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Opferschutzkommission: Arbeit geht weiter

PK der Opferschutzkommission
PK der Opferschutzkommission ©Voller
Bregenz – Donnerstag Vormittag präsentierten LR Dr. Greti Schmid, Sozialreferentin der Vorarlberger Landesregierung, Dr. Ruth Rüdisser, Vorsitzende der Opferschutzkommission und DSA Michael Rauch, Kinder- und Jugendanwalt, den Bericht der Opferschutzstelle des Landes Vorarlberg für das Jahr 2010/2011.
Interview mit Greti Schmid
Bericht der Vorarlberger Opferschutzstelle

Die Opferschutzkommission, in der über die Empfehlungen von Entschädigungszahlungen entschieden wird, wurde im September 2010 eingerichtet. Mitglieder sind Ruth Rüdisser als Vorsitzende, der Gerichtspsychiater Prof. Reinhard Haller sowie der frühere leitende Staatsanwalt Franz Pflanzner. Bislang wurden 847.000 Euro Entschädigung an 71 Betroffene ausbezahlt, darin sind die Kosten für eine begleitende Psychotherapie nicht enthalten, auch diese wird vom Land Vorarlberg bezahlt. Die meisten der 71 entschädigten Personen sind heute zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Vorarlberg bekennt sich zur Verantwortung

LR Greti Schmid zeigte sich tief betroffen vom Leid jener 142 Menschen, die sich bis heute an die Opferschutzstelle gewandt haben: „Es ist traurig und beschämend, was die Jugendlichen in dieser Zeit erleiden mussten. Wir werden alles daran setzen, dass so etwas nicht mehr passiert. Das Land Vorarlberg bekennt sich zu seiner Verantwortung.“ DSA Michael Rauch wies auf darauf hin, dass es den Opfern nicht in erster Linie um Entschädigungszahlungen ginge, sondern vielmehr um eine Aufarbeitung und eine Entschuldigung des Landes für die Geschehnisse in den verschiedenen Landeseinrichtungen, wie zum Beispiel im ehemaligen Landesjugendheim Jagdberg.

Die Männer und Frauen, die sich bei der Opferschutzstelle meldeten, seien in den Institutionen “als Kinder massiver Gewalt ausgesetzt gewesen”, sagte Rüdisser. Sie berichtete von Schlägen, von willkürlich zur Disziplinierung angewendeter Gewalt, von Kollektivstrafen oder auch davon, dass Jugendliche in der Nacht aus dem Bett gejagt wurden, um sie die Stiege hinauf- und hinunterhüpfen zu lassen. “Das Ausmaß hat mich sehr erschreckt, es wurde systematisch misshandelt. Viele wurden schon am ersten Tag geschlagen”, so die Kommissions-Vorsitzende. Wer aus dem Heim geflohen sei, habe bei der Rückkehr drakonische Strafen fürchten müssen. Neben Prügeln gehörte auch das Scheren einer Glatze dazu.

Im Bericht selbst wurden einzelne Schilderungen von Betroffenen wörtlich wiedergegeben. Unter anderem hieß es: “Auf den Rücken gedreht und manuell und oral sexuell missbraucht, regelmäßig ein halbes Jahr lang”. Andere Kommentare lauteten “geschlagen mit dem Schlüsselbund drei- bis fünfundzwanzigmal” oder “Es war kein Heim, sondern ein Lager”.

DSA Rauch stellte klar, dass es sich um Vorläuferorganisationen handle, die heutigen Standards in vergleichbaren Stellen seien mit den Zuständen von früher nicht zu vergleichen. „Eine Weiterentwicklung der fachlichen, pädagogischen und kinderrechtlichen Standards wurde und wird von den Einrichtungen immer wieder diskutiert. Dieser Bericht will einen Beitrag zu den laufenden Diskussionen liefern und enthält daher auch ein „Maßnahmenbündel Opferschutz“. 

Schockierende Strafen in Heimen

In den Jahren bis 1980 wurden „schwierige“ Kinder und Jugendliche aus Vorarlberg auch in Tiroler Einrichtungen eingewiesen. Das ehemalige Landesjugendheim Jagdberg war längere Zeit die einzige Institution in Vorarlberg für Buben bis zum 14. Lebensjahr. Aber auch für Kinder und Jugendliche in Institutionen jenseits der Landesgrenze besteht eine Verantwortung der zuweisenden Stellen und damit des Landes. Dieser Aspekt soll in der historischen Aufarbeitung explizit berücksichtigt werden. LR Greti Schmid sprach von schockierenden Strafen in Heimen, auch Kollektivstrafen waren an der Tagesordnung. „Gewalt wurde auch präventiv zur Erziehung angewandt“, so Schmid. 

Die Opferschutzstelle wird auch 2012 weiter an der Aufarbeitung der Fälle arbeiten, LR Greti Schmid versprach volle Transparenz unter Wahrung der Privatsphäre und Anonymität: „Wir werden alles dafür tun, dass so etwas nach Möglichkeit nicht mehr geschieht.“

Schmid betonte, dass alles unternommen werden müsse, um eine Wiederholung der Geschehnisse zu verhindern. Das Land werde dazu in Zusammenarbeit mit Tirol und der Universität Innsbruck die Geschichte der Heimerziehung zwischen 1945 und 1990 umfassend aufarbeiten. Bis 1980 seien Vorarlberger Kinder und Jugendliche auch in Tiroler Einrichtungen eingewiesen worden. Ein erster Bericht soll bis Mitte nächsten Jahres vorliegen, anschließend könne man entscheiden, ob eine zum ehemaligen Landesjugendheim Jagdberg eine Sonderkommission eingerichtet werde.

Dass aktuell noch Erzieher tätig sein könnten, die in der Vergangenheit Gewalt ausübten, wies Schmid zurück. Es gebe nur einen diesbezüglichen Fall, der ihr bekannt sei. Zu den geäußerten Vorwürfen laufe ein gerichtliches Verfahren, bis zu dessen Abschluss der Beschuldigte suspendiert sei.

 

(APA/VOL.at/Georg Lucas Amann)

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