AA

Ravensburger nimmt Winnetou-Bücher aus Verkauf

Ravensburger erntete Kritik dafür, dass die Firma Winnetou-Bücher aus dem Verkauf nahm.
Ravensburger erntete Kritik dafür, dass die Firma Winnetou-Bücher aus dem Verkauf nahm. ©APA/dpa/Daniel Bockwoldt
Ravensburger sieht sich großer Kritik ausgesetzt, nachdem sich die deutsche Firma dazu entschieden hatte mehrere Kinderbücher wegen Rassismus-Vorwürfen aus dem Verkauf zu nehmen.

Hunderte Nutzer der Social-Media-Plattform Instagram äußerten ihr Unverständnis über die Entscheidung und bezichtigten die Firma etwa der Zensur oder des Einknickens vor Kritik. Daneben gab es auch Unterstützung für die Entscheidung.

Ravensburger nimmt Winnetou-Bücher aus dem Verkauf

Die vor allem für ihre Spiele und Puzzle bekannte Firma aus Ravensburg hatte Mitte August angekündigt, die Auslieferung der beiden Bücher "Der junge Häuptling Winnetou" zum gleichnamigen Film zu stoppen und aus dem Programm zu nehmen. In einem Instagram-Post begründete die Firma dies mit dem Feedback der Nutzer, das gezeigt habe, "dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben".

Ravensburg entschied sich dazu Winnetou-Film aus Programm zu nehmen

Ein Sprecher von Ravensburger teilte am Montag auf Anfrage mit, man habe die Entscheidung, die Titel zum Film "Der junge Häuptling Winnetou" aus dem Programm zu nehmen, sorgfältig abgewogen. "Wir vertreten in unserem Unternehmen und mit unseren Produkten seit langer Zeit Werte, an die wir glauben: unter anderem Gemeinsamkeit und Bildung, wozu auch Fairness und Offenheit gegenüber anderen Kulturen gehören, und dies wollen wir in unserem Programm ausgewogen darstellen."

Verlag wolle keine Klischees verbreiten

Bei den genannten Winnetou-Titeln sei man nach Abwägung verschiedener Argumente zu der Überzeugung gelangt, dass angesichts der geschichtlichen Wirklichkeit, der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, hier ein "romantisierendes Bild mit vielen Klischees" gezeichnet werde. "Auch wenn es sich um einen klassischen Erzählstoff handelt, der viele Menschen begeistert hat: Der Stoff ist weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging." Vor diesem Hintergrund wolle man als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten, auch wenn man den Grundgedanken der Freundschaft - wie bei Winnetou vorhanden - hoch schätze. Neben den beiden Büchern seien auch ein Puzzle und ein Stickerbuch zu dem Film aus dem Programm genommen worden.

Winnetou-Film bediene rassistische Vorurteile

Die Kritik hatte sich zunächst an der gleichnamigen Verfilmung entbrannt, weil der Film rassistische Vorurteile bediene und eine kolonialistische Erzählweise nutze. Der Film kam am 11. August in die Kinos.

IG Autorinnen sprach von "verlegerischer Selbstzensur"

Von "verlegerischer Selbstzensur" sprach die heimische IG Autorinnen Autoren angesichts des Schritts von Ravensburger. "Verlegt und verbreitet wird, was den sozialen Netzwerken gefällt", hieß es in einer schriftlichen Reaktion am Dienstag angesichts des vor allem online ausgeübten Drucks. "Die Kritik kann gar nicht genug konstruiert sein, dass sich nicht sofort eine selbstbezichtigende Betroffenheitspose findet, die in der Selbstzensur endet." Dadurch werde die Medien- und Kunstfreiheit "auf eine skandalöse Weise" entwertet. "Mit der Freiheit der Publizistik ist es bei solchen Rückzügen von Buchprojekten jedenfalls vorbei und mit der Freiheit der Kunst ebenfalls."

Diskussion um kulturelle Aneignung

Die Diskussion um kulturelle Aneignung, die kürzlich in der Schweiz zu Konzertabsagen von weißen Musikern mit Dreadlocks geführt hat, spielt auch hier eine Rolle. Auch Ravensburger selbst spricht davon in seinem Instagram-Post: "Unsere Redakteur*innen beschäftigen sich intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung", heißt es dort.

Debatte ist im deutssprachigen Raum noch relativ neu

Während die Debatte im deutschsprachigen Raum noch relativ neu ist, tobt sie in den USA schon seit Jahren. Die US-Juristin Susan Scafidi schreibt in ihrem Buch "Who Owns Culture?" aus dem Jahr 2005: "Kulturelle Aneignung, das ist: Wenn man sich bei dem intellektuellen Eigentum, dem traditionellen Wissen, den kulturellen Ausdrücken oder Artefakten von jemand anderem bedient, um damit den eigenen Geschmack zu bedienen, die eigene Individualität auszudrücken oder schlichtweg: um daraus Profit zu schlagen."

Gesetz gegen kulturelle Aneignung in Mexiko

In Mexiko gibt es nun sogar ein Gesetz, um das zu verhindern. Wer kulturelles Erbe ohne Zustimmung reproduziert, kopiert oder imitiert, kann künftig mit hohen Geldstrafen oder sogar bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Dadurch soll das kollektive geistige Eigentum der Urvölker geschützt werden, was international nicht einfach durchzusetzen ist. Luxusmodemarken wie Carolina Herrera und Louis Vuitton sowie globale Fast-Fashion-Ketten hatten zuvor mehrmals die Muster indigener Textilien für ihre Produkte kopiert - ohne Absprache mit den Gemeinden und ohne Zahlung.

Ethnologin findet Diskussion um kulturelle Aneignung problematisch

Die deutsche Ethnologin Susanne Schröter findet die Diskussion um kulturelle Aneignung, wie sie derzeit geführt wird, problematisch. "Die Skandalisierung der kulturellen Aneignungen weist eine Reihe von Absurditäten auf. Eine betrifft die Folgen, die sich ergeben, wenn man die geforderten Nutzungsbeschränkungen zu Ende denkt. Dann müssten bei jedem Gegenstand, jedem Stil, jeder Form kulturellen Ausdrucks die Urheber ausfindig gemacht und ihr Gebrauch auf diese Urheber beschränkt werden", sagt die Professorin der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität.

Wissenschafterin sieht kulturelle Aneignung eher positiv

Kulturelle Aneignung ist für die Wissenschafterin grundsätzlich eher etwas Positives. "Menschen haben stets Dinge von anderen übernommen, wenn sie diese für sinnvoll erachtet haben. Um es auf den Punkt zu bringen, ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte kultureller Aneignungen, ohne die es keine Entwicklung gegeben hätte", sagt Schröter. "Dazu kommt, dass Aneignung stets eine gewisse Wertschätzung beinhaltet. Wenn man eine Gruppe von Menschen zutiefst ablehnt, wird man von ihnen nichts übernehmen. In einer Welt, die allein durch die sich beschleunigende Globalisierung immer vielfältiger wird, ist kulturelle Aneignung wohl die wichtigste Kulturtechnik, die ein friedliches Zusammenwachsen möglich macht."

(APA/Red)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Welt
  • Ravensburger nimmt Winnetou-Bücher aus Verkauf