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„Papas Vision lebt weiter“

©Sams
Nach dem tragischen Tod ihres Vaters und Wälderbau-Gründers Bertram lernte Christine Dragaschnig früh, Verantwortung zu übernehmen – die Junior-Chefin im Sonntags-Talk.

von Joachim Mangard/Wann & Wo

WANN & WO: Wie präsent war die Firma in eurer Familie?

Christine Dragaschnig: Mein Vater machte sich bereits 1997 selbständig, da war ich vier Jahre alt. Somit war die Berufswelt immer ein Thema. Trotzdem stand das Familienleben an erster Stelle, ich hatte nie das Gefühl, dass meine Mutter und meine drei Geschwister darunter gelitten haben. Im Gegenteil, meinem Vater war es wichtig, viel Zeit mit uns zu verbringen. Und wenn Papa dann seine Ideen und Visionen mit uns geteilt hat, habe ich das immer als positiv empfunden. Es war ihm stets wichtig, was wir davon halten. So hatte ich auch von Kind auf einen positiven Bezug zu unserem Familienunternehmen – er hat uns auch nie unter Druck gesetzt, später seine Nachfolge anzutreten.

WANN & WO: Wann hast du dich entschieden, deine berufliche Zukunft ebenfalls in Richtung heimisches Unternehmen, auszurichten?

Christine Dragaschnig: Während meiner Ausbildung in der HAK habe ich meine Vorliebe für das Kaufmännische entdeckt. Im Anschluss entschied ich mich für ein betriebswirtschaftliches Studium, daneben war ich aber schon in der Firma tätig. Mein Wissen über Unternehmensführung konnte ich dann beim Entrepreneurship in Vaduz weiter ausbauen. Konsequenterweise lautet der Titel meiner Bachelor-Arbeit „Innovationsverhalten von Familienunternehmen unter dem Aspekt des Generationenwechsels“. Ursprünglich wollte ich noch Erfahrungen und Perspektiven in anderen Unternehmen sammeln, mit der plötzlichen Erkrankung meines Vaters kam dann aber alles anders.

WANN & WO: Wie würdest du eure Firmenphilosophie in Worte fassen?

Christine Dragaschnig: Als Grundsätze gelten Ehrlichkeit und Menschlichkeit. Fleiß, Bodenständigkeit und Hausverstand sind für uns Grundpfeiler. Die Firmengruppe unterteilt sich in die wohl bekannteste Tochterfirma Wälderbau, das Planungs- und Architekturbüro Baukultur, den Energiezweig mit Fern- und Erdwärme und das Sennhus als regionales Wirtschaftszentrum mit verschiedenen Geschäften – ab diesem Wochenende einer Arzt-Praxis – und dem Blumenladen, den ich kaufmännisch leite. Das Projekt stärkt einerseits die wirtschaftliche Infrastruktur und Nahversorgung, andererseits ist auch attraktiver Wohnraum geschaffen worden.

WANN & WO: Wie hast du deinen Vater in Erinnerung?

Christine Dragaschnig: Er war Zimmermann von Beruf, immer sehr umtriebig, und das in vielen Bereichen – ein totaler Visionär, der immer darauf bedacht war, zukunftsweisend und nachhaltig zu agieren. Als Mensch war er ausgeglichen und ruhig. Wenn er sich aber etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte er seine Ideen durchaus auch mit Vehemenz verteidigen. So war es etwa beim Blumenladen. Nachdem wir niemanden fanden, der das Projekt betreiben wollte, machten wir es selbst. Mein Vater hat noch vom Krankenbett aus dafür gesorgt, dass die Geschäftsidee in die Tat umgesetzt wird.

WANN & WO: Wie siehst du die Rolle von Frauen in Führungspositionen?

Christine Dragaschnig: Sehr positiv. Ich hatte auch nie das Gefühl, in irgendeiner Form benachteiligt zu sein. Falls es einmal so kommt, werde ich mich aber dementsprechend zur Wehr setzen (schmunzelt). Eine zwingende Frauenquote halte ich für wenig sinnvoll. Es ist der Sache nicht zuträglich, wenn Frauen nur aufgrund einer Quote in Führungspositionen oder Jobs gehievt werden. Was zählt, sind Qualifikation und Fähigkeit.

WANN & WO: Vor welchen Herausforderungen steht die Branche in den nächsten Jahren?

Christine Dragaschnig: Momentan sind die Zinsen sicher auch ein Grund für den anhaltenden Bauboom – trotz der steigenden Grundpreise. Bodenverknappung wird die nächsten Jahre zum Riesenthema, als direkter Preistreiber für Grundstücke. Als Unternehmen muss man sich auf diese Zeiten einstellen. Man darf auch gespannt sein, wie sich die Digitalisierung auf die Baubranche auswirkt. Ich glaube aber nicht daran, dass Roboter, gerade in unserem Metier, den Mensch in naher Zukunft ersetzen. Dafür setzen wir in unserer Firma stark auf Handwerk und Qualität – und wie es das Wort schon sagt, auf „handgemachte“ Wälder Baukunst.

WANN & WO: Wie wichtig ist euch der Begriff Handwerk?

Christine Dragaschnig: Qualität vor Quantität ist ein Motto von uns. Wir wollen jungen Menschen das Thema Lehre, Handwerk und Tradition wieder näher bringen. Dafür steht auch die Region Bregenzerwald.

