Viele dieser Schauspieler, Bühnenarbeiter, Beleuchter, Regisseure, Musiker, Dramaturgen und Organisatoren sind jetzt “frei” und spielen ums Überleben. Aber nicht Frust über die verlorene Sicherheit, sondern die Mobilisierung aller Theaterkräfte ist zu spüren. Neben und auf der Bühne. Dem Shakespeare tut das gut. Im “Kaufmann von Venedig” geht es ja auch um die Wurst.
Da bürgt ein Kaufmann für einen Freund bei einem Geldverleiher. Der will keine Zinsen, sondern – für den Fall von Säumigkeit – ein Pfund Fleisch aus der Brust des Bürgen. Der Freund kann nicht zahlen, die Bürgschaft wird fällig. Grausam wird sie eingefordert. Und nicht minder grausam wird das Recht verbogen und Rache genommen an der Grausamkeit. Shakespeares Stück über das Dilemma von Moral könnte der Zeitung von gestern entnommen sein.
Zeitungen sind es auch, mit denen Regisseur Alex Linse das auf knappe 100 Minuten gekürzte Drama strukturiert, in Szenen teilt und fehlende Verwandlungsmöglichkeiten der Bühne ersetzt. So weiß und schwarz wie gut und böse sind die Figuren im zeitlosen Setting. Nur die witzig-barocken Frisuren kokettieren mit dem Damals. Und die Sprache selbst. Genau die ist aber leider auch der Schwachpunkt dieses freien Shakespeares.
Die Hauptdarsteller Detlef Trippel, Andreas Peer, Thomas Gross und Sarah Jeanne Babits bewältigten den Shakespeare-Text meist recht gut, auch wenn die Premiere nervös machte und gelegentlich zum Hudeln verleitete. Aber mit den holprig und unverständlich sprechenden Laiendarstellern in den Nebenrollen positionierte sich die Theater(off)ensive gefährlich nahe am Schultheater. Damit gefährdet sie den an vielen anderen Ecken und Enden wohlverdienten Erfolg. Bei der nächsten Produktion sollte dieses Problem wegfallen: In “Dinner for one” (ab 12. Dezember) sind die Nebenrollen bekanntlich kein Problem.
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