Neues Dienstzeitmanagement für Österreichs Polizei geplant
Achatz machte bei einem Hintergrundgespräch vor Journalisten darauf aufmerksam, dass das aktuelle System seit 50 Jahren im Einsatz ist, sich seither aber viel verändert hat. Er nannte in diesem Zusammenhang intern die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie Anfang der 2000er-Jahre und die Behördenreform 2012. Auch bei der Sicherheitslage habe sich vor allem ab 2015/16 mit den Pariser Anschlägen vieles geändert, hinzu komme, dass die Kriminalität stark im Wandel sei, wobei vor allem Cybercrime zu nennen ist.
Mitarbeiterbefragung: viel Kritik
Achatz verwies auch auf eine Mitarbeiterbefragung 2022/2023, wobei die Hälfte der Belegschaft mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen nicht sehr zufrieden gewesen sei. Als kritischer Punkt wurde vor allem der fehlende Einfluss auf die Dienstplangestaltung genannt. Weitere Kritik betraf das starre System, die hohe Zahl an unplanbaren Überstunden, die hohe Belastung durch lange Dienste, die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die gesundheitliche Belastung.
Dementsprechend hat das neue System Verbesserungen genau in diesen Bereichen zum Ziel: Projektleiter Joachim Huber - auch stellvertretender Landespolizeidirektor in der Steiermark - erläuterte, dass das Projekt in fünf Arbeitsgruppen in Angriff genommen wurde und sich die Projektteilnehmenden auch Polizeieinheiten in anderen Staaten ansahen, darunter in Deutschland, der Schweiz, Tschechien und den USA. Gemeinsamkeiten seien dabei eine bedarfsorientierte Planung, maximal Zwölf-Stunden-Dienste, die Ableistung von maximal 30 Prozent der Monatsarbeitszeit an Wochenenden, Tauschmöglichkeiten und das Nicht-Heranziehen von Überstunden für die Deckung des Grundbedarfs in der Polizeiarbeit gewesen.
Maximal acht bis 13 Dienststunden pro Tag
Als Eckpunkt des neuen Dienstzeitmanagements kam heraus, dass in Zukunft maximal acht bis 13 Stunden Dienstzeit pro Tag abgeleistet werden soll. Wenn Bedienstete kürzer arbeiten wollen, soll auch das möglich werden. 48 Stunden können pro Monat an Wochenenden abgeleistet werden, jedenfalls sollen alle Bediensteten zumindest ein Wochenende pro Monat frei haben. Eine neu zu entwickelnde App soll die Dienstplanung leichter machen, ergänzt wird das System durch eine Tauschbörse, wo ein Dienst gegen einen anderen getauscht werden soll. Um Engpässe zu vermeiden oder bei Zusatzbedarf soll es überregionale Springerdienste geben. Dienste können auch gesplittet werden, mit einigen Stunden Pause, wenn sich Beamtinnen und Beamte etwa fortbilden oder für die Kinderbetreuung. Und nicht zuletzt soll es einen Überstundenpool geben, für den sich die Bediensteten freiwillig melden können.
Vieles an Fragen hoffen die Projektverantwortlichen - Achatz war der Auftraggeber, Verantwortlicher ist der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf - mit dem Probebetrieb im kommenden Jahr in fünf Bezirken beantworten zu können. Welche das sind, ist noch offen - Huber nannte als betroffene Bundesländer Wien, Nieder- und Oberösterreich, die Steiermark und Vorarlberg. In Wien könnten es dem Vernehmen nach die Donaustadt oder die Brigittenau werden. Dass Wien für das neue Dienstzeitmanagement das Kriterium sein dürfte, war den Projektverantwortlichen offenbar von Haus aus klar: Man sei mit Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl von Anfang an in Verbindung gewesen.
