Am Dienstag ist sein letzter Arbeitstag. Im Interview mit den VN spricht er über blutige Zuhälterfehden, schwierige Wirtschaftsverfahren und über die Entwicklung der Jugendkriminalität.
Herr Dr. Pflanzner, Sie gehen in den Ruhestand, während der größte Justizskandal in der Geschichte Vorarlbergs das Land erschüttert.
Franz Pflanzner: Natürlich stellt man sich den Übertritt in die Pension vielleicht etwas ruhiger vor. Eigentlich wollte ich ja schon vor dem Sommer gehen. Die Ermittlungen sind mittlerweile in der Endphase, sodass mit einem Abschluss im Herbst gerechnet werden kann. Was mir weh tut, ist die Tatsache, dass dieser Fall einen derartigen Vertrauensverlust in die Justiz erbracht hat. Daran werden wir möglicherweise noch lange zu knabbern haben. Es ist der Eindruck entstanden, dass in der Justiz nur Gauner am Werk sind. Das trifft uns hart, weil wir glauben, dass wir einen ganz wesentlichen und auch sehr korrekten Beitrag in unserem Hause leisten.
Blicken wir ein wenig zurück. Am Anfang Ihrer beruflichen Karriere gab es in Vorarlberg das Problem der blutigen Zuhälterfehden.
Franz Pflanzner:
Das war arbeitsmäßig eine äußerst intensive Zeit. 1977/78 hat es im Vorarlberger Zuhältermilieu massive Auseinandersetzungen gegeben. Da war die ganze Palette des Strafrechts dabei. Morddelikte, Sprengstoffanschläge, Messerattacken, Einschüchterungen, Bedrohungen. Mitte der 80er-Jahre haben wir das in enger Zusammenarbeit mit der Polizei in den Griff bekommen. Nach der Anklage gegen fünf Zuhälter wegen Mordes wurde es dann ruhiger.
Wie hat sich die Kriminalität in Vorarlberg im Laufe der Zeit verändert?
Franz Pflanzner: Ein gravierendes Problem war früher die Suchtgiftproblematik in Bezug auf die harten Drogen. Damals sind kiloweise Heroin ins Land gebracht worden. Das hat sich dann aber wieder beruhigt. Jedenfalls gab es in weiterer Folge keine so großen Mengenaufgriffe mehr. In den letzten Jahren hat die Wirtschaftskriminalität, vor allem mit Auslandsbezug, massiv zugenommen. Was die Strafenpraxis betrifft, sind in den ersten Jahren meiner beruflichen Tätigkeit die Vermögensdelikte strafenmäßig viel stärker betont worden als die Aggressionsdelikte. Das hat man in den letzten Jahren glücklicherweise zum Kippen gebracht.
Wirtschaftsverfahren werden immer komplexer. Ist die Staatsanwaltschaft Feldkirch diesbezüglich gerüstet?
Franz Pflanzner: Wenn Großverfahren mit Auslandsbezug hereinschneien, wo man zuschauen kann wie Aktenumfänge wachsen, dann stoßen wir an die Grenzen unserer Kapazität. Das ist aber nicht nur bei uns so. Hier sollen ja in Zukunft die Wirtschaftskompetenzzentren greifen. Wie es heißt, sollen diese aber nur für Fälle mit einer Schadenssumme ab fünf Millionen Euro zuständig sein. Umgelegt auf meine Behörde, wären da in den letzten Jahren vielleicht ein, zwei Verfahren hineingekommen. Die Arbeitsbelastung lässt sich nicht unbedingt aus dem Deliktsbetrag herauslesen. Nur als Beispiel: Bei einem Fall, den wir von den Schweizer Behörden übernommen haben, ist zu unserer Überraschung ein Kleinbus vorgefahren, aus dem 23 Schachteln mit Akten ausgeladen wurden. (Causa um den Vorarlberger Millionenbetrüger Helmut König, Anm. d. Red.) Man kann sich vorstellen, was das für den Sachbearbeiter bedeutet, der sich in diese Materie hineinlesen muss.
