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Neue Koalition stellt sich vor: Eine Regierung für Veränderungen

Am Samtag wird sich die neue Regierung der Öffentlichkeit vorstellen.
Am Samtag wird sich die neue Regierung der Öffentlichkeit vorstellen. ©AP (Sujet)
Nach der am Freitagabend erfolgten Einigung zwischen ÖVP und FPÖ wird sich die neue Regierung am heutigen Samstag der Öffentlichkeit vorstellen. In der Früh werden ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der Wiener Hofburg von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen. Danach wird die Koalition und deren Programm von den beiden Parteivorständen abgesegnet.

Am Nachmittag sollen dann das Regierungsteam und der Koalitionspakt in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert werden. Am Montag steht die Angelobung bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf dem Programm. Freitagabend bestätigte Kurz nur die Einigung und erklärte, dass seine neue Regierung die Veränderungen sicherstellen wolle, für die die Menschen bei der Wahl am 15. Oktober gestimmt hätten.

Koalition: Grüne erwarten stramme Law-and-order-Regierung

Die Grünen sehen mit der neuen schwarz-blauen Regierung “schwere Zeiten” auf Österreich zukommen. Bundessprecher Werner Kogler erwartet eine stramme “Law-and-order-Politik”. Mit Herbert Kickl als Innen- und Mario Kunasek als Verteidigungsminister (beide FPÖ) wären “die Weichen für einen Überwachungsstaat gestellt”. Kogler erwartet von Bundespräsident Alexander van der Bellen, korrigierend einzugreifen.

Für Kogler bedeutet die neue Regierung einen “gehörigen Rechtsruck”. Dass nationalen Burschenschaftern Tür und Tor in die Regierung geöffnet würden, vervollständige das negative Bild im In- und Ausland, meinte Kogler in einer Aussendung.

Auch die bisher bekannten Inhalte sind für die Grünen alles andere als zukunftsorientiert. Mit Studiengebühren würde der Uni-Zugang vielen jungen Menschen massiv erschwert. Rückschritte sieht Kogler auch im Schulbereich sowie bei Bürgerbeteiligung und Umweltschutz. Der FPÖ wirft er vor, für das Kippen des Nichtraucher-Schutzes den Widerstand gegen die umstrittenen Handelspakte TTIP oder CETA aufgegeben zu haben. Die Grüne befürchten auch eine Umwelt- und Klimaschutzpolitik, die diesen Namen nicht wirklich verdient.

Die künftigen Minister im Überblick

Neben Kurz als Bundeskanzler und Strache als Vizekanzler ist vom Regierungsteam bisher bekannt, dass auf FPÖ-Seite Herbert Kickl Innenminister wird, der steirische FPÖ-Obmann Mario Kunasek Verteidigungsminister, die ehemalige FPÖ-Abgeordnete Beate Hartinger Sozial- und Gesundheitsministerin und die Nahost-Kennerin Karin Kneissl Außenministerin. Auf ÖVP-Seite soll der Wiener Parteichef Gernot Blümel Kanzleramtsminister für EU, Medien, Kunst und Kultur werden, Sebastian Kurz’ Paradeexperte Heinz Faßmann wird Bildungsminister (das neue Megaressort auch die Zuständigkeiten für die Universitäten sowie für Kindergärten und Elementarpädagogik), die steirische Molekularbiologin Juliane Bogner-Strauß Frauen- und Familienministerin, die Ex-A1-Chefin Margarete Schramböck wird Ministerin für Wirtschaft und Digitales, der frühere Rechnungshofpräsident Josef Moser Justiz- und Staatsreform-Minister, Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger Landwirtschafts- und Umweltministerin. Im Gegenzug soll der bisherige Innenminister Wolfgang Sobotka Nationalratspräsident werden. UNIQA-Chef Hartwig Löger soll Finanzminister werden, nachdem Wunschkandidatin Bettina Glatz-Kremsner abgesagt hat.

