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Neues Twittergate? Rauch versus Wirtschaftskammer

Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
"Alt, unsozial und abgehoben", nach diesem Interview-Zitat seiner Parteikollegin Sigrid Maurer auf Twitter, das auf die WKO abzielt, hagelt es für Landesrat Johannes Rauch, der obige Zeilen seinerseits noch untermauert, heftige Kritik von der Vorarlberger Wirtschaft.

"Nur ist das kein 'Rundumschlag', sondern eine Tatsachenbehauptung" legt der  Landesrat für Umweltschutz und Nahverkehr noch nach und untermauert damit seine durchaus streitbare Sicht auf die Wirtschaftskammer. Bezug nimmt er damit auf ein Interview von Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer, in dem sie scharfte Kritik an der Wirtschaftskammer und deren Präsidenten Harald Mahrer (ÖVP) formuliert. "Egal, ob beim Klima oder bei der Arbeitsmarktpolitik, es ist ein altes, ein unsoziales Denken, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur basiert", sagte Maurer im Ö1-Morgenjournal des ORF-Radio.
Angesprochen auf Karlheinz Kopf (ÖVP), Generalsekretär in der Wirtschaftskammer, der Vorschläge von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur CO2-Bepreisung als "ideologiegetriebene Bestrafungsphantasien" bezeichnet, sagte Maurer "Ich habe schon den Eindruck, dass Personen aus der Wirtschaftskammer, die da eher dem fossilen Denken anhaften, versuchen Sand ins Getriebe zu streuen".

Heftige Kritik

Das schmeckt den Vorarlberger Vertretern der Wirtschaftstreibenden standesgemäß gar nicht, in einer ersten Reaktion hagelt es heftige Kritik für die Aussage des Chefs der Vorarlberger Grünen. Der wehrhafte Politiker hatte sich bereits im Vorjahr in die "twitterschen Nesseln" gesetzt, als er in einem Tweet Kritik äußerte, dass "es nicht sein könne, dass Produktionsbetriebe weiterlaufen, wenn alle Schulen schließen." Damals erntete er dafür einen saftigen Rüffel vonseiten des Landeshauptmanns, der ihm auch nahelegte, "er solle weniger twittern und mehr arbeiten."

Medialer "Boomerang"

Vor Kurzem äußerte er auch an einem in den Vorarlberger Nachrichten kolportierten Vergleich seiner "Twitter-Attitüden" mit denen des früheren US-Präsidenten Donald Trump seinen Unmut und zog vor den Presserat. Dieser fand die Metapher aber nicht weiter schlimm und bescherte ihm einen medialen "Boomerang".

Breite Phalanx der WKV zeigt
sich über alle Maßen empört

In einer Presseaussendung kontert die WKV der erneuten eindeutigen "Einschätzung" des Grünen-Chefs, hier im Wortlaut:

"Mit einer derartigen verbalen Twitter-Entgleisung zeigt Grünen-Chef LR Johannes Rauch eindeutig seine Haltung gegenüber der gesamten Interessenvertretung der Unternehmerschaft“, zeigt sich WKV-Präsident Hans Peter Metzler empört.

Hans Peter Metzler

In der Wirtschaftskammer arbeiten über 1000 Funktionärinnen und Funktionäre sowie die WKV-Mitarbeiter/-innen täglich mit großem Engagement für die Anliegen ihrer Berufskolleg/-innen."Viele junge, bodenständige und sehr sozial engagierte Unternehmer/-innen leisten gerade aktuell in der Krise Enormes. Die Aussagen von Johannes Rauch sind daher völlig fehl am Platz."

Bereits mit seinem Produktionsschließungs-Sager habe der Grünen-Chef alle von seiner mangelnden Wirtschaftskompetenz überzeugt. Die jetzigen Aussagen reihen sich da nahtlos an. "Selbst Landeshauptmann Markus Wallner hat Rauch bereits im November 2020 dazu aufgerufen, weniger zu twittern und mehr zu arbeiten. Schließlich bleibt LR Rauch in seinem eigenen Ressort einiges schuldig, etwa im Bereich der Deponie-Thematik geht wenig weiter", sagt Metzler. Wer nicht der grünen Haltung entspreche, werde mit Beleidigungen überhäuft. Das habe langsam System. "Einmal mehr zeigt Rauch wenig Interesse an Sachdiskussionen und versteckt sich hinter Twitter-Meldungen, mit denen er im Übrigen auch seine eigenen Leute in der grünen Wirtschaft vor den Kopf stößt", sagt der WKV-Präsident.

"Während große Teile der Mitgliedsbetriebe in der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft ums Überleben kämpfen, viele davon nicht wissen, wie es weiter gehen soll, ganze Familienexistenzen vor den Scherben der Pandemie stehen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, teilweise jahrzehntelange Fachkräfte nicht mehr beschäftigt werden können und um ihren Job bangen, hat der Landesrat nichts anderes zu tun, als zu twittern, unqualifiziert und pauschal, ohne offensichtlich nur eine Sekunde darüber nachzudenken, was er mit so einer Aussage bewirkt. Selbst wenn sie auch aus dem Zusammenhang gerissen wäre, bringt sie doch eine Haltung zum Ausdruck, die einem Mitglied der Vorarlberger Landesregierung nicht ansteht", reagiert Markus Kegele, Spartenobmann Tourismus- und Freizeitwirtschaft, auf die Twitter-Aussagen.

