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Online-Fahndung könnte verfassungswidrig sein

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Der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk hat schwere Bedenken gegen die geplante Online-Fahndung. Verfassungsrechtlich gesehen müsse es sich bei einem solchen Eingriff in Grundrechte um einen Eingriff handeln, der dringend geboten ist, so Funk in der Tageszeitung "Die Presse".

Weiters müsse der Eingriff „notwendig, maßhaltend und ein zielführendes Mittel für das sein, was man erreichen will“.
Er, Funk, bezweifle, „ob es sich hier um ein maßhaltendes und vor allem ein zielführendes Mittel handelt“. Der „Lauschangriff“ auf den Computer könnte sogar verfassungswidrig sein, meinte der Jurist. Funk ist überzeugt, „dass wir schon sehr, sehr nah dran am Überwachungsstaat sind. Was jetzt bevorsteht, ist ein weiterer Mosaikstein.“


Vorberichte:
Die Online-Durchsuchung erlaubt eine gezieltere Fahndung, hat der Virenschutzexperte Joe Pichlmayr Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal erklärt. Der große Vorteil der Online-Trojaner liege laut dem Geschäftsführer von Ikarus Software in der Möglichkeit, verschlüsselte Daten im decodierten Zustand auswerten zu können. Ob die Polizei bereits das technische Know-how besitzt, um Online-Durchsuchungen durchzuführen, ist allerdings unklar. Bei der Online-Fahndung würden sogenannte Online-Trojaner in den Computer von Verdächtigen eingeschleust, um dort Daten auszuspähen, ohne dass der Betroffene es merke, erklärte Pichlmayr. Der Trojaner niste sich quasi auf dem Computer ein und schicke regelmäßig Informationen an die Fahnder. Damit werde laut Pichlmayr eine gezieltere Fahndung erlaubt, ohne dass man direkt zum Computer des Betroffenen gehen müsse. Bisher war es nur möglich entweder per USB-Stick oder durch Überwachung des Providers Informationen aus dem Computer des Verdächtigen zu holen.

Die Vorteile der Online-Durchsuchung liegen für Pichlmayer auf der Hand. Die Fahnder müssen„nicht direkt oder zur gleichen Zeit online sein wie der Observierte, es reicht, wenn ich einmal dort über die Platte scanne und die Information abrufe“. Online-Trojaner machten vor allem dann Sinn, wenn Daten verschlüsselt verschickt werden, so der Virenexperte. Dann eröffne der Virus die Möglichkeit, sich die Daten auf dem Computer anzusehen, bevor sie verschlüsselt würden. Wenn es allerdings darum gehe, mitzulesen, mit wem und was der Verdächtige kommuniziere, dann müsse man nicht einmal einen Trojaner ans System schicken, erklärte Pichlmayr. Es reiche in diesem Fall der richterliche Befehl und der Besuch beim Provider, und die Daten seien für die Strafverfolgungsbehörden einzusehen.

Wirklich neu ist an der Online-Durchsuchung aber nur die rechtliche Rahmenvorgabe in Österreich, sagte der Virenexperte. Bei der Wirtschaftsspionage passiere das schon seit Jahren, im Bereich der Strafverfolgung in anderen Ländern geschehe es ebenfalls schon längere Zeit. „Es ist nicht so, dass Österreich hier eine Vorreiterrolle antritt“, so Pichlmayr auf Ö1.

Ob die Polizei in Österreich bereits das technische Know-how besitzt, um Online-Durchsuchungen durchzuführen, ist für Pichlmayr offen. Das Innenministerium erklärte, dass technische Details erst ausgearbeitet werden müssten. Allerdings werden sich auch die Kriminellen gegen die neuen Polizeimethoden rüsten, sagte Joe Pichlmayer, jedenfalls diejenigen, die „technisch hochprofessionell“ agieren.


Für Hans Zeger von der ARGE Daten ist die Online-Durchsuchung nichts anderes als eine populistische Maßnahme. Der Datenschützer erklärte am Mittwoch der APA, dass die Maßnahme insgesamt „politisch belanglos“ sei und der Verbrechenbekämpfung nicht wirklich diene. Die Online-Trojaner seien nur ein relativ kleiner Schritt bei der zusätzlichen Überwachung. Vielmehr warnte Zeger vor der Vorratsdatenspeicherung. Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz warf Innenminister Günther Platter (V) erneut vor, „ein Klima der Angst zu schüren“.

Zeger bezweifelt den Nutzen der Online-Trojaner. Im Gegensatz zu Telefonen, seien Computer eben geschützt, so der Datenschützer. Das Innenministerium habe bei der Verfolgung von Terroristen und kriminellen Vereinigungen über die Rechner keine Chance, so der Datenschützer. „Spitzenkriminalität kann sich die Kapazitäten leisten“, Lauschangriffe auf den Computer problemlos abzuwehren. Zudem erklärte er, dass diese großen Mengen von Daten nicht so einfach nutzbar gemacht werden könnten. Wie die Rasterfahndung sei der Einsatz von Trojanern nicht so trivial, wie man sich das vorstelle, sagte Zeger. Die Datenstrukturen würden „nicht immer so zusammenpassen, wie man sich das vorstellt“. Außerdem sei die Auswertung ein langwieriger Prozess.

Einen viel größeren Eingriff in die Bürgerrechte stellt für Zeger die Vorratsdatenspeicherung dar. Telekommunikationsunternehmen werden dabei verpflichtet, Daten über die Kommunikation ihrer Kunden verdachtsunabhängig auf Vorrat zu speichern. „Die Trojaner passen in das Grundrechtsverständnis, weil es nur Verdächtige trifft. Von der Vorratsdatenspeicherung sind aber vor allem Unbescholtene betroffen.“ Verkehrsminister Werner Faymann (S) hat im Mai nach Kritik von Datenschützern, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer seinen Gesetzesentwurf der „Vorratsdatenspeicherung“ zur Überprüfung zurückgezogen.

Der ARGE-Daten-Obmann begrüßte grundsätzlich, dass die Online-Untersuchung nur auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses durchgeführt werde. Diese „rechtsstaatliche Minimalsicherung“ sei bei der geplante Novellierung des Paragraf 53 Abs. 3a Sicherheitspolizeigesetz nicht gegeben, so der Datenschützer. Der Innenminister will dabei erstmals die richterliche Kontrolle bei der Handy-Überwachung ausschalten. Das ist für Zeger „rechtsstaatlicher Unfug“. Die Gewaltenteilung würde hier aufgehoben. Der für die Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen zuständige Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium sei eben keine unabhängige Instanz.

Die Grünen wehren sich gegen die “überfallartige Einführung von Behörden-Trojanern“. Peter Pilz warf dem Innenminister vor, „bewusst und mit falschen Informationen ein Klima der Angst zur schüren, um das Parlament zur Genehmigung weiterer Überwachungsinstrumente zu nötigen.“ Platter behaupte ohne jeden konkreten Hinweis, dass in Österreich ein Al-Kaida-Netzwerk aufgebaut würde, „um den Kurs der Polizeipolitik weiter verschärfen zu können“, so Pilz.

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