum Duell. “Ruhig ist es trotzdem nicht, die Baustelle sorgt für Mordstrubel”, so der Portier des Landesgerichts schmunzelnd. Das Gebäude wird seit zwei Jahren renoviert. Doch im Gegensatz zu den Richtern gehen die ­Arbeiter um vier Uhr nach Hause. Richter und Staatsanwälte hingegen schieben in letzter Zeit regelmäßig Nachtschichten.

Überstunden

“Ich war in letzter Zeit jedes zweite Wochenende da, bin um acht Uhr gekommen und um halb fünf Uhr abends wieder heim gefahren”, so Strafrichter Wilfried Marte. Die Arbeitsbelastung scheint enorm. Wer um sechs Uhr abends noch am Gericht zu tun hat, muss sich wundern, wie viele Staatsanwälte und Richter noch im Gebäude sind. In einem anderen öffentlichen Bürogebäude sind um diese Zeit die Lichter längst gelöscht. Heute findet eine einzige Strafverhandlung bei Marte statt, die einzige am Landesgericht in dieser Woche überhaupt. “Wenn jemand in Untersuchungshaft sitzt, muss ich fast verhandeln”, so Marte. Bei dringenden Sachen gibt es Ausnahmen, sind sich alle einig. Auch in der Staatsanwaltschaft sind Überstunden und Wochenendarbeit seit Langem beinahe die Regel. Alle bekommen den Sparstift zu spüren. Über kurz oder lang geht das an die Substanz.

Überarbeitet

Aber nicht nur am Landesgericht Feldkirch sondern auch an den Bezirksgerichten geht ein allgemeines Stöhnen durch die Reihen der Gerichtsbediensteten. “Seit einem halben Jahr habe ich unheimlich viel zu tun”, so Christian Röthlin, Strafrichter am Bezirksgericht Bregenz. Auch für ihn ist der Samstag bereits zum Arbeitstag geworden. 20 bis 30 Verhandlungen muss er wöchentlich durchpauken, noch mehr geht einfach nicht. Außerdem würden noch mehr Verhandlungen auch daran scheitern, dass es keine Verhandlungsräume gibt. “Wir sind am Limit”, so Röthlin. Noch bis Ende Juni soll die letzte Woche eines jeden Monats verhandlungsfrei bleiben. “Ich glaube nicht, dass es für die Bürger deshalb zu Verzögerungen kommt”, so Heinz Bildstein, Präsident des Landesgerichts Feldkirch und Zivilrichter. Auf die Frage, wem denn dann mit der Maßnahme überhaupt “weh getan wird”, antwortet Bildstein: “Wir wollen niemandem weh tun, sondern aufzeigen, dass wir wirklich an der Grenze sind.” Den “Amtstag” abzuschaffen wäre eine Möglichkeit, arbeitstechnisch etwas mehr Luft zu bekommen. Aber jenen Tag, an dem sich Menschen kostenlos nach ihrem Recht erkundigen können, zu streichen, träfe wieder als Erstes die sozial Schwachen. Das wolle man als Letztes, so Bildstein. Fünf Richter fehlen am Landesgericht Feldkirch und was fehlt, müssen andere einfach mehr arbeiten, so sieht derzeit die Praxis aus.

Man bemüht sich

Hört man sich an den Gerichten um, ist deutlich zu spüren, dass die Leute längst über die Frustrationsgrenze hinaus belastet sind. Alle bemühen sich, doch vielen hängt das durchgearbeitete Wochenende nach. Etliche sind übermüdet, gearbeitet wird trotz grippalem Infekt, man ist gereizt und ausgelaugt. Beim nichtrichterlichen Personal kommt eine mäßige Bezahlung noch erschwerend hinzu. Seit zwei Jahren hämmern und fräsen die Bauarbeiter im renovierungsbedürftigen Landesgericht herum. Lärmbelastung und ständiges Umziehen nervt zusätzlich zur nicht endenwollenden Arbeit. Nur ein Trost bleibt Richtern und Staatsanwälten: Am Abend, wenn sie noch lange Urteile diktieren und Akten wälzen, gehen wenigstens die Bauarbeiter nach Hause, dann ist zumindest Ruhe.

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