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Österreichs WM-Traum ist vorbei

Österreichs Traum von der Teilnahme an der Fußball-WM 06 ist seit Samstag ausgeträumt. Die 2:3-Niederlage in Polen beraubte das Team seiner letzten realistischen Chance, doch noch das Ticket für Deutschland zu lösen.  | TED

Nun stehen bis zum Beginn der Heim-EM 2008 nur noch Länderspiele auf dem Programm, in dem es um Prestige und Weltranglisten-Punkte geht.

Dabei wäre in Chorzow eine Niederlage durchaus zu vermeiden gewesen: Dank der starken Leistung in der letzten halben Stunde hätte das ÖFB-Team mit Glück sogar einen Sieg einfahren können – entscheidend war aber die erste Hälfte, in der sich die Österreicher alles andere als WM-reif präsentierten.

„Eine Erklärung dafür ist, dass die Mannschaft zu wenig internationale Erfahrung hat, deshalb ängstlich und fehlerhaft agiert hat“, vermutete Teamchef Hans Krankl. Die auf Grund der Kampagne einer polnischen Boulevard-Zeitung extrem aufgeheizte Stimmung im Stadion (die österreichische Hymne ging unter den Pfiffen völlig unter) hätte ihre Wirkung nicht verfehlt.

„Die hasserfüllte Atmosphäre, wie ich sie noch nie erlebt habe, hat uns beeindruckt. Auch die arrivierten Spieler können mit so einer Situation anscheinend nicht umgehen“, betonte Krankl.

Erst mit dem Anschlusstreffer nach einer Stunde legten die Österreicher ihre Scheu ab. „Das hat uns so eine Willensstärke gegeben, dass wir plötzlich gedrückt haben und den Ausgleich hätten machen müssen.“ Wenn auch kein Remis gelang, so blieb für Krankl wenigstens die Erkenntnis, „dass sich das Team nicht aufgibt, sondern versucht zu gewinnen. Diese Entwicklung ist gut, das hat sich im Vergleich zu früher geändert. Die Mannschaft hat Herz, Charakter und Qualität“, ist der Ex-Goleador überzeugt.

Über die Niederlage habe er sich „sehr geärgert, aber wenn man in der zweiten Hälfte Charakter beweist und mit Glück sogar gewinnen kann, sehe ich das positiv. Doch unter dem Strich haben wir verloren“, musste Krankl zugeben.

Vorwürfe macht sich der Teamchef keine. „Ich habe die Elite aufgestellt. Die Mannschaft in der ersten Hälfte war die beste Qualität von Österreich und die Taktik die beste für Österreich. Unsere Fehler haben nichts mit Taktik oder Aufstellung zu tun“, behauptete Krankl.

Freilich begann das Spiel der ÖFB-Auswahl erst zu laufen, als mit dem zweifachen Torschützen Roland Linz ab der 46. Minute ein zweiter Stürmer auf dem Platz war. „Wenn ich gewusst hätte, dass er zwei Tore schießt, hätte ich ihn natürlich von Beginn an aufgestellt. Vor dem Länderspiel war er in keiner Phase aufzustellen, jetzt hat er bewiesen, dass er einen Lauf hat.“

Linz hat nach seinem Doppelpack am Mittwoch einen Platz in der Anfangsformation sicher – Didi Kühbauer hingegen verzichtet nicht nur auf den Aserbaidschan-Trip, sondern allgemein auf weitere Auftritte im ÖFB-Team. „Ich möchte mich bei ihm für seine Leistungen im Team in meiner Zeit bedanken. Leider sind wir beiden Sturschädeln erst spät zusammengekommen“, sagte Krankl nach dem Team-Rücktritt des 34-jährigen Burgenländers.

„Ich hätte mit gewünscht, dass er noch ein Jahr bleibt, er wäre ein toller Leithammel gewesen. Nach den Vorfällen in Polen verstehe ich ihn aber. Das war weit unter der Gürtellinie und hat ihn in seiner Entscheidung bestärkt“, erklärte Krankl.

Neben Kühbauer fallen für Aserbaidschan auch der verletzte Muhammet Akagündüz sowie die gesperrten Markus Schopp, Joachim Standfest und Rene Aufhauser aus. „Leicht wird es in Aserbaidschan nicht. Wenn wir mit einem Tor gewinnen, wäre ich schon heilfroh“, sagte Krankl, der den Mattersburger Michael Mörz nachnominierte und dadurch mit 18 Spielern die Auswärtsreise antreten wird.

Auf eine Einberufung von Ivica Vastic verzichtete der 52-Jährige, was aber nicht heißt, dass das Ende der WM-Quali-Hoffnungen gleichbedeutend mit dem Ende der Teamkarriere mancher in die Jahre gekommener Spieler ist. „Auf arrivierte Spieler kann ich nicht verzichten“, weiß Krankl.

