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Neues Buch über Wiens prosperierendes Hinterland

Martin Leidenfrost beschreibt in seinem Buch "Die Welt hinter Wien" seine Eindrücke von Orten und Plätzen in Wiens Hinterland, die die meisten Wiener gar nicht kennen.

Unter “Centrope” werden die Gegend zwischen den beiden Twin-Cities Wien und Bratislava wohl nur Stadt- und Landschaftsplaner, Politiker und Business-Manager kennen. Martin
Leidenfrost, Autor mit niederösterreichischen Wurzeln, kennt die Gegend allgemein prognostizierter Wirtschaftshoffnungen aus etwas
anderem Blickpunkt: Vor vier Jahren zog er in eine Plattenbausiedlung von Bratislava und unternahm von dort unzählige Ausflüge mit seinem
in der Tasche mitgenommenen Feuilleton-Skizzenblock.

Was ursprünglich einmal pro Woche in der Tageszeitung “Die Presse” nachzulesen war,
ist nun unlängst als Buch heraus gekommen: “Die Welt hinter Wien”, gut 230 Seiten stark, versammelt knapp 50 beobachtete, lakonisch
beschriebene Eindrücke, mitunter in Form von Kurzgeschichten.

Ihnen allen gemein ist, dass sie dem Leser eindrucksvoll vor Augen führen, wie unbekannt für viele genau diese “Welt hinter Wien” ist. Und hierfür muss man laut Leidenfrost gar nicht bis nach
Bratislava fahren, es reicht schon seine Beobachtungen über Gänserndorf, Marchegg, Kittsee nachzulesen, um die nahe Exotik des
Hinterlandes zu verdeutlichen. Die Geschichten, um die es geht, sind nicht selten unvollständig: Ein Interviewpartnerin aus dem Rotlicht-Milieu erscheint nicht, beim Besuch einer Roma-Siedlung
dreht er an der Schwelle dorthin um.

Leidenfrost schreibt keine
journalistischen Stories mit fixer Einlösung des Versprochenen, ihm
erscheint vieles mehr bemerkens- und berichtenswert. Etwa über die
nur scheinbar bizarren Personen im Wagon Slovakia im Intercity 407,
der am Wiener Westbahnhof abends startet und ein eher melancholisches
Publikum über die Grenze mit sich führt. Oder sein Besuch im
900-Seelen-Dorf Hlboké, das eine nationalistische Hochburg sein soll
und er gerade auf Personen trifft, die gerade diese Einstellung
unterlaufen: Es sind auch diese “Pannen”, die Leidenfrosts Skizzen so
empfehlenswert machen. Abgesehen davon, dass der 1972 geborene Autor
schlichtweg sehr gut beobachten und schreiben kann. Daher: Für
“eingefleischte” Wienerinnen und Wiener als Reiselektüre dringend
anzuraten, aber auch für angehende Journalisten, die gerade aufgrund
der kurzen Geschichten lernen können, wie man auch bei scheinbaren
Nicht-Geschichten auf das Erzählenswerte stößt.

Martin Leidenfrost, “Die Welt hinter Wien”, Picus Verlag 2008, 235 Seiten, EUR 16,90

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