Die hohe Arbeitsbelastung bei Wirtschafts-Großverfahren ist das eine, aber man muss da ja auch durchblicken.
Franz Pflanzner: Wenn man es heute mit gewieften Beschuldigten im Bereich der Wirtschaftskriminalität zu tun hat, dann muss man objektiv sagen, dass wir da mangels Fachwissen nicht mithalten können. Natürlich kann man Sachverständige bestellen, ein gewisses Grundverständnis muss man aber schon mitbringen. Da braucht es in Zukunft sicher weitere Schulungen und Spezialisierungen, ohne das wird es nicht gehen.Möglicherweise muss man sich diesbezüglich schon bei der Universitätsausbildung etwas überlegen.
Stichwort Jugendkriminalität. Wie sehen Sie die Entwicklung in diesem Bereich?
Franz Pflanzner: Ob die Jugendkriminalität zahlenmäßig gestiegen ist, kann ich nicht beurteilen. Bei schweren Straftaten gab es immer ein gewisses Auf und Ab. Im Moment sehe ich keine größeren Steigerungen. Auffällig ist jedoch, dass die Hemmschwelle zur Gewalt gesunken ist. Heutzutage braucht es überhaupt keinen Anlass, damit ein Opfer attackiert und geschlagen wird. Das ist eine Entwicklung, die man im Auge behalten muss. Mit Strafen allein ist hier nichts zu bewegen. Wir haben es zum Teil mit Jugendlichen zu tun, die sehr desolat in der Welt stehen, die arbeitslos sind und wo es auch familiär oft nicht stimmt. Da gilt es ein entsprechendes Umfeld zu schaffen, um diese Leute wieder in den Griff zu bekommen.
Wie haben sich kriminalpolitische Instumente wie der außergerichtliche Tatausgleich und die gemeinnützigen Leistungen bewährt?
Franz Pflanzner: Ausgezeichnet. Aus heutiger Sicht kann man sich das gar nicht mehr anders vorstellen. Da wird der notwendige sozialarbeiterische Aspekt mit der rechtlichen Seite verbunden. Im unteren Kriminalitätsbereich können wir auf diese Weise sehr viel intensiver auf Jugendliche einwirken als durch kurze Verhandlungen, die zum Teil völlig wirkungslos bleiben.
Hatten Sie je Zweifel an der Schuld eines Angeklagten?
Franz Pflanzner: Es gibt einzelne Verfahren, die einem nachhängen. Wo man nach Hause geht und sich fragt, war da jetzt schon alles richtig. Vor allem dann, wenn massive Strafen über Angeklagte verhängt wurden, die sich nicht schuldig bekannt hatten.
Gibt es Kriminalfälle, die Sie besonders belastet haben?
Franz Pflanzner: Emotional nicht, arbeitsmäßig schon. Zwei große Wirtschaftsverfahren habe ich besonders in Erinnerung. Geiger und Schönenberger. In beiden Fällen umfasste der Aktenumfang etwa 8000 Seiten. Da habe ich jeweils fünf Wochen nur an der Anklage gearbeitet. Da ist man dann schon sehr ausgelaugt.
Würden Sie Ihren Beruf heute wieder ergreifen?
Franz Pflanzner: Auf jeden Fall. Der Beruf des Staatsanwalts liegt mir einfach. Ich sehe mich aber nicht als blindwütiger Strafverfolger, sondern als jemand, der zu gestalten versucht. Ich wollte nie rein vom Schreibtisch aus agieren.
Ab nächster Woche haben Sie viel Zeit für sich selbst. Was werden Sie tun?
Franz Pflanzner: Ich werde zunächst einmal versuchen, von diesem hohen Belastungslevel runterzukommen. Ich werde vermehrt in die Berge gehen. Die Kinder haben mich zum Teil schon für diverse Hausarbeiten vorgesehen. Das Jahr 2010 wird aber eher ruhig vorübergehen.
Herr Pflanzner, vielen Dank für das Gespräch.
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