Große Koalition nach 44 Jahren beendet

Mit der Angelobung der – nunmehr dritten – ÖVP-FPÖ-Koalition am Montag wird die dritte Großkoalitions-Phase der Zweiten Republik beendet. Die Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP war bisher “die” Regierungsform. Mehr als 44 Jahre regierte die Große Koalition, obwohl sie bei Wählern seit den 90er-Jahren immer mehr in Ungnade fiel. Aber eine Koalition mit der FPÖ war seit Jörg Haiders Antritt 1986 lange tabu. So brachte die FPÖ bisher auch wenig Regierungserfahrung zusammen: Noch keine neun Jahre waren die Blauen am Ruder, rechnet man das 2005 von ihnen abgespaltene (und mittlerweile wieder verschwundene) BZÖ dazu etwas über zehneinhalb Jahre.

Den größten Teil davon haben die Freiheitlichen mit ihrem jetzigen Partner zusammengearbeitet: Von 2000 bis 2005 regierte Wolfgang Schüssel mit der FPÖ und dann noch mit dem BZÖ bis zur Angelobung der nächsten rot-schwarzen Regierung Anfang 2007. Damit sicherte er sich den Kanzlersessel über zwei Perioden, unterbrochen durch die Neuwahl 2002.

Auch die SPÖ koalierte schon einmal mit der FPÖ, aber vor Jörg Haider: 1983, nachdem sie die Absolute verlor, ging Fred Sinowatz (SPÖ) mit Norbert Steger (FPÖ) zusammen. Mit Haiders Machtübernahme 1986 war es vorbei, nach der Neuwahl reanimierte Franz Vranitzky (SPÖ) mit Alois Mock (ÖVP) die 1966 beendete Große Koalition.

Allerdings unter anderen Vorzeichen: Nachdem von 1945 bis 1966 alle großkoalitionären Kanzler der (überwiegend stimmenstärkeren) ÖVP angehörten, war ab 1986 die SPÖ an der Reihe. Sie wurde – nach der langen Phase der Alleinregierungen – bei so gut wie allen Nationalratswahlen (außer jener 2002 und jetzt 2017) Erste und stellte alle Kanzler. Ausgenommen die schwarz-blauen Perioden unter Schüssel und jetzt Kurz.

Allein regiert hat auch die ÖVP einmal, aber nur von 1966 bis 1970. Damals holte sie zum ersten und einzigen Mal die absolute Mehrheit an Mandaten. Der SPÖ gelang dies wesentlich öfter, mit drei Absoluten ausgestattet, von 1970 bis 1983. Am Anfang hatte Bruno Kreisky die bisher einzige Minderheitsregierung gewagt, aber schon 1971 die Neuwahl ausgerufen.

Jedenfalls haben die Traditionsparteien Österreich seit 1945 fest in der Hand, es gab keine einzige Regierung ohne sie. Zusammen regierten sie fast zwei Drittel – 61,5 Prozent – der nunmehr 72 Jahre. Genau ein Drittel – 33,3 Prozent bzw. 24 Jahre – gab es Rot-Schwarz mit roten Kanzlern, etwas über 20 Jahre Schwarz-Rot.

Dank der langen roten Phase ist die Alleinregierung die zweit-wichtigste Variante: Fast ein Fünftel der 72 Jahre seit 1945 führte die SPÖ (für 13 Jahre) Österreich allein, für vier Jahre auch die ÖVP. Die Regierungen, an denen die FPÖ (bzw. das BZÖ) beteiligt war, machten bisher noch keine 15 Prozent aus – wobei fast zehn davon auf die Jahre mit der ÖVP entfallen. Für zwei Jahre war auch die KPÖ am Ruder – in der Konzentrationsregierung, die 1945 nach der ersten Wahl gebildet wurde. Die Grünen waren zwar von 1986 bis 2017 Parlamentspartei, aber nie in einer Bundesregierung.

(APA/Red)

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