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Neustart ohne Abweichler: Regierung in Athen vereidigt

Premier Tsipras hat seine Regierung umgebildet
Premier Tsipras hat seine Regierung umgebildet
Die Kritiker aus den eigenen Reihen sind weg, der griechische Ministerpräsident hat eine neue Regierungsmannschaft. Schon in der kommenden Woche stehen die nächsten Reformen an. Der ehemalige Finanzminister Varoufakis spricht von "Kapitulation".

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras will die Verhandlungen über ein drittes Milliarden-Hilfsprogramm mit einer neuen Regierung unter Dach und Fach bringen. Nach der Kabinettsumbildung wurden am Samstag in Athen die neuen Minister vereidigt.

Tsipras entlässt linke Abweichler

Tsipras hatte am Vorabend zahlreiche Vertreter des linken Flügels seiner Syriza-Partei aus dem Kabinett entlassen. Darunter ist der Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis. Zudem wurde der stellvertretende Minister für Sozialthemen, Dimitris Stratoulis, geschasst. Beide hatten – wie 30 andere Abgeordnete der Syriza – Donnerstag in der Früh gegen die Spar- und Reformgesetze votiert.

Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels von Tsipras’ Partei. Sie sperren sich gegen weitere Sparmaßnahmen und Privatisierungen und befürworten den Austritt aus der Eurozone. Gehen müssen auch mehrere Vizeminister. Regierungssprecher Gavriel Sakellarides wird ebenfalls ausgetauscht. Insgesamt seien es zehn Mitglieder der politischen Führung in Athen.

“Querulanten” durch Vertraute ersetzt

Die Entlassenen werden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs ersetzt. Das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das bald zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss, übernimmt Tsipras’ enger Mitarbeiter Panos Skourletis. Finanzminister bleibt Euklides Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias und Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis behalten ihre Posten. Verteidigungsminister Panos Kammenos, der Chef der Junior-Koalitionspartei der Unabhängigen Griechen (Anel), bleibt ebenfalls im Amt.

32 Abgeordnete des linken Flügels der regierenden Partei Bündnis der radikalen Linken (Syriza), darunter auch Lafazanis und Stratoulis, hatten Donnerstagfrüh gegen das griechische Sparprogramm im Parlament votiert. Es gab zudem sechs weitere Abweichler, die sich der Stimme enthielten, und eine Abgeordnete, die nicht zur Abstimmung erschien.

Regierungschef Tsipras habe nun in der Regierung mit den Rebellen aufgeräumt und sie nach Hause geschickt, hieß es in einem Kommentar des griechischen Fernsehens. Damit sei der innenpolitische Kampf von Tsipras mit dem linken Flügel aber nicht zu Ende. Experten erwarten weitere Streitigkeiten: Am 22. Juli müssen weitere Sparmaßnahmen und Reformen vom Parlament in Athen gebilligt werden, auch hier wird wieder mit Abweichlern gerechnet.

Vorgezogene Wahlen im Herbst?

Tsipras hatte seinen Mitarbeitern nach dem Parlamentsbeschluss in der Nacht auf Donnerstag gesagt, er wolle das Land weiter mit einer Minderheitsregierung führen, die sich auf 123 der insgesamt 300 Volksvertreter im Parlament stützen kann und von der Opposition geduldet wird. Erste Priorität habe jetzt das neue Spar- und Hilfsprogramm. Wenn das unter Dach und Fach sei, könnten im Herbst vorgezogene Wahlen stattfinden, hieß es aus Regierungskreisen.

Tsipras hatte am vergangenen Wochenende bei harten Verhandlungen mit den Eurostaaten weitreichenden Einschnitten und Reformen zustimmen müssen, um die Zusage für ein dringend benötigtes drittes Hilfsprogramm zu erhalten.

Trotz Kehrtwende: Zustimmung für Tsipras weiter hoch

Bei der Kabinettsumbildung mussten die Kritiker des Abkommens mit der Euro-Gruppe gehen. Tsipras hatte die Zustimmung des Parlaments zu den Reformen, von der die Gläubiger die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Milliarden-Hilfspaket abhängig gemacht hatten, nur dank der Unterstützung der Opposition erhalten.

