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NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger im Interview zur NR-Wahl

Beate Meinl-Reisinger, die Spitzenkandidatin der NEOS, beim Interview mit Vienna Online
Beate Meinl-Reisinger, die Spitzenkandidatin der NEOS, beim Interview mit Vienna Online ©VIENNA.AT/Lukas Krummholz
Vor der Nationalratswahl haben wir die Spitzenkandidaten zum Interview gebeten. Was sich die Spitzenkandidatin der NEOS, Beate Meinl-Reisinger, von der Wahl im Herbst erwartet, hat sie VIENNA.AT im persönlichen Gespräch erzählt.
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Vienna Online: Wenn jemand noch nie von Ihnen gehört hat, als neue Partei – wie würden Sie die NEOS in wenigen Worten selbst beschreiben?

NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger: Jung, frisch, motiviert, mit dem Wunsch, etwas zum Besseren zu verändern.

Wie lautet das Wahlziel ihrer Partei für die Nationalratswahl 2013?

Unser Wahlziel ist 5 Prozent eigentlich – also der Einzug und noch ein bissi was drauf.

Was war Ihr Anreiz, Politikerin zu werden? Und haben Sie bisher etwas verändern können?

Im Jahr 2002 habe ich mit Freunden gemeinsam die Initiative Schwarz-Gruen.org gegründet. Wir waren unzufrieden über Schwarz-Blau und als klar war, dass neu gewählt wird und dass sich diese Koalition ausgeht, haben wir über Nacht ein Unterstützungserklärungssystem ins Leben gerufen – mit enormem Erfolg. Danach hab ich in der Politik und für die Politik gearbeitet – also ich hab schon gesehen, dass man was verändern kann, wenn man an bestimmten Stellen ist. Beispielsweise hab ich im Kabinett von Christine Marek das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld entwickelt.

Wir waren unzufrieden über Schwarz-Blau und als klar war, dass neu gewählt wird und dass sich diese Koalition ausgeht, haben wir über Nacht ein Unterstützungserklärungssystem ins Leben gerufen – mit enormem Erfolg. Danach hab ich in der Politik und für die Politik gearbeitet

Warum ich jetzt selber Politikerin geworden bin? Sehr stark aus einer Unzufriedenheit mit dem jetzigen System heraus. Ich halte die große Koalition, die wir haben, für nicht mehr zeitgemäß, die sind nicht in der Lage, Reformen durchzusetzen, wir haben einen unerträglichen Stillstand. Also der Schritt zur aktiven Politikerin ist mit NEOS passiert und zwar aus dem Wunsch heraus, etwas zu verändern. Zum Besseren.

Wie nutzen Sie das Internet und soziale Medien im Wahlkampf?

Wir nutzen es sehr, sehr intensiv. Die NEOS setzen bewusst auf neue Medien, auf Facebook und Twitter. Aus pragmatischen Gründen – wenn man wenig Geld zur Verfügung hat, ist es ein günstiges Kommunikationsmittel. Und wir glauben, dass wir gerade da sehr viele junge Menschen erreichen.

Zum Wahlprogramm: Was sind die wichtigsten Eckpunkte im NEOS-Programm?

Wir setzen uns für faire Chancen für die Jungen ein. Was wir dringend einfordern, ist eine Bildungsreform. Parteibücher haben in der Schule nichts verloren. Wir wollen Schulen eine umfassende Autonomie geben, Budget- und Personalhoheit. Dazu muss es Bildungsstandards geben, die abgefragt werden. Deshalb setzen sich die NEOS für eine Mittlere Reife mit 15 Jahren ein.

Und für Generationengerechtigkeit: Was wir für Pensionen ausgeben und was wir für Bildung ausgeben – das steht in keinem Verhältnis. Da muss man ein flexibles System schaffen, das sich an die gesteigerte Lebenserwartung von heute anpasst. Flexi-Pension wie in Schweden wäre denkbar, klare Zu- und Abschläge, ein Referenzpensionsalter, das wir bei 65 sehen. Wir wollen das Sprachrohr der nächsten Generation sein – mit der ganzen Wertschätzung den Pensionisten gegenüber. Die haben viel erreicht, viel geleistet – aber eigentlich leben sie auf Pump der nächsten Generation. Wir sind für eine Neuverhandlung des Generationenvertrags, zur Budgetkonsolidierung sollen Luxuspensionen über 5.000 Euro befristet mit einem Solidaritätsbeitrag gekürzt werden.

Welche Themen der NEOS sind besonders auf ältere bzw. jüngere Generationen abgestimmt?

Bildung, aber auch Generationengerechtigkeit sprechen Junge und Ältere an. Die Älteren sehen die enorme Herausforderung für die Jungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gerade bei jungen Familien ein Riesenthema. Deshalb würden wir auch viel mehr investieren in den Ausbau von Kinderbetreuung – die sehen wir auch schon als erste Bildungseinrichtung, nicht als Aufbewahrungsstätte. Da werden die Grundfesten schon gelegt für den späteren Schulerfolg, das wissen wir aus Studien.

Unterscheidet sich der Wahlkampf in Wien von den anderen Bundesländern?

