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Palästina: Keine Wahlen

Als Korei im vergangenen Oktober die schon mehrfach verschobenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen für Mitte Juni ankündigte, schien dies Ausdruck einer Hoffnung zu sein.

Kurz darauf stellte Präsident Yasser Arafat klar, dass Wahlen erst nach einem Rückzug der Israelis aus den besetzten Gebieten denkbar seien.

„Die Wahlen wurden bis jetzt nicht offiziell abgesagt“, sagt Abdallah Frangi, der Generaldelegierte der Palästinenser in Deutschland. Auch der Roadmap genannte internationale Friedensplan sieht Wahlen als Teil der Reformen der Autonomiebehörde vor.

„Die Palästinenser müssten die Möglichkeit erhalten, unter Beweis zu stellen, dass sie im Gazastreifen ein funktionierendes Gemeinwesen mit Gewaltmonopol aufbauen können“, sagt Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Vorher seien Wahlen gar nicht denkbar, wie sollten sie auch stattfinden „mitten im Krieg“. Die Wissenschaftlerin ist Mitautorin des Friedensgutachtens, das am Dienstag vorgestellt wurde und jährlich von fünf führenden deutschen Friedensforschungsinstituten herausgegeben wird.

Voraussetzung für Fortschritte im Friedensprozess ist Johannsen zufolge der Abzug der israelischen Armee aus den Palästinensergebieten, wie er ab Sommer für den Gazastreifen geplant ist. Dann müsste „massive wirtschaftliche Unterstützung“ folgen. Der Gazastreifen sei allein nicht lebensfähig, bei der „Elendsbekämpfung“ sei die EU gefragt. Erst danach seien überhaupt Wahlen möglich.

Der politische Stillstand in den Palästinensergebieten wirft dennoch die Frage nach der Legitimation der Palästinenserführung auf. Die bisher einzigen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen fanden 1996 statt. Arafat wird von den Israelis nicht mehr als legitimer Partner im Friedensprozess angesehen und steht seit zweieinhalb Jahren in Ramallah faktisch unter Hausarrest. Wahlen seien „erforderlich, damit eine palästinensische Führung Legitimation erhält, um etwa wirksam gegen bewaffnete Gruppen vorgehen zu können“, sagt Johannsen.

Während es „in der israelischen Politik Gruppen gibt, die gar nicht wollen, dass sich die Palästinenser beweisen können“, wie Johannsen sagt, bestehen auch Zweifel, ob Arafat Wahlen um den Preis eines möglichen Machtverlusts überhaupt zustimmen würde. Der einzige frei gewählte Führer eines arabischen Landes ist zwar weitgehend isoliert, zieht aber weiterhin die Fäden. Ohne sein Placet kann Korei nicht viel ausrichten.

Den Aufbau unabhängiger politischer Institutionen hat Arafat bisher weitgehend verhindert. Mandatsträger werden nach wie vor von ihm ernannt, von den Kabinettsmitgliedern des Parlaments bis zu den Leitern der einzelnen Sicherheitsdienste. Erst auf internationalen Druck der USA hin hatte Arafat 2002 Wahlen für Jänner 2003 angekündigt und die Behörden verschlankt. Tatsächlich will er Wahlen aber erst nach einem israelischen Rückzug zulassen.

Auch die ab August in Etappen geplanten Kommunalwahlen, die ersten seit rund 30 Jahren in den Palästinensergebieten, „finden nur statt, wenn die äußeren Umstände wegfallen“, sagt Frangi und meint die Besatzung. Die derzeitige Palästinenserspitze kann sich so weiter dem Trugschluss hingeben, politisch die Macht zu haben. Derweil bestellt die radikale Hamas das Feld vor allem im Gazastreifen, wo Arafat ohne seinen alten Rivalen und früheren Minister Mohammed Dahlan wenig ausrichten kann.

Für das kommende Jahr ist Friedensforscherin Johannsen pessimistisch, was die Entwicklung im Nahost-Konflikt angeht, trotz des von Israel angestrebten Rückzugs aus dem Gazastreifen. Der Gazastreifen, dieses „Stück eingezäunte Elend“, sei nur ein „Bauernopfer“, um das Westjordanland weiter unter Kontrolle zu halten, sagt Johannsen. Solange aber israelische Soldaten im Westjordanland stationiert sind, wird sich Arafat kaum auf Wahlen einlassen.

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