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PISA-Auswertung: "Alarmierende" Gewalt an Schulen

Jeder vierte Bub war in einem halben Jahr mindestens zweimal pro Monat Opfer.
Jeder vierte Bub war in einem halben Jahr mindestens zweimal pro Monat Opfer. ©APA
"Hohe Gewaltraten" an den Schulen registrierten Bildungspsychologen im Rahmen von Zusatzanalysen zur PISA-Studie 2009, vor allem bei Burschen seien die Daten "alarmierend".
Gewalt unter Schulkindern

Jeder vierte männliche 15-Jährige wurde während eines halben Jahres mindestens zweimal pro Monat von seinen Mitschülern geschlagen bzw. geschubst, gestoßen oder getreten. Auch die von Lehrpersonen ausgeübte Gewalt sei “bedenklich hoch”: 40 Prozent der Burschen haben zumindest einmal in sechs Monaten derartige Gewalterfahrungen gemacht. Außerdem schauen Lehrer häufig weg: “Dass deutlich über 40 Prozent der Lehrpersonen laut Angaben der Schülerinnen und Schüler bei Gewalthandlungen nicht eingreifen, ist ebenfalls ein alarmierendes Ergebnis.”

Wien. Für die Untersuchung “Gewalterfahrungen von Jugendlichen: Prävalenzen und Risikogruppen” werteten die Bildungspsychologen Dagmar Strohmeier (FH Oberösterreich), Petra Gradinger, Alfred Schabmann und Christiane Spiel (Uni Wien) unter anderem rund 1.500 Fragebögen der Zusatzerhebungen zur PISA-Studie 2009 aus. Neben der Gewalt an der Schule wurden dabei auch Gewalterfahrungen mit Eltern untersucht. Resultat: “Insgesamt zeigen die auf Selbsteinschätzungen beruhenden Analysen, dass österreichische Jugendliche vielfältige und häufige Gewalterfahrungen aufweisen.”

Weitere Details: Burschen haben öfters Gewalterfahrungen als Mädchen. Ebenso wird an maturaführenden Schulen seltener von Gewalterfahrungen berichtet als in anderen Schultypen, am häufigsten wird Gewalt in allen Bereichen an allgemeinen Pflichtschulen (Hauptschule, Polytechnische Schule, Sonderschule) registriert.

“Überraschend” waren die Befunde über den Migrationshintergrund: Während frühere Studien keine Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten erbrachten, berichteten hier die Jugendlichen mit Migrationshintergrund über mehr Gewalterfahrungen als einheimische Jugendliche. Allerdings sei dieser Befund aufgrund der Stichprobenziehung “mit Vorsicht zu interpretieren”.

Jugendliche ohne Gewalterfahrung mit besten Leistungen

Wie erwartet wiesen bei den Mädchen die Jugendlichen ohne Gewalterfahrungen die besten PISA-Leistungen auf und jene, die sowohl “Täterinnen” als auch “Opfer” waren, die niedrigsten. Bei den Burschen gab es jedoch keine statistisch bedeutsamen Leistungsunterschiede zwischen “Unbeteiligten” und “Tätern-Opfern”. Reine Täter und “massive Täter-Opfer” kamen dagegen auf schlechtere Testresultate.

Eine weitere Untersuchung im Rahmen der PISA-Analysen zeigt einen weiteren Aspekt auf: Demnach hat die Häufigkeit aggressiven Schülerverhaltens seit Mitte der 1990er Jahre nicht zugenommen, wie ein Vergleich der 2009 erhobenen Daten mit jenen der TIMSS-Studie von 1995 ergab. Außerdem “geht nur eine Minderheit der Schulleiter/innen davon aus, dass physische Aggression in den letzten zehn Jahren an ihrer Schule zugenommen hat”, schreiben Silvia Bergmüller und Christian Wiesner vom Institut für Bildungsforschung (BIFIE).

Auch sie stellen fest, dass “Schulen mit hohem Aggressionsniveau eine geringe Selektivität aufweisen, Schulen mit niedrigem Aggressionsniveau dagegen in der Regel hoch selektiv sind”. Das bedeutet, dass etwa an einer AHS (für die es Zugangsvoraussetzungen vor allem über Noten gibt) weniger Gewalt ausgeübt wird als an Hauptschulen oder Polytechnischen Schulen, für die keine Zugangsvoraussetzungen existieren. An letzteren kommt es daher nicht nur zu einer Häufung leistungsschwacher, sondern auch potenziell aggressiver Schüler: “Aggressive Jugendliche kommen geballt in gering selektiven Schulen vor, die kaum die Möglichkeit haben, Schüler/innen abzuweisen.”

Die Autoren empfehlen daher die Vermeidung einer solchen selektionsbedingten Zusammenfassung leistungsschwacher Jugendlicher in bestimmten Schulen. Wenn dies unvermeidbar sein sollte, sollten für diese Gruppen beispielsweise mehr Ressourcen und die “besten Lehrer” bereitgestellt werden.

(APA)

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