Im Groben nicht. Es sind bundesweit die gleichen Themen. In Wien ist eben unsere Zentrale – und der Bekanntheitsgrad ist höher als in den Bundesländern. Wir haben hier mehr (junge) Mitstreiter, die wir mobilisieren können, die bei Aktionen mitmachen.

Was vor allem in Wien ein Riesenthema ist, das ist der Bereich der Kleinunternehmen, der EPUs. Da gibt es zu viel Bürokratie, ein unpassendes Sozialversicherungssystem und eine Gewerbeordnung, die nicht auf der Höhe der Zeit ist. Die EPUs sind nicht gut genug vertreten und haben keine Lobby. Hier ist eine junge kreative Szene, viele Einzelunternehmen siedeln sich an – das ist ein spezielles Wien-Thema.

Wenn Sie ein Thema umsetzen könnten, dass die Lebensqualität in Wien verbessert, welches wäre das?

Letztlich Bildung. Ich glaube, das ist der wichtigste Hebel für vieles. Das ist der wichtigste Rohstoff, den wir haben in Österreich und für so viele andere Bereiche ganz entscheidend: für die Integrationspolitik, für die Frage der kulturellen Bildung und auch für den Wirtschaftsstandort. Lebensqualität ist ein sehr diffuser Begriff, aber zur Erhaltung des großartigen Lebensstandards, den wir haben in Wien, ist Bildung der Hebel.

Welche Koalition wäre für Sie ein „Albtraum”?

Ich kann mir keine Koalition mit der FPÖ vorstellen. Das würde ich ausschließen. Ich sehe hier wenig Gemeinsamkeiten. Ich vermisse da einen konstruktiven Politik-Zugang.

Sind Sie für eine Offenlegung der Politikergehälter? Und würden Sie ihr Gehalt schon vorab verraten?

Ich bin für eine Offenlegung, aber dagegen, dass eine populistische Debatte entsteht. Ich halte es für wichtig, dass Politiker “gscheit” bezahlt sind. Ich will, dass dort gute Leute sitzen und nicht die, die sonst keinen Job kriegen. Auch die Nebentätigkeiten müssen offengelegt werden, die aber okay sind, ich finde es gut, wenn ein Politiker auch noch ein Standbein im echten Leben hat. Ich bin derzeit ohne Erwerbseinkommen, bekomme aber seit Juni eine Funktionspauschale von 1.250 Euro (vor Steuern). Ich hab zwei kleine Kinder und mein Mann arbeitet Teilzeit, damit wir das mit den Kindern machen können. Und ich hab auch viele Ausgaben – aber ich leg das gerne offen.

Wie lautet Ihre Prognose für die Nationalratswahl 2013?

Ich glaube, dass ÖVP und SPÖ keine Mehrheit mehr haben werden – und ich halte das für großartig. Denn dann wird sich grundlegend etwas ändern müssen und das wird den beiden sehr gut tun, diesen verkrusteten Machtklötzen, die sich das Land aufgeteilt haben die letzten Jahrzehnte. Die zweite Prognose ist, dass die NEOS es reinschaffen, ich geh davon aus. Es schaut gut aus. Es wird eine Dreier-Koalition brauchen – ich wünsche mir eine konstruktive.

Ich fürchte, dass ein Leidtragender dieser Wahl ein prinzipielles Demokratieverständnis in Österreich sein wird. Zum Beispiel Frank Stronach hat gute Ideen, stellt die richtigen Fragen, aber die Antworten sind falsch und sein Stil, mit viel Geld da hineinzumarschieren, das könnte der politischen Landschaft in Österreich nachhaltig schaden. Die SPÖ wird vor der ÖVP liegen, die ÖVP ist glaube ich weit davon entfernt, Nummer 1 zu werden, die Grünen sind gut unterwegs, FPÖ und Stronach sind für mich die größten Fragezeichen – das wird spannend.

Und zum Abschluss: Welche Frage würden sie denn am liebsten gestellt bekommen?

Warum ich mir das eigentlich alles antue (lacht). Eine berechtigte Frage. Weil ich da von meiner Leidenschaft auch erzählen kann, dass ich Politik etwas sehr, sehr Wichtiges finde. Ich finde es schade, dass es keine Politik- sondern eine Politikerverdrossenheit gibt. Ich glaube, dass Menschen in Wirklichkeit schon politisch interessiert sind, Lust haben, sich eine Meinung zu bilden. Ich finde es nicht nur unendlich wichtig, ich find’s großartig. Das ist ein wahnsinnig spannender Bereich, weil Politik ist ja der Ort, wo man sich ausmacht, wie wir miteinander leben, den muss es geben, der muss auch freudvoll sein, der darf nicht so grau und verschmutzt und korrupt sein – er muss Pink sein! (lacht)

Da muss wieder eine Freude hineingehen, auch für junge Menschen, dass sie sagen, das ist eigentlich geil, da kann ich was bewegen. Das ist der Grund, warum ich mir das antu. Denn die Alternative wäre gewesen, nicht mehr wählen zu gehen und dafür bin ich zu jung und ich mag nicht als junger zynischer Mensch durch die Gegend laufen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass man in eine Ohnmacht kommt. Ich find’s traurig, dass so viele Menschen nicht mehr wählen gehen, weil das ist die einzige Stimme, die man hat und es ist wichtig. Wählen gehen!

(DHE)

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