Kein Sparprogramm
Achatz stellte auch klar, dass es nicht darum geht, Überstunden einzusparen: "Das neue Dienstzeitsystem ist kein Sparprogramm." Eine Aufstockung des Personalstandes - derzeit rund 33.000 Polizistinnen und Polizisten - scheint aber auch nicht geplant. Der Generalsekretär ging davon aus, dass die Überstundenbelastung etwa gleich hoch bleiben werde. Man trachte, Abgänge beim Personal auszugleichen. Wie viele Freiwillige sich für den Überstundenpool melden müssen, damit es auf diese Weise funktionieren kann, blieb zunächst offen. Auch hier erhoffen sich die Verantwortlichen Aufschlüsse durch den Probebetrieb. Ob und wie viel das neue System an Kosten verursacht, konnte noch nicht gesagt werden. Fixstarter ist aber jedenfalls die Entwicklung der App, für die ein niedriger Millionenbetrag - jedenfalls nicht zweistellig - veranschlagt wurde.
Der nächste Punkt ist die Einbindung der Personalvertretung. Mitglieder seien auch in den Projektgruppen gesessen, der Zentralausschuss sollte am Dienstagnachmittag informiert werden. Zu hören war zumindest aus Wien, dass bisher nicht sehr viel zu der Reform nach außen gedrungen sei.
Hoffnung auf positive Effekte für die Gesundheit
Achatz und die Chefärztin der Landespolizeidirektion Wien, Patricia Fous-Zeiner, erhoffen sich durch das neue System auch gesündere Polizistinnen und Polizisten. Die Medizinerin betonte, dass nach 17 Stunden durchgehender Arbeit die Leistungsfähigkeit signifikant nachlasse und dass dies bei oft lebensbedrohlichen Situationen von entscheidender Bedeutung sein kann. Sie machte auf das hohe Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen aufmerksam und erwähnte auch die Gefahr von Schlafstörungen. Als umso wichtiger erachte sie es, Regenerationszeiten zu ermöglichen.
Klar ist aber auch: Wenn eine außergewöhnliche Lage - wie der Terroranschlag in Wien vor fünf Jahren oder das Hochwasser in Ostösterreich im Vorjahr - eintritt, werden die Erfordernisse die Einhaltung des Dienstzeitenmanagements vorübergehend schwierig bis unmöglich machen. So wie jetzt auch schon, wurde betont.
Personalvertreter: Viel basiert auf Freiwilligkeit
Martin Noschiel von der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter (FSG), stellvertretender Vorsitzender des Zentralausschusses, sagte nach der Sitzung am Nachmittag zur APA, dass es sich um einen "gut gemeinten Vorschlag des Dienstgebers" handle, der sich sehr viel auf Freiwilligkeit der Kolleginnen und Kollegen stütze. "Das ist eine Diskussionsgrundlage, von der ich ausgehe, dass noch viele Ecken und Kanten abgeschliffen werden müssen", so der Gewerkschafter. "Die Frage ist, wie wir damit umgehen, wenn alle zum Beispiel sagen, ich will keinen Wochenenddienst machen." Noschiel: "Wenn da gutwillig Freiwilligkeit in den Raum gestellt wird, brauchen wir ein Regelwerk, das Ungerechtigkeiten vermeidet."
Noschiel versprach einen konstruktiven Beitrag der Personalvertretung. Viel werde an der Praxis im Probebetrieb hängen, für die Zeit danach sei vom Dienstgeber zugesichert worden, dass die Personalvertretung eingebunden werde. Es erscheine notwendig und "logisch", dass das Dienstsystem an die Herausforderungen der Zeit angepasst werde. Wichtig sei, dass nach dem Probebetrieb das neue System "nicht auf Biegen und Brechen" dann trotzdem durchgesetzt werde, sondern auf die gewonnenen Erkenntnisse Rücksicht genommen werde. "Uns ist wichtig, dass es zu keinen finanziellen Einbußen für die Kolleginnen und Kollegen kommt", sagte Noschiel.
Dass es vor allem in Wien Skepsis gebe, "ist sicher richtig", sagte der Personalvertreter. Die Bundeshauptstadt sei eine besondere Herausforderung, wo die Dienstplanplanung nicht immer für drei Monate vorherzusehen sei. "Da wird es immer Adhoc-Einsätze geben, die man abdecken muss, und da ist die Frage, welche Ressourcen man hat", erläuterte Noschiel. Sein Resümee: "Das Kartenhaus sehe ich mit diesem Vorschlag aber nicht zusammenbrechen."
(APA)
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