Im Dezember 2017 eroberte er das österreichische Kanzleramt im Sturm, nahm die rechte FPÖ mit in die Koalition – und stürzt nun über eine Regierungskrise, die von eben jenen Freiheitlichen maßgeblich ausgelöst wurde. Ist es das Ende der politischen Karriere von Sebastian Kurz? Sicher nicht. Aber die steile Karriere hat nun eine tiefe Delle.
Anti-Migrations-Haltung
Kurz wurde vor allem mit seiner strikten Anti-Migrations-Haltung populär. Schon 2015, als viele Menschen in Österreich und Deutschland noch Fans der Willkommenskultur waren, fing Kurz an zu warnen: Unkontrollierte Zuwanderung kann nicht gutgehen. 2017 gewann er mit dieser Haltung die Wahlen in der Alpenrepublik – und hat seitdem zumindest in der Bevölkerung nicht an Zustimmung verloren. Bei der Europawahl stellte die ÖVP die Konkurrenz mit fast 35 Prozent der Stimmen in den Schatten. Die Anhänger sahen in ihren Sprechchören darin nur einen Grund: “Kanzler Kurz”.
Bevor Kurz das höchste Regierungsamt erreichte, war er bereits Integrations-Staatssekretär und Außenminister. Zusammen mit den Balkanstaaten zimmerte er ein Bündnis, mit dem die von den Flüchtlingen bis dahin gern genutzte Balkanroute Anfang 2016 weitgehend geschlossen wurde. Diese Maßnahme sah er auch im österreichischen Wahlkampf als eines seiner größten Verdienste. Spätestens seit seiner sehr passablen Auftritte als Außenminister galt das Einzelkind – Mutter Lehrerin, Vater Techniker – als die ganz große Hoffnung der konservativen ÖVP.
Klare Strategie
Auch in seiner Zeit als Kanzler verfolgte Kurz eine klare Strategie: Einigkeit mit dem Koalitionspartner präsentieren und dem Land das Gefühl geben, dass die Regierung auf Hochtouren arbeitet. ÖVP und FPÖ einigten sich schnell auf neue Arbeitszeitgesetze, reformierten das Krankenkassen-System und brachten eine große Steuerentlastung auf den Weg. Auf EU-Ebene nutzte Kurz die Ratspräsidentschaft Österreichs von Juli bis Dezember 2018, um seine Position zu stärken. Hinzu kamen zahlreiche Reisen und Treffen mit internationalen Partnern.
Eine weitere Auffälligkeit der Kurz’schen Politik war die Kommunikationsstrategie. “Kurz ist die personifizierte Selbstkontrolle. Wenn er auftritt, ist nichts dem Zufall überlassen”, heißt es in einer Biografie über ihn. Auch als Regierungschef blieb er diesem Motto treu, die ÖVP-FPÖ-Koalition pflegte die sogenannte “Message Control”: Was über die Regierung an die Öffentlichkeit kommt, ist immer abgesprochen, zeitlich getaktet, eben kein Zufall. Dass ausgerechnet Kurz den Karrieredämpfer nun in Folge der Veröffentlichung eines heimlich gefilmten Videos hinnehmen muss, hat da eine besondere Note.
“Fesch und sympathisch”
Doch das heimlich gefilmte Skandalvideo von 2017, in dem sein Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache über möglicherweise illegale Parteispenden spricht und einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte öffentliche Aufträge in Aussicht stellt, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei der Nationalratswahl 2017 verhelfen, wird nun auch dem höflichen 32-Jährigen zum Verhängnis.
In die Neuwahlen muss der Freizeitsportler Kurz (Bergsteigen, Mountainbiken) nun ohne den so beliebten Amtsbonus gehen. Dass er diese aber trotzdem für die ÖVP gewinnt, ist weiterhin höchstwahrscheinlich. Der Psychologe Michael Schmitz schrieb über ihn: “Kurz ist fesch und sympathisch. Wer so rüberkommt, gilt vielen nahezu automatisch als glaubwürdig und dann schnell auch als fähig.” Das hat sich vermutlich auch mit der Regierungskrise der letzten Wochen nicht geändert. Kurz steht auch weiterhin eine jahrzehntelange Karriere in Österreichs Spitzenämtern bevor – es wird nur nicht so einfach, wie er vielleicht selbst lange dachte.
(APA)
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