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Rennen gegen die Zeit gewonnen

Wieder vereint: Adrian (Mitte) mit seinem Stiefvater Josef (links) und seinem Großvater Kurt.
Wieder vereint: Adrian (Mitte) mit seinem Stiefvater Josef (links) und seinem Großvater Kurt. ©Sams
Die Suche nach Adrian (15) bewegte viele Leser. Jetzt schilderte seine Familie WANN & WO die filmreife Suchaktion.

Adrian zählt auf: „Ein Croissant, eine ganze Flasche Cola, ein Muffin, Kekse …“ Das alles hat er nach seiner Rettung gegessen und getrunken. Kein Wunder, denn der 15-Jährige dürfte ein mächtiges Loch im Bauch gehabt haben – nach vier Tagen auf der Straße und mit nichts anderem als einem Schokoriegel, einer Tüte Chips und einer Limonade. Denn Adrian war von Samstag bis Mittwoch plötzlich verschwunden. Als WANN & WO den Suchaufruf veröffentlichte, wurde er endlich gefunden. Doch der Weg dorthin war alles andere als geradlinig – und die Suche nach ihm alles andere als einfach.

Suchhunde im Einsatz

Am Samstagmittag verlässt Adrian die Wohnung in Götzis, um mit dem Zug nach Bregenz zu fahren. „Das hat er schon oft gemacht, allerdings immer mit seinem Bruder, noch nie allein“, erzählt sein Stiefvater Josef. Dazu muss man wissen: Adrian ist beeinträchtigt, ist zwar auf dem Papier 15 Jahre alt, in der geistigen Entwicklung aber einige Jahre zurück. „Wir wollen ihn aber zu einem selbstbestimmten Leben erziehen und dachten: Probieren wir es aus, lassen wir ihn auf eigene Faust losgehen.“ Bis nach Bregenz kommt Adrian tatsächlich allein, auf dem Rückweg passiert aber das Unglück: „Ich war auf dem richtigen Bahnsteig, aber wusste nicht mehr, ob ich am linken oder rechten Gleis einsteigen muss“, erinnert sich Adrian im Gespräch mit WANN & WO. Er wählt die falsche Seite – und fährt nicht nach Götzis, sondern nach Engen in Baden-Württemberg, an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz. Davon weiß seine Familie natürlich nichts, als Adrian nicht nach Hause kommt. Die filmreife Suche beginnt – und das Rennen gegen die Zeit. Auch der Verein „Österreich findet euch“ schaltet sich ein. „Wir sahen durch die Kontobewegungen, dass Adrian in Engen Geld abgehoben hatte. Der Verein schickte dann sofort Trupps mit Suchhunden dorthin“, erzählt der Stiefvater. Die Hunde schlagen an, finden Adrians Spur. Allerdings führt die nur auf den nächsten Bahnsteig: Der Junge ist also mit einem Zug weitergefahren. „Wir wussten, dass er kurz nach 23 Uhr Geld abgehoben hatte, also haben wir geschaut, welches der nächste Zug ist“, sagt Josef. Es ist die Bahn nach Singen. Der Verein schickt am zweiten Tag einen Suchtrupp in die Stadt.

Hoffen nach neuen Spuren

Unterdessen meldet sich ein Lokführer, der Adrian in Gottmadingen gesehen haben will. „Wir sind dann am dritten Tag mit dem Verein dorthin gefahren.“ Doch mitten in die Suche platzt die nächste Spur der Bank: Adrian hat wieder Geld abgehoben. In Frankfurt am Main – dem größten Bahnhof Deutschlands. Der Verein verständigt die Bahnhofspolizei und ruft die Passagiere mit einer Lautsprecherdurchsage zur Suche nach Adrian auf. Die Familie telefoniert auch mit einem Verwandten, der in Frankfurt wohnt. „Er war eigentlich gerade auf dem Weg in den Urlaub, ist dann aber sofort umgedreht, mit seinen beiden Kollegen zum Bahnhof gefahren und hat dort mit ihnen nach unserem Jungen gesucht.“ Doch sie finden Adrian nicht und wollen schon wieder gehen – als dem jungen Mann schwarze Adidas-Schuhe auffallen. Sie gehören zu einer Person, die zusammengekauert, mit dem Kopf auf den Knien, auf einer Bank sitzt und schläft – Adrian. Er ist gefunden.

In Toiletten geschlafen

„Ich hatte schon ein bisschen Angst“, erzählt Adrian wieder daheim in Götzis. Der Junge kann schlecht lesen, die komplizierten Fahrpläne nicht verstehen und ist Fremden gegenüber scheu. Von alleine nach Götzis zurückfinden: unmöglich. „Geschlafen habe ich in öffentlichen Toiletten oder gar nicht. Essen habe ich mir an Automaten gekauft, einen Schokoriegel und eine Tüte Chips.“ Sein Bärenhunger, als er gerettet wurde: kein Wunder. „Wir sind so froh, dass Adrian wieder da ist. Wir dürfen gar nicht daran denken, was hätte passieren können“, schildert sein Großvater Kurt. „Wir waren bis 2, bis 4 Uhr früh wach und haben alles versucht. Ein Auge haben wir ohnehin nicht zugebracht.“ Danken will die Familie besonders „Österreich findet euch“. „Was die Leute geleistet haben, war unglaublich“, sagt Josef. „Ohne sie hätten wir Adrian nicht gefunden.“

Das sind die Helfer: Auf vier Pfoten im Einsatz für Adrian

An der Suche beteiligt war auch das „Mantrailing Team Vorarlberg“. Den gemeinnützigen Verein gibt es seit zwei Jahren, er bildet Suchhunde im Sport-, Therapie- und Einsatzbereich aus. Derzeit
gehören dem Verein vier geprüfte Einsatzteams an, welche nach den Richtlinien von Mantrailing International geprüft wurden. Die Trupps können einfach und unbürokratisch per Telefon zur Story Unterstützung hinzugezogen werden. Kontakt: Martin Matt, Tel.: +43 664 3997049.

(WANN & WO)

Hier die ganze WANN & WO-Ausgabe online lesen

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