Wilfried Hopfner, Raiffeisenlandesbank

Auch für WKV-Vizepräsident Wilfried Hopfner ist es völlig unverständlich, was der Landesrat sich bei dieser Aussage gedacht hat. "Wir hätten genug anderes und Wichtigeres zu tun z.B. wie wir den Betrieben, die von der Pandemie betroffen sind, ausreichend mit Liquidität helfen können."

"Eine ungeheuerliche Entgleisung des Landesrates, der damit die Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Funktionärinnen und Funktionäre pauschal verunglimpft", zeigt sich auch Petra Kreuzer, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer, verärgert. IC-Spartenobmann Dieter Bitschnau ergänzt: "Im Gegensatz zu der Haltung des Landesrates, die er nunmehr neuerlich zum Ausdruck bringt, kümmern wir uns um die Anliegen der Mitglieder und damit um die Aufgabe, für die wir gewählt wurden und die Wirtschaftskammer auch verantwortlich ist". "Persönlich stehe ich eigentlich für eine Kammer die innovativ, wertschätzend im Umgang und lösungsorientiert agiert. Mich kann er eigentlich damit nicht gemeint haben", betont Stefan Hagen, WKV-Vizepräsident.

Stefan Hagen (Foto: Frederick Sams)

Bernhard Feigl, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk: "Das scheint ja ein partei-interner Streit der Grünen zu sein: Vizekanzler Kogler begrüßt eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengelds, die Grüne Klubobfrau Maurer ist mit Schützenhilfe von Herrn Rauch dagegen – und weil sie sich nicht gegen Kogler trauen, muss halt ein anderer Reibebaum herhalten. Vor Menschen, die andere nur beschimpfen, haben wir keinen Respekt – Handwerker haben Respekt vor Menschen, die arbeiten und etwas schaffen. Der Landeshauptmann hat dem Landesrat schon einmal ausgerichtet, er soll weniger twittern und mehr arbeiten. Das muss er offensichtlich noch einmal eindringlich tun, das mit der Arbeit haut ja offensichtlich nicht so hin."

Markus Comploj ©P. Steurer

"Wie schon im Vorjahr, als der Landesrat die Schließung der Produktionsstätten gefordert hatte, bringt er jetzt wieder eine Haltung zum Ausdruck, die dem Vorarlberger Industrie- und Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb sicherlich nicht weiterhilft. Er muss uns auch nicht erklären, welche Sorgen und Nöte unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Die kennen wir aus der täglichen Arbeit ziemlich genau", schließt sich Markus Comploj, Spartenobmann Industrie, der Kritik an LR Rauch an.

Edi Fischer, (Foto: ©DarkoTodorovic)

Edi Fischer, WKV-Vizepräsident: "Es ist schon bemerkenswert, wenn ein Grünpolitiker und ehemaliger Sozialarbeiter, der nur von der öffentlichen Hand lebt, sinnvolle Vorschläge der Wirtschaft als verstaubt und antiquiert abqualifiziert." 

Junge Wirtschaft schießt sich ebenfalls auf Rauch ein

Auch die Junge Wirtschaft lässt ihrem Unmut über die verbale Entgleisung von Johannes Rauch freien Lauf und formuliert ihre Kritik wie folgt:

"Der Vorstand der Jungen Wirtschaft Vorarlberg zeigt sich irritiert über die absolute Meinung des von uns sonst sehr geschätzten LR Johannes Rauch. Er unterstreicht die Meinung seiner Kollegin Sigrid Maurer, dass die Wirtschaftskammer "alt, unsozial und abgehoben" sei mit einer Twitter-Nachricht:"Nur ist das kein "Rundumschlag", sondern eine Tatsachenbehauptung".

Die Junge Wirtschaft setzt sich seit über 40 Jahren in Vorarlberg für die Rahmenbedingungen von Gründer/-innen und jungen Unternehmen ein. Sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene haben wir Ansprechpartner/-innen, die mit uns gemeinsam den Wirtschaftsstandort im Sinne eines modernen, sozialen Wirtschaftslandes auf Augenhöhe entwickeln. Auch im laufenden Strategieprozess Dis.Kurs-Zukunft der WKV wird unsere Stimme nicht nur gehört, sondern wir haben in Zukunftsfeldern den Lead und gestalten aktiv mit.


Keine Frage – es gibt noch viel zu tun und es ist nicht alles immer perfekt. Aber wir kommen nur weiter, wenn wir miteinander daran arbeiten. Wir hoffen, dass das auch im Interesse von LR Johannes Rauch ist.

Johannes Rauch kann und wird es wohl nicht lassen. Es scheint, als ob das von vielen Wählern den Grünen attestierte fehlende Aufbegehren gegen den wirtschaftlich dominierten Koalitionspartner im wehrhaften Grünen-Chef eine neue Galionsfigur findet. Das dürfte Landeshauptmann Markus Wallner weniger schmecken.

Rauch lässt den "Tweet" für sich sprechen und so stehen

Zumal es auf VOL.AT-Anfrage aus dem Büro von Johannes Rauch hieß, dass er den Tweet nicht weiter kommentieren und so stehen lassen würde. Er würde ohnehin für sich selbst sprechen.

(VOL.AT)

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