Die Spitzen von ÖVP und FPÖ zeigten sich nach der Regierungssitzung hocherfreut. “Ich glaube, wir haben ein System geschaffen, das deutlich besser und gerechter ist”, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Pressefoyer. Die bisherige Mindestsicherung sei “viel zu attraktiv für Migranten, für Zuwanderer ins Sozialsystem”.
Regierung präsentiert Eckpunkte der neuen Sozialhilfe
Das habe man geändert, gleichzeitig aber auch dafür gesorgt, arbeiten zu gehen wieder attraktiv zu machen. “Christlich-sozial ist das, was stark macht, nicht das, was in Abhängigkeit hält und schwach macht”, sagte Kurz. Zusätzlich habe man Alleinerzieher, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung bessergestellt.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ortete “insgesamt eine Lösung, die Integration und Arbeitsbereitschaft fördert”. Angesichts dessen, dass 62 Prozent der Mindestsicherungsbezieher, die beim AMS gemeldet seien, Migrationshintergrund hätten, habe man im Sinne der sozialen Fairness Maßnahmen ergreifen müssen. Nur erreiche man das Ziel, die Zuwanderung in das Sozialsystem zu stoppen.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sprach von einer “harmonisierten, fairen und effizienten Lösung”. Menschen würden damit nicht in Abhängigkeit gehalten, sondern bekämen “Anreize, damit sie selbst wieder ohne staatliche Hilfe sein können”.
Dass man den Weg eines Grundsatzgesetzes statt einer Bund-Länder-Vereinbarung gegangen sei, liege einerseits an der höheren Verbindlichkeit für die Länder, andererseits aber auch in den größeren Spielräumen für diese. So hoffe nun auf “zügige Unterstützung” der (teils deutlich ablehnenden, Anm.) Bundesländer.
Vor allem aus der rot-grün regierten Bundeshauptstadt war viel Kritik gekommen. ÖVP-Klubobmann August Wöginger hoffte dennoch auf deren Beteiligung. “Die Bundeshauptstadt Wien müsste dieser Bundesregierung eigentlich dankbar sein für dieses Sozialhilfegrundsatzgesetz”, meinte er. Sollte dies anders kommen, “wäre das nicht zu tolerieren”, ergänzte Kurz: “Wir leben in einem Rechtsstaat, die Verfassung ist da sehr klar. Ich gehe nicht davon aus, dass ein Bundesland vorhat, gegen die Verfassung zu verstoßen.”
Dass man den Dialog mit den Bundesländern verweigert habe, ließ Hartinger-Klein nicht gelten. Es habe viele Gespräche und auch den Begutachtungsprozess gegeben, auch für Anfang April seien die Soziallandesräte eingeladen. “Aber man soll die Dinge nicht zerreden und zerdiskutieren.”
Dass das Ziel der Armutsbekämpfung im neuen Gesetz nicht mehr festgeschrieben ist, hat laut der Sozialministerin übrigens verfassungsrechtliche Grüne. Den Ländern sei es möglich, dies in den Ausführungsgesetzen trotzdem zu definieren.
Die Hilfsorganisationen lehnen das Sozialhilfe-Vorhaben der Regierung entschieden ab. Österreich verabschiede sich damit vom Ziel der Armutsbekämpfung, stellte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger am Mittwoch fest. Und: Kinder seien der Regierung offenbar egal. Die soziale Unsicherheit werde erhöht und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, kritisierte die Armutskonferenz.
Sehr scharf fiel die Kritik des Arbeiter-Samariter-Bundes aus: “Die Brutalität, mit der sie sich auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft eingeschossen hat, ist einfach unfassbar”, meinte Bundesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller. Dieser Ministerratsbeschluss bringe “nicht nur menschliches Leid, sondern kostet den Staat künftig viel Geld”, merkte er unter Hinweis auf die Folgen von Kinderarmut an.
“Die Regierung hat eiskalt ein Armutsverschärfungspaket geschnürt, das sich gegen zehntausende Frauen, Männer und Kinder in Österreich richtet. Die Folgen werden tiefere Armut und mehr Unsicherheit sein”, zeigte sich SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak in einer Aussendung “entsetzt”. “Viele Armutsbetroffene werden wieder zu Almosen-Empfängern, was bald auch viele Notstandshilfe-BezieherInnen treffen wird.”
(APA)
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