Junge Spieler sollen nun aber vermehrt zum Zug kommen. „Es wird interessant sein zu sehen, ob sich die jungen Spieler von der Qualität her mit den alten messen können. Ich glaube, derzeit nicht.“

Rein rechnerisch hat das ÖFB-Team noch eine Chance auf Platz zwei in der Gruppe sechs. Wenn England aus den Spielen in Nordirland und daheim gegen Polen nur einen Zähler holen sollte, müsste Österreich am Mittwoch in Aserbaidschan sowie am 8. Oktober in Manchester und am 12. Oktober in Wien gegen Nordirland, also alle drei noch ausstehenden Spiele gewinnen, um die favorisierten Briten noch abzufangen. Doch diese Rechenspielerei war am Sonntag nicht einmal für Zweckoptimist Krankl ein Thema.

Hans Krankl (Teamchef Österreich): „Manchmal kann man Fußball nicht erklären. Wir haben uns in der ersten Hälfte versteckt, waren nervös, haben Eigenfehler gemacht. Ich habe der Mannschaft in der Pause gesagt: ’Das kann nicht sein.’ Wenn wir ausscheiden müssen, dann wollen wir ehrenvoll ausscheiden. Es war ein Spiel, das man 4:3 gewinnen kann. Aber die zweite Hälfte so großartig zu spielen, ist zu wenig. Nach der Pause haben sich alle sehr gesteigert. Die Qualifikation zu schaffen, war von Haus aus schwierig gegen England und Polen. Ich nehme die Schuld auf mich, denn ich bin der Hauptverantwortliche.“

Roland Linz (zweifacher Torschütze): „In der ersten Hälfte haben wir sehr, sehr schlecht gespielt. In der zweiten Hälfte waren wir aber die bessere Mannschaft und hätten uns den Ausgleich verdient gehabt. Diese Niederlage ist sehr, sehr bitter.“

Friedrich Stickler (ÖFB-Präsident): „Ich bin eigentlich todtraurig. Die Qualifikation ist noch nicht abgeschlossen, aber verloren. Wir sind eigentlich nicht dabei, das tut im Herzen weh. Bitte nicht heute Abend die Frage nach dem Teamchef. Wir haben noch drei Spiele, wir reden nach Ende der Qualifikation. Jetzt die Teamchef-Frage zu stellen wäre absurd, wir haben am Mittwoch ein Spiel und wollen gewinnen.“

Andreas Ivanschitz (ÖFB-Teamkapitän):
„Die erste Hälfte war eine der schlechtesten seit langer Zeit, die zweite Hälfte eine der besten seit langer Zeit. Wir hätten uns einen Punkt verdient. Für die zweite Hälfte brauchen wir uns keinen Vorwurf machen.“

Pawel Janas (Teamchef Polen): „In der ersten Hälfte waren wir sehr gut, da stimmte fast alles. Da dachten wir, das Spiel fast sicher gewonnen zu haben. In der zweiten Hälfte hat sich fast alles gedreht, bei uns haben sich viele Fehler eingeschlichen. Österreich hat die zweite Hälfte gewonnen, wir das Spiel.“

Miroslaw Szymkowiak (Teamspieler Polen): „In der zweiten Hälfte haben wir zu wenig aggressiv gespielt und uns unter Druck setzen lassen. Ich will mich bei den Fans entschuldigen, weil wir letztlich nur so einen knappen Sieg errungen haben.“

Polnische Pressestimmen zum Sieg gegen Österreich

Polnische Pressestimmen zum 3:2-Sieg in der Fußball-WM-Qualifikation am Samstag in Chorzow gegen Österreich:

„GAZETA WYBORCZA“: „In der ersten Hälfte waren die Österreich auf dem Platz kaum zu sehen. Sie fielen nur durch beinahe brutales Spiel und Ellbogenschläge auf. Nach der Pause haben die Gastgeber mehrere Abwehrfehler begangen. Als „Last-Action-Hero“ erwies sich Radomski, der in der letzten Minute auf der Linie klärte. Das Spiel in Chorzow war Horror mit Happy End.

„PRZEGLAD SPORTOWY“: „Die Fans in Chorzow haben zwei polnische Mannschaften erlebt. In der ersten Hälfte ein sehr aggressiv kämpfendes Team, nach der Pause eine wie gelähmt agierende Truppe. Teamchef Janas hat versäumt zu reagieren, als mit Roland Linz ein zweiter Stürmer auf dem Platz auftauchte.

„PAP“ (Polnische Presse Agentur): Das Slaski-Stadion wurde entzaubert. Nach jahrelangen Misserfolgen hat Polen endlich in Chorzow gewonnen. Der letzte Sieg lag bis Samstag vier Jahre zurück, damals haben die Polen nach einem 3:0 gegen Norwegen die Teilnahme an der WM 2002 perfekt gemacht. Nach dem Schlusspfiff am Samstag fiel den Fans ein Stein vom Herzen.“

“90minut.pl“ (Internetportal): „Dramatik pur in Chorzow. Mit einem hart erkämpften Sieg hat sich Polen zumindest den zweiten Platz gesichert. Zwei Tore von Roland Linz haben die polnische Mannschaft entmutigt, die bis zum Schlusspfiff um den Sieg zittern musste.“

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