Weiter strömt gefährliches Gas in die Nordsee. Die Explosionsgefahr ist groß, ebenso die Ratlosigkeit. Mehrere Tage nach Bekanntwerden eines Lecks an der Förderplattform “Elgin” des französischen Energiekonzerns Total in der Nordsee vor Schottland ist eine Lösung nicht in Sicht. Am Mittwoch gelang es laut Total, das Leck zu lokalisieren. Es soll 4.000 Meter unter dem Meeresgrund liegen, an einer vor einem Jahr außer Betrieb genommenen Gasbohrung.
Lösch-Schiffe in Position gebracht
Umweltschützer gehen davon aus, dass das austretende Gasgemisch giftige Schwefelverbindungen enthält. Der Total-Konzern dementierte dies. “Wir können mit Sicherheit ausschließen, dass sich in dem Gas giftige Substanzen befinden”, sagte eine Total-Sprecherin. Schiffe dürfen sich wegen der Explosionsgefahr nur auf zwei Seemeilen nähern, Flugzeuge müssen sogar drei Meilen Abstand halten. In der Nähe der Plattform seien vorbeugend Feuerwehrschiffe platziert worden.
Die Betreiberfirma hatte am Mittwoch noch keinen genauen Plan zur Vorgehensweise. Bis alle Informationen gesammelt sind, sollten mehrere Lösungswege parallel vorangetrieben werden, sagte der Sicherheitschef für die britischen Total-Unternehmungen, David Hainsworth.
Der schottische Umweltminister Richard Lochhead forderte “maximale Transparenz” von Total und der Regierung in London. 1988 war es fast an gleicher Stelle bei der Explosion der Plattform Piper Alpha zur Katastrophe gekommen – 167 Arbeiter starben.
Explosion könnte 10 Milliarden Dollar kosten
Auf Total könnten wegen des Gaslecks an einer Förderplattform vor der schottischen Küste Kosten von bis zu zehn Milliarden Dollar (7,50 Mrd. Euro) zukommen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Explosion an der Nordsee-Bohrinsel, was nach ersten Schätzungen von Analysten Ausgaben von zehn Milliarden Dollar nach sich ziehen würde.
Bleibt die gefürchtete Explosion aus, die Reparatur zieht sich aber über Monate hin, fielen rund drei Milliarden Dollar an. Sollte es Total gelingen, das Leck schnell in den Griff zu bekommen und die Produktion würde lediglich für zwei Wochen ausfallen, könnte der Ölmulti mit 150 Millionen Dollar davonkommen, so die Analysten am Mittwoch.
Im Vergleich zum britischen Konkurrenten BP rechnen die Experten jedoch damit, dass Total auch im schlimmsten Fall noch glimpflich davon kommt. BP hat inzwischen insgesamt 32 Milliarden Dollar für die Folgen der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko vor knapp zwei Jahren zurückgelegt. Damals war eine BP-Bohrinsel explodiert. Über Wochen strömte Öl ungehindert in das Meer.
Noch keine Lösung in Sicht
Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Gasquelle von selbst versiege, hieß es bei Total. Der britische Energie-Staatssekretär Charles Hendry sprach von einer “aufgelassenen Quelle”. Das Leck sei entstanden, als Arbeiter versuchten, die schon fast bis zum Ende ausgebeutete Quelle langfristig zu schließen. Bisher seien rund 20 Tonnen Gas ausgetreten, ein 4,8 Quadratkilometer großer Gasfilm habe sich auf der Meeresoberfläche gebildet, teilte das Unternehmen mit.
Experten aus allen Konzernbereichen berieten darüber, wie die Lage in den Griff zu bekommen sei. Meerwasserproben sollen genauere Aufschlüsse geben. Mittwoch früh war ein weiteres Überwachungsflugzeug zu einem Flug über die Förderplattform gestartet. Sollte die Quelle nicht versiegen, könnte das Bohrloch mit schwerem Schlamm vollgepresst werden. Experten nennen das einen “Kill”. Sicherer wäre eine Entlastungsbohrung, die allerdings bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen kann.
Total brachte außerdem das Überwachungsschiff “Highland Fortress” in Stellung, wie ein Sprecher berichtete. Das Schiff verfüge auch über ein ferngesteuertes Mini-U-Boot, mit dem Unterwasseraufnahmen gemacht werden können.
Auswirkungen an der Börse
Am Sonntag war das Leck an der Gasplattform 240 Kilometer östlich der Stadt Aberdeen bemerkt worden. Umgehend brachte Total die 238 Arbeiter in Sicherheit. Tags darauf räumte der Shell-Konzern zwei benachbarte Plattformen.
Die Furcht vor einer Umweltkatastrophe bekommt Total auch an der Börse zu spüren. Das Unternehmen hat inzwischen fast neun Milliarden Euro an Börsenwert eingebüßt.
APA
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