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Merkel zu Afghanistan: "Wir trauern um jeden einzelnen"

Drei Wochen vor der Bundestagswahl steht die deutsche Politik im Bann von Afghanistan. Begleitet von scharfen Attacken der Opposition versprach Kanzlerin Angela Merkel vor dem Bundestag eine "lückenlose Aufklärung" zu dem Luftangriff am Kunduz.
Merkel trauert um Afghanistan-Opfer
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Dabei kamen auch zivile Dorfbewohner ums Leben, wie die NATO am Dienstag bestätigte.

“Ich stehe dafür ein, dass wir nichts beschönigen werden”, sagte die CDU-Vorsitzende am Dienstag in der Regierungserklärung. Wenn Unschuldige getötet oder verletzt worden seien, dann bedauere sie das zutiefst. Vorverurteilungen werde sie aber nicht akzeptieren: “Ich verbitte mir das, und zwar von wem auch immer, im Inland wie im Ausland.” Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstrichen im Bundestag, dass es noch unklar sei, ob es bei dem von den Deutschen angeforderten Angriff zivile Opfer gegeben habe. Die Kanzlerin betonte aber zugleich: “Wir trauern um jeden einzelnen.”

Die CDU-Kanzlerin wie der SPD-Außenminister rechtfertigten ungeachtet des Wahlkampfes noch einmal den militärischen Einsatz der deutschen Streitkräfte in Afghanistan. Beide erinnerten daran, dass das Land unter den Taliban und Al-Kaida eine “Brutstätte des Terrors” gewesen sei. Die Bedrohung halte an, unterstrich Merkel. “Auch Deutschland ist im Visier”, sagte sie. In einem Interview mit dem ORF-Radio für das Ö1-“Mittagsjournal” erklärte die Kanzlerin: “Wir sind in Afghanistan wegen unserer Sicherheit.”

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte, der deutsche Kommandant in Kunduz habe sich in einem schwierigen Abwägungsprozess befunden. Nach der Entführung der Tankwagen habe es “eine erhebliche Gefährdung für unsere Soldaten” gegeben. Steinmeier wandte sich gegen Forderungen vor allem der Linken, die Bundeswehr aus Afghanistan sofort abzuziehen. Das sei menschlich verständlich, aber “unpolitisch und unhistorisch und deshalb nicht zu verantworten”.

Der Partei- und Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, argumentierte dagegen, der Einsatz in Afghanistan diene weder der Sicherheit noch dem Frieden. Er sei auch ungeeignet zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, sondern erhöhe für Deutschland die Gefahr von Terroranschlägen. Die Linke, die grundsätzlich Auslands-Einsätze der Bundeswehr ablehnt, blieb mit der Rückzugs-Forderung im Bundestag allerdings allein.

Die beiden anderen Oppositions-Fraktionen stellten sich hinter das Afghanistan-Engagement. FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle schloss sich ausdrücklich der Regierungserklärung von Merkel an. Er kritisierte nur eine unzulängliche Information nach dem “tragischen, furchtbaren Freitag” und ein unzureichendes Engagement beim Aufbau der afghanischen Polizei.

Vier Tage nach der umstrittenen Militäraktion räumte die von der NATO geführte internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF ein, dass es dabei zivile Opfer gab. Die Kommandanten hätten ursprünglich angenommen, dass die Tanklastwagen nur von Aufständischen umgeben gewesen seien. Eine nachfolgende Überprüfung habe aber ergeben, dass auch “Zivilisten bei dem Angriff getötet und verletzt wurden”.

Mit der Untersuchung des Angriffs beauftragte ISAF-Kommandant Stanley McChrystal den kanadischen Generalmajor C.S. Sullivan. Dem Untersuchungsteam gehören außerdem ein deutscher Bundeswehroffizier und ein amerikanischer Luftwaffenoffizier an. Angefordert wurde der Luftangriff auf die beiden entführten Tanklastwagen am Ufer des Flusses Kunduz von der Bundeswehr, die Bomben wurden von F-15-Kampfflugzeugen der US-Luftwaffe abgeworfen.

Die Taliban forderten unterdessen eine Untersuchung der Vereinten Nationen. Wenn die UNO die Menschenrechte respektierte, sollte sie die Wahrheit über das Geschehen ermitteln, hieß es in einer Erklärung der radikalislamischen Aufständischen. Bei dem Angriff vom Freitag, der von der deutschen Bundeswehr angefordert worden war, seien 150 Dorfbewohner getötet worden, hieß es. Bisher ist die tatsächliche Zahl der Todesopfer allerdings noch unklar.

In einem gemeinsamen Aufruf haben 25 Künstler und Intellektuelle einen Abzug der deutschen Bundeswehr aus Afghanistan innerhalb von zwei Jahren gefordert, darunter auch die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. “Diese Zeit muss für einen Übergang zum nicht-militärischen Engagement genutzt werden”, heißt es in dem Schreiben, das die Wochenzeitung “Der Freitag” am Dienstag im Voraus aus ihrer neuen Ausgabe veröffentlichte. Zu den Unterzeichnern gehören neben Jelinek unter anderem der Schriftsteller Martin Walser, der Publizist Roger Willemsen, die Moderatorin Charlotte Roche sowie die Schauspielerin Katharina Thalbach..

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