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Natascha Kampuschs Vater: "Ich bin ein neuer Mensch"

Am 23. August, morgen vor einem Jahr, gelang Natascha Kampusch nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft die Flucht vor ihrem Entführer Wolfgang Priklopil.

Seither versucht die 19-Jährige langsam in ein normales Leben zurückzukehren. Vor wenigen Tagen gab die junge Frau, die im Alter von zehn Jahren auf dem Schulweg entführt wurde, ein Fernseh-Interview über ihr Leben ein Jahr nach der Flucht. Im Gespräch mit der APA erinnert sich ihr Vater Ludwig Koch an das vergangene Jahr und spricht über die Anschuldigungen, die in den vergangen Wochen gegen ihn erhoben wurden.

APA: Morgen vor genau einem Jahr ist Ihre Tochter Natascha Kampusch nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft wieder aufgetaucht. Wie geht es Ihnen heute, wenn Sie daran denken?

Koch: Auf jeden Fall freudiger als die achteinhalb Jahre, das war praktisch der Wahnsinn. Das war kein Leben mehr. Ich bin mit diesem 23. August praktisch ein neuer Mensch geworden – praktisch wie neu geboren, konnte wieder zu meinem normalen Leben zurückfinden und anschließen. Ich freu mich jeden Tag, dass die Natascha hier ist.

APA: Wie werden Sie den Tag feiern, ist irgendetwas geplant?

Koch: Eigentlich nicht, ich möchte die Freude, dass mein Kind wieder hier ist, in Ruhe genießen.

APA: Mit Ihrer Tochter Natascha?

Koch: Das wird sich ergeben, das weiß ich noch nicht.

APA: Was hat sich im vergangen Jahr verändert, seit Ihre Tochter wieder da ist?

Koch: Ich bin neu geboren und habe wieder meine sämtlichen geistigen und körperlichen Kräfte gefunden und bin ein neuer Mensch. Wie früher – ich bin menschlich gereift und ich sehe praktisch im Leben die wichtigen Dinge und hab eine ganz andere Einstellung zum Leben als früher. Erstens, dass das höchste Gut auf Erden die eigenen Kinder sind und dass praktisch nichts anderes zählt als Glück und Zufriedenheit. Wenn der Mensch zufrieden ist, das ist praktisch der größte Reichtum, den man überhaupt haben kann.

APA: Gab es im vergangene Jahr ein Erlebnis mit Natascha, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Koch: Ich hab mit der ganzen Familie einen Ausflug in die Wachau gemacht, unter anderem haben wir die Ruine Ackstein in der Wachau besucht und da hat sie sich praktisch das erste Mal – ist mir so vorgekommen – richtig wie eine unbekümmerte junge Dame, einmal wirklich frei bewegen können. Das war der Wahnsinn. Das hat mir irrsinnig viel gegeben.

APA: In den vergangenen Wochen hat es ja viel böses Blut wegen dem Buch Ihrer Ex-Frau Brigitta Sirny gegeben, in dem Sie nicht gut wegkommen. Was sagen Sie zu den Anschuldigungen darin?

Koch: Was soll ich dazu sagen – es kann sich jeder selbst ein Bild machen, und ich glaube, wenn diese Vorwürfe zutreffen würden, dann hätte ich die achteinhalb Jahre sicher nicht durchgestanden. Jeder der mich kennt weiß, dass das sicher nicht stimmt. Ich bin in meinem ganzen Leben vor nichts davongelaufen und habe auch jede Schuld eingestanden, aber nur Unwahrheiten und Anschuldigungen lasse ich mir sicher nicht gefallen. Ich weiß ja die Wahrheit und bin mir keinerlei Schuld bewusst. Ich möchte nur die Wahrheitsfindung. Recht soll Recht bleiben.

APA: Wird es also rechtliche Schritte geben?

Koch: Ich habe gesagt, Recht soll Recht bleiben. Wenn irgendwelche Sachen, die geprüft worden sind, dem nicht entsprechen, dann werde ich sicher Maßnahmen ergreifen. Dass es so weit gekommen ist, das war sicher nicht in meinem Interesse und ich bin der Letzte, der vor Gericht geht. Ich wollte das sicher nicht.

APA: Im Fernseh-Interview hat sich Ihre Tochter gegen einen öffentlichen Streit ausgesprochen. Sie vergleicht eine solche Situation mit den Familien Lugner und Osbourne. Was sagen Sie dazu?