Obwohl Tsipras damit eine Kehrtwende vollzog, bleiben die Zustimmungswerte für ihn hoch. In einer in der linksgerichteten Zeitung “Efimerida Ton Syntaknon” veröffentlichten Umfrage kommt seine Syriza-Partei auf 42,5 Prozent. Dagegen erhielte die größte Oppositionspartei Nea Dimokratia bei einer Wahl derzeit nur 21,5 Prozent. Zudem sprachen sich 70 Prozent für das neue Hilfsprogramm aus, wenn Griechenland damit in der Euro-Zone bleiben kann.

Euro-Finanzminister billigen Start neuer Verhandlungen

Die Euro-Finanzminister hatten am Freitag den Start neuer Verhandlungen über ein weiteres Hilfspaket gebilligt. Griechenland ist mit 313 Milliarden Euro verschuldet und steht kurz vor der Pleite. Das neue Paket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. In einem ersten Schritt hatte das Parlament ein Gesetzespaket mit Reform- und Sparauflagen gebilligt – eine Bedingung der Europartner. Weitere Maßnahmen müssen am kommenden Mittwoch beschlossen werden.

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Neuer Arbeitsminister kündigt harte Verhandlungen an

“Unser Ziel ist es, das Abkommen nicht einfach abzusegnen, sondern entschieden um die Konditionen zu kämpfen”, sagte der neue Arbeitsminister George Katrougalos und kündigte damit harte Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm an. Es gebe viele schwammige Bedingungen in dem Text. Eine Vereinbarung müsse sozial gerecht sein.

Varoufakis: “Dieses Programm ist zum Scheitern verurteilt”

Der ehemalige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis zweifelte in einem Interview mit der britischen BBC den Erfolg der Reformen an. “Dieses Programm ist zum Scheitern verurteilt, wer auch immer es umsetzt”, sagte Varoufakis. Er war vor knapp zwei Wochen zurückgetreten, nachdem die Griechen sich in einem Referendum gegen zusätzliche Sparmaßnahmen ausgesprochen. Tsipras vollzog nach der Volksabstimmung eine Kehrtwende und stimmte solchen Auflagen doch zu.

Griechischer Ex-Finanzminister spricht von “Kapitulation”

Varoufakis erklärte dazu: “Wir hatten die Wahl zwischen der Hinrichtung und der Kapitulation.” Tsipras habe sich für die Kapitulation entschieden. “Ich mag darin nicht mit ihm übereinstimmen und das habe ich mit meinem Rücktritt klargemacht. Aber ich verstehe sehr genau, in welch schwieriger Lage er sich befindet.”

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Drittes Hilfspaket: Einigung bis Mitte August angestrebt

Das dritte Hilfspaket dürfte erst in einigen Wochen stehen. Angestrebt wird bisher eine Einigung bis Mitte August. Damit Griechenland nicht schon vorher in die Pleite rutscht, bekommt es einen Notkredit von rund sieben Milliarden Euro aus dem EU-Rettungstopf EFSM. Diese Brückenfinanzierung soll Athen helfen, an diesem Montag Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen zu können. 3,5 Milliarden Euro werden dann fällig.

Griechische Banken ab Montag wieder geöffnet

Die seit drei Wochen geschlossenen griechischen Banken dürfen nun endgültig am Montag wieder öffnen. Die Kapitalverkehrskontrollen bleiben nach einem am Samstag veröffentlichten Erlass jedoch in Kraft. So sind Überweisungen von griechischen Banken auf ausländische Konten weiterhin untersagt. Die Regierung änderte jedoch die Bedingungen für die Bargeld-Versorgung der griechischen Bürger. Seit der Schließung der Banken am 29. Juni durften die Griechen pro Tag 60 Euro an Bankomaten abheben. Nun können sie sich auch mehr Geld auf einen Schlag auszahlen lassen. Allerdings bleibt die Höchstgrenze bei 420 Euro pro Woche.

Mit der Einschränkung des Kapitalverkehrs soll ein Ansturm auf die Banken und ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden. Unternehmen und Privatleute hatten aus Sorge um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone in den vergangenen Monaten Milliarden von ihren Konten abgezogen.

Die Wiedereröffnung ist möglich, weil die Europäische Zentralbank am Donnerstag nach der Zustimmung des griechischen Parlaments zu Reformen die Obergrenze für die Notfallkredite für griechische Banken für eine Woche um 900 Millionen Euro erhöht hat. Diese lag Insidern zufolge zuletzt bei etwa 89 Milliarden Euro. (APA/dpa/red)

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