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"Richterin Ratz hat mir richtig Angst gemacht"

VN-Redakteur Klaus Hämmerle im Gespräch mit Markus H. (Vordergrund) und dessen Anwalt Nicolas Stieger.
VN-Redakteur Klaus Hämmerle im Gespräch mit Markus H. (Vordergrund) und dessen Anwalt Nicolas Stieger. ©VN/Rhomberg
Lustenau - Wie Markus H. (50) Richterin Kornelia Ratz (48) erlebte: „Ich habe sie gefürchtet.“ Im ausführlichen VN-Exklusivgespräch schildert der Bruder des Hauptangeklagten seine Erlebnisse mit der am Montag vor Gericht stehenden suspendierten Landesgerichtsvizepräsidentin Kornelia Ratz.
Auszug aus der E-Mail von Ratz
Alles zur Testamentsaffäre

Irgendwann nach zwei Stunden wird es Markus H. (49) zu viel. „Bitte“, sagt der Bruder des Hauptangeklagten im Testamentsprozess, Jürgen H. (48), „bitte, ich will jetzt nicht mehr darüber sprechen. Es kommt immer so viel hoch, wenn ich mich in diese Geschichte hineinlebe. Es reicht.“ Im ausführlichen VN-Exklusivgespräch hatte Markus H. zuvor seine Erlebnisse mit der ab Montag vor Gericht stehenden suspendierten Landesgerichtsvizepräsidentin Kornelia Ratz geschildert. Es sind Erlebnisse, die sein Leben dramatisch veränderten.

“Mein Bruder”

Markus H. nimmt sich selbst nicht in Schutz. Immer wieder sagt er: „Ich weiß nicht, warum ich das getan habe. Warum habe ich mich für dieses Legat zur Verfügung gestellt. Warum nur habe ich einfach getan, was mein Bruder von mir wollte?“ Sein Bruder hatte gewollt, dass er sich über einen Strohmann als Legatar im berühmt-berüchtigten Falschtestament „Willi Mutschler“ (Vermögenswert 560.000 Euro) zur Verfügung stellt. Markus H. willigte ein. Schließlich hatte ihn der Gerichtsmitarbeiter während der Bauzeit des Eigenheims eineinhalb Jahre in dessen Haus praktisch umsonst leben lassen. Und Jürgen H. „war nun Mal mein Bruder“.

Small Talk in Feldkirch

Genau erinnert sich Markus H. an die erste Begegnung mit Kornelia Ratz im Frühjahr 2005. „Telefonisch vereinbarten wir ein Treffen bei ihr zu Hause in Feldkirch. Ich weiß noch genau, wie ich Angst hatte, als ich bei ihr eintrat.“ Höflich, aber bestimmt sei sie gewesen. „Wir sprachen zuerst über meinen Job, die Familie. Halt was man bei einem Small Talk so plaudert. Dann ging es zur Sache. Sie wirkte kontrolliert, aber unmissverständlich. Sie erzählet etwas von einem Nazi-Testament. Ich saß hilflos da. Ich war überfordert. Ich dachte nur: In was für eine Sache hat mich da mein Bruder nur hineingeritten. Ich will hier nichts wie raus.“ Ratz habe ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie alles unternehmen werde, das Legat zu bekommen. „Wenn notwendig, würde sie mit der ganzen Sache auch in die Presse gehen.“

Ein Spielball

Er selbst habe nie über Geld gesprochen. „Ich erlebte mich als einen Spielball zwischen Ratz und meinem Bruder. Die Summe von 25.000 Euro für die Abtretung des Legats hat sich irgendwie ergeben. Als dann Ratz zu mir in die Bank kam, mir das Geld gegen die Verzichtserklärung gab, wirkte sie fröhlich und erleichtert. Sie war bei bester Stimmung. Ich habe dann letztlich nur 23.000 Euro entgegengenommen.“ Mit der Freundlichkeit war es freilich vorbei, als die Fälschung des Mutschler-Testaments im Spätherbst 2009 herauskam, vier Jahre nach der ersten Kontaktnahme mit der Richterin. Für Markus H. begann eine Zeit großer Angst. „Ich wusste, Ratz würde mich anrufen. Ich hatte Angst im Geschäft, ich hatte Angst zu Hause. Ich hatte keine Freizeit mehr. Weil dir die Angst jede Freizeit nimmt und alles überschattet. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht.“ Immer wieder habe er auf das Display seines Telefons in der Firma gestarrt, in Erwartung einer Nummer, die mit 05522 begann. „Erschien diese Vorwahl, nahm ich den Anruf nicht entgegen.“

“Ratz wie eine Furie”

Doch ausgerechnet als er einmal reflexartig den Telefonhörer abhob, war am anderen Ende der Leitung Kornelia Ratz. Es war der 14. Dezember 2009, und Markus H.s schlimmste Befürchtungen wurden wahr. „Sie hat sofort getobt. In Mark und Bein gingen mir vor allem ihre Worte: ‚Und das sag ich Ihnen, Sie sind Ihren Job los, wenn Sie mich in den nächsten zehn Minuten nicht anrufen‘. Ich entgegnete ihr: ‚So red ich mit Ihnen nicht‘“. Als Tortur bezeichnet Markus H. die folgenden Tage. Immer wieder habe Ratz versucht, ihn zu erreichen. Er habe sich verleugnen lassen. „Dabei hat sie sich auch gegenüber einigen meiner Kollegen wie eine Furie aufgeführt – im Versuch, mich zu stellen.“

E-Mail von Ratz

Die Richterin schrieb auch Mails, in denen sie ihre Absichten unverhohlen zu erkennen gab. Für Markus H. passierte das Unvermeidliche. Er verlor seinen Job bei der Bank, bei der er 30 Jahre lang angestellt war. „Trotzdem sind sie sehr fair mit mir umgegangen. Und ein Arbeitskollege, mit dem ich gar nicht so nahe war, hat mir geholfen, eine andere Arbeit zu finden. Das sind dann die wenigen schönen Momente in solchen Situationen.“ Die Erinnerungen an jene dramatischen Tage nehmen ihn sichtlich mit. Sein Blick schweift ins Leere, er schüttelt den Kopf. Er weiß, was ihn kommende Woche ab Montag in Salzburg erwartet. Einen Tag nach seinem 50. Geburtstag. Die Schuld auf andere schiebt er nicht. „Das hab ich mir selber eingebrockt.“ Markus H. will jetzt nur, dass alles vorbei geht. Irgendwie. Irgendwann.

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