Koch: Das waren vielleicht unbedachte Aussagen, aber ich möchte mich in keiner Weise weder mit diesen noch mit jenen vergleichen, ich möchte ein ganz normaler Mensch sein, wie jeder andere. Aber nur verleumden werde ich mich sicher nicht lassen. Das muss mein geliebtes Kind auch einsehen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass sie einen Vater will, der ein Lügner, der ein Säufer ist oder was auch immer sie sagt. Ich glaube kaum, dass sie das selber will.

APA: Aber aus Ihrer Sicht wird es nicht zu einer solchen Situation kommen?

Koch: Von meiner Sicht aus nicht. Ich weiß nicht, was ihre Mutter will oder vorhat. Weil mit einer einzigen Erklärung, wenn sie das alles zurücknimmt, wäre das alles getan. Die Bücher sind ja geschrieben. Sie müsste also einen Weg finden, wie man das aus dem Weg kehrt. Man sollte Natascha zu Liebe alles versuchen, damit sich alles wieder normalisiert.

APA: Ihr Tochter erwähnt auch, dass Sie es Ihr schwerer machen in ein normales Leben zurückzukehren durch Ihre „Mediengeschichten“. Was sagen Sie dazu?

Koch: Das müsste sie mir erst einmal näher definieren, ob ich irgendwann etwas Schlechtes gesagt habe oder irgendwann schlecht weggekommen bin. Und ich möchte eines sagen, ich bin noch nie zu Medien gegangen, sei es Printmedien oder Fernsehen. Sie sind alle zu mir gekommen. Sie sind jetzt auch zu mir gekommen. Ansichten sind verschieden. Sie kann es mir ja definieren.

APA: Aus Ihrer Sicht erschweren Sie die Rückkehr in ein normales Leben nicht?

Koch: Sicher nicht, in keinster Weise. Ich möchte nur, dass mein Kind glücklich und zufrieden ist.

APA: Wie war es für Sie, Ihre Tochter im Fernsehen beim Interview zu sehen – in Barcelona, bei der ersten Fahrstunde?

Koch: Es ein wunderschönes Gefühl, dass sie eine so liebe junge Frau geworden ist – ich bin richtig stolz auf sie. Ich hab irgendwie – das hab ich schon zig Mal gesagt – meine eigene Mutter wieder gesehen. Ihre Schlagfertigkeit und wie sie mit allem umgeht.

APA: Sie erwähnt dabei auch, dass es lange dauern wird, bis sie wieder vertrauen kann. Was sagen Sie als Ihr Vater dazu?

Koch: Da hat sie vollkommen recht. Sie war achteinhalb Jahre in Gefangenschaft, die kann man von einem Tag auf den anderen nicht wegstecken. Ich würde alle Menschen bitten, man soll ihr Zeit geben. Sie hat sich’s verdient. Und wenn sie manchmal unbedachte Äußerungen macht, kann man ihr keinen Vorwurf machen. Man muss ihr Zeit geben, damit sie wieder zu sich selber findet.

APA: Wie ist Ihr Verhältnis zu Natascha heute?

Koch: Genauso wie vorher, weil das was da drinnen ist (deutet auf sein Herz, Anm.), das kann man nicht löschen.

APA: Wie oft sehen Sie sich?

Koch: Jetzt aufgrund dieser Vorkommnisse und dem Einfluss der Mutter haben wir uns längere Zeit nicht gesehen. Aber ich hoffe, dass sich das irgendwann einmal – möglichst schnell – normalisiert.

APA: Welche Zukunftswünsche haben Sie für Ihre Tochter und sich selbst?

Koch: Dass sie wieder in ein glückliches Leben findet und dass wir gemeinsam eine wunderschöne Zukunft haben. Da denk ich weniger an mich, sondern nur an das Beste und Glück für mein Kind. Für mich ist das Bewusstsein, dass mein Kind nicht tot ist, dass mein Kind hier ist und dass es ihm gut geht, die Belohnung für die achteinhalb Jahre. Da bin ich hellauf zufrieden.

APA: Was sagen Sie zu ihrem Wunsch, das Haus in Strasshof besitzen zu wollen?

Koch: Wenn sie glaubt, dass das richtig ist, dann finde ich das auch in Ordnung. Man sollte diesen Wunsch respektieren.

APA: Glauben Sie, dass Ihre Tochter mit dem Buch Ihrer Mutter wirklich einverstanden ist?

Koch: Da bin ich mir hundertprozentig, da bin ich mir hundertprozentig sicher, dass sie nicht zufrieden ist damit.

APA: Wie kommen Sie darauf?

Koch: Da soll sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild machen. Weil jeder, der das liest oder sieht oder hört oder der uns hört oder Natascha, soll sich selbst ein Bild machen.

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