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OMV versus Klimaschützer: Spionage in Neuseeland?

Aaron Wölfling fordert aufgrund der brisanten Enthüllungen politische Konsequenzen für die OMV.
Aaron Wölfling fordert aufgrund der brisanten Enthüllungen politische Konsequenzen für die OMV. ©APA, Russmedia
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Laut aktuellen Enthüllungen hat der Mineralölkonzern OMV in Neuseeland Security-Firmen eingesetzt, um Schulkinder ("School Strike 4 Climate") gezielt zu überwachen. Aaron Wölfling (Fridays For Future) informiert im VOL.AT-Exklusiv-Interview über die jüngsten Entwicklungen.

Vor wenigen Tagen wandte sich OMV-Boss Rainer Seele in einem Brief an Vizekanzler Werner Kogler, als direkte Reaktion auf Anschuldigen von österreichischen Klimaschützern. In dem Schreiben wies der Konzernchef alle Anschuldigen von sich. Die Tätigkeit der OMV geschehe stets unter strengster Einhaltung nationaler Gesetze und unter Einhaltung der strengen OMV-Compliance-Vorgaben und des Code of Conduct. Außerdem seien keine NGOs ausspioniert worden. Gegenüber VOL.AT bestätigte der Dornbirner Aktivist Aaron Wölfling die Existenz geleakter Mails aus dem Konzern, die Aufträge an Security-Firmen belegen, um gezielt Klimaschutzorganisationen zu observieren. Spätestens seit heute, Donnerstag, hat die Causa eine internationale Dimension erreicht. Der Druck auf den zu 31,5 Prozent teilverstaatlichten österreichischen Konzern wächst. Die von Greenpeace und Fridays For Future veröffentlichte Presseaussendung hebt den "Klima-Krimi" auf internationales Niveau: Offenbar soll der Konzern weltweit gezielt Umweltschützer überwachen, auch Schulkinder und Pensionisten, die an Klimaschutzkundgebungen in Neuseeland teilgenommen haben.

Österreichische Steuergelder

Aaron Wölfling fordert im VOL.AT-Interview Konsequenzen und sieht nun Finanzminister Gernot Blümel in der Pflicht: "Wir reden hier von Überwachung von Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen. Kinder und Jugendliche, die für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen. Wir fordern aufgrund der Teilverstaatlichung Konsequenzen. In dem Konzern stecken Steuergelder der österreichischen Bevölkerung. Deshalb fordern wir vom Finanzminister drastische Konsequenzen und die Offenlegung aller Verträge, die in Zusammenhang mit diesen dubiosen Spionagefirmen stehen."

"Radio New Zealand"
recherchierte zwei Jahre lang

Wie der öffentlich-rechtliche neuseeländische Sender "Radio New Zealand" (RNZ) am Donnerstag aufdeckte, arbeitet die OMV neben dem bereits bekannten Überwachungsspezialisten Welund auch mit dem höchst fragwürdigen Spionageunternehmen "Thompson and Clark" zusammen. Der mehr als zwei Jahre lang recherchierte Investigativbericht zeigt auf, wie Thompson and Clark friedliche Protestaktionen von Greenpeace, Extinction Rebellion und Schulstreiks von School Strike 4 Climate, dem neuseeländischen Pendant zu Fridays For Future, systematisch ausspionierte, infiltrierte und unter anderem durch Sicherheitsleute untergrub.

Schulkinder ausspioniert

Der österreichische Ölkonzern OMV unter der Leitung von CEO Rainer Seele war in den Jahren 2019 und 2020 der größte Kunde des Spionageunternehmens im Ölbereich. Zu den beschriebenen Aktionen der Spionageprofis gegen Umweltschützer zählt eine Reihe gut dokumentierter friedlicher Protestaktionen von Schulkindern genauso wie von Seniorinnen und Senioren in Neuseeland. Darüber hinaus zitiert das öffentlich-rechtliche Medium Umweltschützer, die von der Beobachtung ihrer Privathäuser berichteten. Greenpeace und Fridays For Future fordern den zuständigen Finanzminister Gernot Blümel auf, die Führungsriege des österreichischen Ölkonzerns in die Pflicht zu nehmen, für die Offenlegung aller Verträge mit Spionagefirmen zu sorgen.

Klimaschützer fordern Rücktritt von OMV-CEO und volle Aufklärung

"Die OMV überwacht offenbar systematisch Klimaschützerinnen und Klimaschützer und schreckt auch nicht davor zurück, Schulkinder auszuspionieren. Erst letzte Woche wurden in Österreich schwere Vorwürfe gegen die OMV erhoben. Heute liegen die nächsten Details über die Zusammenarbeit der OMV mit Spionageprofis in Neuseeland vor. Rainer Seele ist als CEO eines österreichischen Konzerns nicht mehr tragbar und muss zurücktreten", fordert Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit. Auch die Aktivisten von Fridays For Future Austria beharren auf öffentlicher Aufklärung der dubiosen Vertragsbeziehungen der OMV mit Spionagefirmen: "Der neuerliche Fall einer Überwachung von jungen Aktivisten in Neuseeland durch die OMV ist erschütternd für uns. Das kann nicht mehr hinter verschlossenen Türen geklärt werden. Im Sinne aller jungen Menschen, die sich in Österreich, Neuseeland und weltweit für den Schutz des Klimas einsetzen, braucht es endlich Transparenz und einen öffentlichen Diskurs über solche schmutzigen Praktiken von der OMV," stellt Fridays For Future Aktivist Aaron Wölfling klar.

Ehemalige Geheimdienst-Agenten im Einsatz gegen Klimaschützer

Zu den beschriebenen Überwachungsaktionen zählen die Proteste bei der Anhörung der Umweltschutzbehörde in Dunedin zu Offshore-Explorationsbohrungen der OMV im Juli 2019, Schulstreiks und Greenpeace-Proteste vor den OMV-Büros in New Plymouth im Dezember 2019, Proteste gegen OMV-Bohrungen vor der Küste von Otago im Januar 2020 oder auch Proteste gegen OMV-Bohrungen im Maui-Feld vor Taranaki im März/April 2020, an denen Greenpeace führend beteiligt war. Die Operationen gegen die Umweltschützer durch Thompson and Clark wurden von ehemaligen Agenten des neuseeländischen Geheimdienstes NZSIS geleitet. Wie RNZ in früheren Investigativstorys aufgedeckt hat, ist Thompson and Clark unter anderem berüchtigt für die Überwachung von Sektenaussteiger im Auftrag der dubiosen Sekte "Exclusive Brethren" sowie von Opfern des Christchurch-Erdbebens im Auftrag von Versicherungen. Auch steht Thompson and Clark in Verdacht, die Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Neuseeland jahrelang mittels Verfolgung von Mitarbeitern und GPS-Peilsendern an Greenpeace-Autos ausspioniert zu haben. Regierungsbehörden in Neuseeland ist es nach einer umfassenden Untersuchung durch die staatliche "State Services Commission" (SSC) verboten, mit Thompson and Clark zusammenzuarbeiten.

Pikantes Detail am Rande: Heute wurde bekannt, dass die OMV nun gegen Dossier, das die Enthüllungen über etwaige Überwachungs-Aufträge des Konzerns veröffentlichte, rechtliche Schritte eingeleitet hat. Geklagt wird wegen: „Unterlassung, Widerruf, Zahlung und Feststellung“, der Streitwert: 94.000 Euro.

(VOL.AT/APA)

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