WANN & WO: Wie wichtig ist euch die Lehrausbildung?

Christine Dragaschnig: Uns ist es wichtig, eigene Leute auszubilden. Aktuell haben wir neun Lehrlinge im Baubereich, bei einem Mitarbeiterstand von 80 Leuten. In den letzten Jahren konnte man den Stellenwert der Lehre in den Köpfen der Gesellschaft wieder erhöhen. Wir profitieren in Vorarlberg von dem dualen System. Eine Lehre ist ein idealer Grundstock mit der Möglichkeit, später seine Ausbildung, z.B. mit der Matura, fortzusetzen. Kinder und Jugendliche sollten wieder vermehrt mit Natur und auch Handwerk in Kontakt treten. Hammer und Säge statt Instagram und Smartphone.

WANN & WO: Wie stehst du zu überbetrieblicher Vernetzung im Gegensatz zu Konkurrenz?

Christine Dragaschnig: Als Einzelkämpfer steht man oft allein auf weiter Flur. Gleichzeitig beflügelt Konkurrenz Innovation und Fortschritt. Ich glaube, es braucht beides. So können letztlich alle profitieren. Es gilt, gemeinsam und gebündelt aufzutreten und die Vorzüge des Handwerks einer breiten Gesellschaft näher zu bringen.

WANN & WO: Wie seid ihr persönlich mit der plötzlichen Erkrankung deines Vaters umgegangen?

Christine Dragaschnig: Es traf uns völlig unerwartet und ohne Anzeichen. Die Diagnose lautete inoperabler, bösartiger Hirntumor und er konnte sein Tagwerk von heute auf morgen nicht mehr fortsetzen. In diesem Moment brach eine Welt für uns zusammen – man funktioniert einfach nur mehr. Unser starker Familienzusammenhalt wurde auf eine harte Probe gestellt, hat uns aber auch die Kraft gegeben, weiter zu machen. Für mich persönlich war es eine Bewährungsprobe, ich befand mich mit 21 Jahren mitten im Studium und war die Älteste von uns vier Kindern. Für mich war sofort klar, dass mein eigentlich später geplanter Eintritt in die Firma sofort erfolgt. Wir haben die Krankheit von der ersten Sekunde an angenommen – so wie mein Vater, der offen damit umging.

WANN & WO: Wie habt ihr im Betrieb auf den Verlust reagiert?

Christine Dragaschnig: Glücklicherweise konnten und können wir uns auf unsere teilweise langjährigen und loyalen Mitarbeiter verlassen. Meine Mutter übernahm gemeinsam mit Herbert Greber, dem ersten Mitarbeiter meines Vaters, und Andreas Gmeiner die Geschäftsleitung. Ohne den betrieblichen Zusammenhalt wäre ein Fortbestand der Firma unmöglich gewesen. Meine Mutter und ich sind unendlich dankbar über den Rückhalt, den uns das Team von der ersten Sekunde an gegeben hat – gerade auf den Baustellen, wo wir Frauen bis dato nicht wirklich tätig waren, hat die langjährige Expertise von Herbert, Andreas und sämtlichen anderen Mitarbeitern den Fortbestand der Wälderbau GmbH gesichert. Mein Vater war immer ein sehr direkter Mensch, der aber gleichzeitig die Gabe hatte, mit seinem Mitmenschen respektvoll umzugehen und Aufgaben zu vermitteln. Er konnte aber auch Verantwortung abgeben und jemanden „ins kalte Wasser werfen“. Auch deswegen leben Papas Visionen jetzt in einem gesunden Betrieb weiter.

WANN & WO: Welche Projekte verfolgt ihr jetzt gerade?

Christine Dragaschnig: Im Vorjahr haben wir die betriebliche Struktur mit einem neuen Bauhof, einer Lager- und Produktionshalle und weiteren Projekten erweitert – mit dem klaren Bekenntnis zum Standort Schwarzenberg. Persönlich versuche ich mich mehr an den Betrieb anzunähern, auch projektbezogen und in der Praxis. Das soll aber parallel zu der hervorragenden Tätigkeit unserer Geschäftsführung geschehen. So kann ich langsam in eine Führungsrolle hineinwachsen, auch mit einer gewissen Außenperspektive, die ich als Chance für Innovation sehe. Für dieses Vertrauensprivileg bin ich sehr dankbar. Vor schwierigen Entscheidungen frage ich mich schon auch, wie mein Vater reagiert hätte. Diesen unternehmerischen Mut möchte ich weiter pflegen.

WANN & WO: Hattest du Angst, dass bestehende Mitarbeiter deine Rolle missverstehen?

Christine Dragaschnig: Das Gefühl hatte ich nicht, diese Frage müssten aber andere beantworten. Ich war aber auch schon während des Studiums immer Teil der Firma. Mir ist wichtig, dass wir eine Gesprächsbasis auf Augenhöhe haben. Gerade in meiner Situation als Person, die in gewissen Bereichen als eine Art „Außenstehende“ gesehen werden kann, ist eine offene und transparente Kommunikation wichtig. Ich kann nur dann reagieren, wenn Probleme offen angesprochen werden. Bei uns gibt es kein klassisches Top-Down-Management, was mir sehr am Herzen liegt. Führung geschieht auf Augenhöhe und niemals von oben herab.

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