In den letzten Wochen seines Mitte Mai auslaufenden Mandats übernimmt Staatspräsident Giorgio Napolitano mit seinen 87 Jahren erneut die Hauptrolle bei der Suche nach einem Ausweg aus dem politischen Vakuum in Rom. Das Staatsoberhaupt startete am Freitag mit Konsultationen mit den Parteien.
Erfahrener Drahtzieher
Der Ex-Kommunist Napolitano ist ein erfahrener Drahtzieher: Im November 2011 hatte er den damaligen Premier Silvio Berlusconi zum Rücktritt gezwungen und ihn durch den parteiunabhängigen Wirtschaftsprofessor Mario Monti ersetzt. Doch die Lage nach dem Patt bei den Parlamentswahlen vor über einem Monat ist derart verstrickt, dass auch der wendige Napolitano unschlüssig erscheint.
Der italienische Präsident, der laut Verfassung über beschränkte Kompetenzen verfügt und hauptsächlich eine Notarsfunktion innehat, indem er vom Parlament verabschiedete Gesetze unterzeichnet, spielt bei der Regierungsbildung eine wichtige Rolle. Laut Verfassung kann er einem Premierkandidaten den Auftrag zur Bildung eines Kabinetts erteilen oder Neuwahlen ausschreiben, sollte er feststellen, dass eine Regierungsbildung unmöglich ist. Neuwahlen sind allerdings im letzten Halbjahr vor Ende des Präsidenten-Mandats nicht möglich. Damit in Italien ein neuer Urnengang stattfinden könnte, müsste zuerst ein Nachfolger Napolitanos gewählt werden. Doch das Parlament ist sich durchaus noch nicht im Klaren, wer zum neuen Staatschef aufrücken könnte.
Erneut Technokraten-Regierung?
Als einzige Lösung für den politischen Stillstand erachten politische Beobachter, dass Napolitano einen Außenseiter mit der Bildung einer breiten Mehr-Parteien-Koalition oder einer neuen Technokraten-Regierung beauftragt, ähnlich wie die des scheidenden Ministerpräsidenten Mario Monti. Wer dies jedoch sein könnte, ist unklar. Als mögliche Kandidaten gelten unter anderem der angesehene Jurist Stefano Rodotà, und der Generaldirektor der italienischen Notenbank, Fabrizio Saccomanni. Dieser wäre für die internationalen Finanzmärkte eine Garantie, dass Italien seinen eingeschlagenen Sanierungsweg fortsetzt. Spekuliert wird auch über die Namen des Verfassungsgerichtspräsidenten Franco Gallo und des Ex-Premiers Giuliano Amato.
Nach der Erfahrung mit der Regierung Monti scheint es jedoch unwahrscheinlich, dass sich Berlusconi und Bersanis Mitte-links-Allianz zu einem weiteren Expertenkabinett überreden lassen. Die beiden Lager müssten im Parlament wieder die unpopulären Entscheidungen des Fachleutekabinetts im Wirtschaftsbereich unterstützen. Die Protestbewegung “Fünf Sterne” um den Starkomiker Beppe Grillo, die dann die einzige mächtige Opposition wäre, könnte weiterhin an Zustimmung gewinnen.
Grillo will Italien “revolutionieren”
Grillo sorgt nach wie vor für Eklat. Er fordert jetzt einen Amtsverbleib des scheidenden Kabinetts um Monti. “Das Parlament kann auch ohne Regierung funktionieren und Beschlüsse fassen, um das Land zu erneuern. Das Parlament braucht keine Regierung, um ein Wahlgesetz durchzubringen”, meinte Grillo. Seine Gruppierung erklärte sich bereit, eine Minderheitsregierung zu bilden und die Führung des Landes zu übernehmen. “Wir sind bereit, Italien zu revolutionieren”, verlautete es kämpferisch auf der Grillo-Blog.
In dieser verworrenen Situation drängt Berlusconis Block auf Neuwahlen. Der Medienzar spürt Rückenwind. Sollte es zu einem neuen Urnengang kommen, würde seine Mitte-rechts-Kraft “Volk der Freiheit” mit 26,2 Prozent zur stärksten Einzelpartei im Parlament aufrücken, geht aus einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SWG hervor.
(APA)
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