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Österreich im Wandel: Mehr Freizeit, weniger Religion

Früher hieß es bei den Österreichern "bete und arbeite". Das hat sich aber geändert.
Früher hieß es bei den Österreichern "bete und arbeite". Das hat sich aber geändert. ©pixabay.com
Den Österreichern werden in den letzten Jahrzehnten die Bereiche "Freunde und Bekannte" sowie "Freizeit" immer wichtiger. Weniger Bedeutung erhalten hingegen "Arbeit" und "Religion".

Seit dem Jahr 1990 hat sich in Österreich ein Wertewandel vollzogen. Während die Lebensbereiche "Freunde und Bekannte" sowie "Freizeit" an Bedeutung gewannen, ist jene der "Arbeit" und "Religion" im Abnehmen. Diese Aufwertung des "Mikrosozialen" zeigt eine neue Zusammenschau der Österreich-Daten der "Europäischen Wertestudie" (EVS) in Buchform, die am Donnerstag an der Uni Wien präsentiert wird.

"Familie" bleibt weiter wichtig

Stabiler Dauerbrenner an der Spitze jener Bereiche, die die Österreicher als "sehr wichtig" erachten, ist über fast dreißig Jahre hinweg die Familie. 85 Prozent der Befragten äußerten sich 1990 so, 87 Prozent waren es bei der bisher letzten Erhebungswelle Anfang 2018 (in den vier Befragungen wurden jeweils zwischen 1.500 und 2.000 Personen interviewt).

Deutlich im Zunehmen ist die Bedeutung von Freunden und Bekannten: Erachteten diesen Lebensbereich 1990 noch 35 Prozent als "sehr wichtig", machten im Vorjahr bereits 61 Prozent diese Angabe, heißt es in der kürzlich erschienenen Publikation mit dem Titel "Quo Vadis, Österreich?" (Czernin Verlag), die der Forschungsverbund "Interdisziplinäre Werteforschung" der Uni Wien nun vorstellt.

Freizeit hatte 1999 ein Allzeithoch

Etwas geringer, aber über die vier Erhebungswellen ebenso stetig, fiel der Zuwachs in Bezug auf die Freizeit aus. Hier stieg der Wert von 37 (1990) auf 47 Prozent. Gegenläufig die Tendenz beim Stellenwert der Arbeit: Nach einem Allzeit-Hoch von 66 Prozent im Jahr 1999 erklärten diesen Lebensbereich 2018 nur noch knapp weniger als die Hälfte (48 Prozent) als "sehr wichtig".

"Bedeutsame Verschiebungen" verzeichnete man in den von einem fächerübergreifenden Team geleiteten Erhebungen hinsichtlich der Religiosität - Tendenz beständig fallend. Nur noch 16 Prozent zählten 2018 die Religion zu den sehr wichtigen Lebensbereichen. 1990 war der Anteil um acht Prozentpunkte größer. "Triebfedern für die Veränderungen sind neben Zuwanderungseffekten vor allem Säkularisierungs- und Pluralisierungsprozesse", schreiben die Autoren. Vor allem zwischen 1999 und 2008 wurde etwa ein Rückgang an Personen verzeichnet, die sich als "religiös" bezeichneten. Aktuell tun das allerdings immerhin noch 63 Prozent der Befragten. Als "überzeugter Atheist" bezeichnen sich lediglich vier Prozent.

Nur selten als "sehr wichtig" angesehen wird die Politik - und das seit Erhebungsbeginn: Nach sieben Prozent 1990 befindet sich dieser Wert in den Folgeuntersuchungen beständig bei zehn Prozent.

Zwei Drittel mit ihrem Leben sehr zufrieden

Der geradezu legendäre österreichische Hang zum Lamentieren schlägt zumindest in der aktuellsten Befragung nicht durch. Immerhin zwei Drittel der Österreicher zeigen sich mit ihrem Leben "sehr zufrieden". Dieser höchste Wert seit Beginn der Erhebung spiegle die vielfach zu beobachtende "Aufhellung der Stimmungslage gegenüber der Befragung 2008" wieder. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die während der Befragung vor mehr als zehn Jahren greifbar wurde, scheine nun "weitgehend verarbeitet" worden zu sein.

Im Gesamtbild dominiere über die vergangenen rund 30 Jahren die Tendenz in Richtung des "Mikrosozialen". In einer Analyse der EVS-Daten in die u.a. Ex-NEOS-Chef Matthias Strolz, AMS-Chef Johannes Kopf, die frühere Grün-Abgeordnete Sigrid Maurer oder Eva Maltschnig von der "Sektion 8" der SPÖ eingebunden waren, fiel in diesem Zusammenhang der Begriff "Neo-Biedermeier". "Die Menschen kommen mehr und mehr in der funktional differenzierten Gesellschaft an und leben in vielen Welten ihr spezifisches Leben", umschreiben die Autoren gewissermaßen das, was landläufig als zunehmendes Leben in sozialen "Filterblasen" bezeichnet wird.

(APA/red)

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