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Norwegen rechnet mit Führungswechsel

Bei den Parlamentswahlen in Norwegen am 12. September kündigt sich laut Umfrage-Ergebnissen ein Machtwechsel an. Nicht alle Parteien stehen für das, was ihr Name vermuten lässt.

In Norwegen wird am kommenden Montag (12.9.) ein neues Parlament gewählt. Der bisherige Oppositionsführer, der Sozialdemokrat Jens Stoltenberg (46), hat laut den Umfragen der vergangenen Wochen die besten Chancen, als Chef einer rot-grünen Koalition den bisherigen Ministerpräsidenten Kjell Magne Bondevik abzulösen. Vor allem außenpolitisch werden keine dramatischen Kurswechsel erwartet, da die Sozialdemokraten („Arbeiderpartiet“, AP), ähnliche Ziele verfolgen wie die derzeit in Bondeviks Minderheitsregierung Ton angebenden Konservativen (Höyre).

Stoltenberg, der mit seiner AP laut Meinungsforschern mit 27-35 Prozent der Stimmen rechnen kann, will mit den Sozialistischen Linkspartei (Links-Grüne) und dem agrarisch orientierten Zentrum eine Koalitionsregierung bilden, die im Parlament in Oslo (Storting) eine Mehrheit der künftig 169 Sitze (bisher 165) erhalten könnte. Dies wäre eine Seltenheit in Norwegen, wo Minderheitsregierungen in den letzten Jahrzehnten die Regel waren. Stoltenberg war von 2000-2001 bereits einmal Ministerpräsident.

Die Neuauflage einer bürgerlichen Minderheitsregierung unter Bondevik gilt als unwahrscheinlich, da der Chef der rechtspopulistischen Fortschrittspartei (FRP), Carl I. Hagen Bondevik als Ministerpräsident nicht mehr unterstützen will. Ohne die Hilfe der als formeller Regierungspartner von keiner Partei gewünschten, ausländerfeindlich agierenden Populisten wird die Bildung einer rechts-orientierten Regierung jedoch praktisch unmöglich sein. Die FRP und die Konservativen unter der derzeitigen Innenministerin Erna Solberg liegen in Umfragen derzeit bei jeweils knapp unter 20 Prozent und dürften sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, welche der beiden als stärkste Partei des rechten Lagers aus den Wahlen hervorgehen wird.

Der Wahlkampf drehte sich auf weite Strecken um Themen wie Gesundheitsvorsorge, Bildung und Wohlfahrt. Auch die künftige Verwaltung des mittlerweile auf über 150 Milliarden Euro angeschwollenen staatlichen Ölfonds spielte eine Rolle. Hier wünscht sich die bisherige Opposition, aber etwa auch die FRP, eine flexiblere Handhabung und mehr Möglichkeiten, den Fonds bei aktuellem Bedarf anzuzapfen, als die bisherigen Regierungsparteien Höyre und Christliche Volkspartei (KRF).

Kein Thema im Wahlkampf war hingegen ein möglicher neuer Anlauf für eine EU-Mitgliedschaft. Dies war bereits nach der Brüsseler Gipfel-Entscheidung, die EU-Verfassung bis auf weiteres auf Eis zu legen, von den Parteien klar signalisiert worden. Obwohl die beiden derzeit größten politischen Kräfte, die Sozialdemokraten und die Konservativen einen EU-Beitritt anstreben, müssen sie unabhängig vom Ausgang der Wahlen im Parlament auch künftig mit Parteien zusammenarbeiten, die sich bisher klar dagegen ausgesprochen haben. Noch dazu steht die Bevölkerung einem dritten Beitrittsansuchen – bisher wurden zwei Anläufe in die EU (1972 und 1994) bei Volksabstimmungen gestoppt – anhaltend skeptisch gegenüber. An eine Große Koalition der beiden EU-Befürworter glaubt in Norwegen praktisch niemand.

Wahlberechtigt sind rund 3,4 Millionen Norweger. Gewählt wird am Montag, 12. September. In einigen Gemeinden sind die Wahllokale bereits am Sonntag, 11.9. geöffnet. Die Abgabe von Briefwahlstimmen war bereits im August möglich. Gleichzeitig können die Angehörigen der samischen Minderheit auch Vertreter ins „Sameting“ – einer analog auch in Finnland und Schweden existierenden politischen Interessensvertretung der Sami-Bevölkerung (Samen, früherer Ausdruck Lappen ist besonders in Schweden verpönt) wählen.

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