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Noch nicht alle Leichen geborgen

Fast zwei Tage nach den Anschlägen in London sind noch nicht alle Leichen geborgen. Wegen Einsturzgefahr eines Tunnels sind Bergungsmannschaften immer noch nicht zu einem U-Bahnwagen vorgedrungen. Special

Die Zahl der dort Getöteten sei unklar. Die Arbeiten gestalteten sich sehr schwierig.

Von den Londoner Attentätern fehlt weiterhin jede Spur. Die Fahndung nach den Urhebern der Anschläge mit mehr als 50 Toten konzentriert sich auf das Terrornetzwerk Al Kaida. Die schwerste Bluttat in der britischen Hauptstadt seit dem Zweiten Weltkrieg trägt nach Einschätzung von Außenminister Jack Straw und Ian Blair die Handschrift islamistischer Terroristen. Es gebe aber noch keine heiße Spur, sagte der Polizeichef am Freitag. Laut der Tageszeitung „Daily Mail“ (Samstags-Ausgabe) fahndet die britsche Polizei nach einem Verdächtigen marokkanischer Herkunft. Mehrere europäische Polizeien und Nachrichtendienste seien um Informationen zu Mohammed al-Guerbouzi gebeten worden, der bereits in die Anschläge in Madrid im April 2004 und Casablanca im Mai 2003 verwickelt gewesen sei.

Bei den Anschlägen wurden 700 Menschen verletzt, 22 von ihnen schwebten am Freitag noch in Lebensgefahr. Die G-8-Staaten und die NATO zeigten sich unterdessen entschlossen, den Kampf gegen den internationalen Terror auszuweiten. „Heute stehen wir erneut zusammen“, sagte der britische Premierminister Tony Blair im schottischen Gleneagles. Die reichen Industriestaaten und Russland wollen unter anderem mit einer Verdoppelung der Entwicklungshilfe für die ärmsten Länder der Welt dem Terrorismus den Boden entziehen.

Queen Elizabeth II. und andere Mitglieder der Königsfamilie besuchten Verletzte in Londoner Krankenhäusern. Danach sprach die Königin mit einem ungewöhnlich emotionalen Appell den Briten Mut zu. Die Briten würden trotz der brutalen Anschläge ihre Lebensweise nicht ändern. „Traurigerweise sind wir in Großbritannien nur allzu gut mit Terror vertraut“, sagte sie unter Bezug auf den IRA-Terrorismus und die Bombardierung Londons durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg.

Polizeichef Blair sagte, die Polizei sei fest entschlossen, die Täter zu fassen. Die Ermittlungen konzentrierten sich vor allem auf die Analyse des verwendeten Sprengstoffs und die Art der Zündung. Es gebe keinen Hinweis auf Selbstmordattentäter. London arbeitet nach den Worten von Innenminister Charles Clarke mit den Geheim- und Sicherheitsdiensten der USA, Frankreichs, Spaniens und Deutschlands zusammen. Der deutsche Innenminister Otto Schily bot bei einem Besuch in London Clarke deutsche Sprengstoffexperten und Spezialisten für die Identifizierung von Toten an. Die britische EU-Ratspräsidentschaft berief ein Sondertreffen der EU-Innenminister für kommenden Mittwoch nach Brüssel ein.

Ian Blair und Clarke bestritten den Vorwurf, die Polizei habe die Terrorgefahr in letzter Zeit unterschätzt. Der Inlandsgeheimdienst MI5 hatte im vergangenen Monat verkündet, die Terrorgefahr in London sei seit dem 11. September 2001 noch nie so niedrig gewesen. Der Terroralarm wurde von der zweit- auf die dritthöchste Stufe gesenkt.

Bei den Verbündeten der USA im Irak und in Afghanistan wächst indes die Sorge, dass sie als nächstes ins Visier der Terroristen kommen könnten. Die dänische Regierung ordnete eine erhöhte landesweite Alarmbereitschaft für die Polizei an, auch Australien, Italien, Japan und Polen weiteten die Sicherheitsvorkehrungen aus. In Deutschland forderte die Union neue Sicherheitsgesetze. Auch die NATO will den Kampf gegen den weltweiten Terrorismus noch entschiedener als bisher führen. An den Börsen waren die Auswirkungen der Terroranschläge von London am Freitag kaum noch zu spüren.

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