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Muskeln und Medikamente

Bei einem zu hohem Cholesterinspiegel scheint diese Kombination am nützlichsten.

Die Hysterie um das Cholesterin ist Vergangenheit. Auch die Medizin behandelt diese Thematik inzwischen pragmatisch. Das tägliche Frühstücksei geht heute ebenso unbedenklich durch wie ein Gläschen Rotwein. Zumal die Ernährung den Cholesterinspiegel nur geringfügig beeinflusst, weil lediglich ein Drittel des Cholesterins aus der Nahrung aufgenommen wird. Bewegung kann diesbezüglich schon mehr leisten. „Personen mit einem Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall brauchen jedoch Medikamente, um das Cholesterin auf ein für das System verträgliches Maß zu reduzieren“, erklärte Dozent Dr. Christoph Säly beim Mini Med-Vortrag im Panoramasaal des LKH Feldkirch. Und er betonte, dass trotz allem auch jene, die sich gesund fühlen, eine Cholesterinwertbestimmung durchführen lassen sollten, um gegebenenfalls frühzeitig eingreifen zu können. Der einfache Grund: „Den Cholesterinspiegel sieht man niemandem an“, so Säly.

Unangenehme Eigenschaft

Es sind unsere Zellen, die das Cholesterin brauchen. Da es sich um ein nicht wasserlösliches Fett handelt, wird für den Transport durch den Blutkreislauf eine „Verpackung“ benötigt,  die in diesem Fall aus Eiweißpartikeln besteht. Sie sind auch entscheidend für die Qualität des Cholesterins. Deshalb spricht die Medizin von „schlechtem“ (LDL) und „gutem“ Cholesterin (HDL). „Während das LDL die Last in die Gefäße liefert, sorgt das HDL für den Abtransport“, veranschaulichte Christoph Säly die Funktionsweise.

Würde dieses Hin und Her reibungslos funktionieren, wäre Cholesterin kein Problem. Doch das LDL hat im Verbund mit dem Blutdruck die unangenehme Eigenschaft, sich an die Arterienwände zu pressen und dort haften zu bleiben. Kommt noch ein zu hoher Blutdruck dazu, verstärken sich die Auswirkungen. Den Venen kann das Cholesterin hingegen nichts anhaben. „Bluthochdruck und Cholesterin schädigen die Gefäße also gemeinsam“, erklärte Säly. Die Folgen können Herzinfarkt, Schlaganfall und die Schaufensterkrankheit sein. Sie wird von verstopften Beinarterien ausgelöst.

Jeder hat Ablagerungen

Beim Herzinfarkt kommt es zu einem Absterben von Herzgewebe. Ursache ist ein Verschluss jener Gefäße, die das Herz mit Blut versorgen. „Geringe Ablagerungen haben fast alle von uns und eine Durchblutung von 90 Prozent reicht“, beruhigte der Internist. Kritisch wird es, wenn sich die Durchblutung des Herzens aufgrund vermehrter Ablagerungen sukzessive reduziert oder eine Ablagerung aufbricht. Dann reagiert das Gefäß mit einer Verklumpung der Blutplättchen, was ebenfalls zu einer Minderdurchblutung führt. „Fünf Prozent reichen gerade noch, um den Herzinfarkt zu verhindern. Diese Leute müssen aber sofort behandelt werden“, betonte Christoph Säly. Er verwies darauf, dass auch kleine Ablagerungen aufbrechen und einen Herzinfarkt verursachen können. Aber: „Je mehr gutes Cholesterin, umso geringer ist das Risiko für einen Herzinfarkt.“

Fettes lieber meiden

Zwei Drittel des Cholesterins werden in der Leber gebildet. „Das heißt, durch die Ernährung lässt sich der Cholesterinspiegel kaum günstig beeinflussen“, musste Dr. Christoph Säly einräumen. Die Wirkung cholesterinsenkender Nahrungsmittel wie Knoblauch, Bärlauch, Artischocken oder Grapefruit ist verschwindend gering, außer, man würde die Patienten einer extremen Diät aussetzen. Fettes wie Eigelb, Innereien, Butter sowie Schalen- und Krustentiere sollte man trotzdem in bescheidenem Maße genießen.

Gute Verträglichkeit

Die beste Waffe im Kampf gegen zu viel schlechtes Cholesterin besteht offenbar in einer Kombination aus Bewegung und Medikamenten. Wobei die sogenannten Statine am besten bewertet werden. „Sie unterdrücken die Bildung von Cholesterin in der Leber, sodass sich die Zellen mehr aus dem Blut holen müssen“, erklärte Säly den Mechanismus. Ähnlich verhält es sich bei der Bewegung. Beanspruchte Muskeln holen sich mehr Nährstoffe aus dem Blut.

Der Internist attestierte Statinen eine „starke Wirkung“ bei guter Verträglichkeit. In 14 Studien mit rund 90.000 Patienten bestätigte sich außerdem der Nutzen in Form rückläufiger Todesfälle und Gefäßerkrankungen. Es brauche auch niemand Angst vor einer zu starken Cholesterinsenkung haben. „Der Cholesterinwert kann nie zu niedrig sein“, versicherte Dr. Christoph Säly. Außerdem spiele bei der Beurteilung immer auch die jeweilige Konstitution des Patienten eine Rolle. Abschließend warnte der Internist, der neben seiner ärztlichen Tätigkeit am VIVIT-Institut zum Thema forscht, vor Informationen aus „Taschenbüchern und Internet“. Denn gerade Herzkreislauf-Erkrankungen würden genau wissenschaftliche Daten erfordern.                VN-mm

Zielwerte für Gesamtcholesterin:

» bei kranken Gefäßen: 100 Milligramm/Deziliter LDL und 130 HDL
» bei gesunden Gefäßen: 160 Milligramm/Deziliter LDL und 200 HDL

FRAGEN AUS DEM PUBLIKUM

Sind Medikamente wirklich das einzig Hilfreiche gegen zu viel Cholesterin?

SALY: So kann man das nicht sagen. Es hängt davon ab, wie gesund die Gefäße noch sind. Gesunde Gefäße tolerieren auch einen höheren Cholesterinwert. In einem solchen Fall wird man keine Tabletten verschreiben, sondern zu mehr Bewegung und einer gesunden Ernährung raten. Das gilt vor allem bei jungen Leuten mit nur geringen Ablagerungen. Anders verhält es sich bei einem erhöhten Herzinfarktrisiko. Da helfen Statine tatsächlich am besten.

Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?

SALY: Also insgesamt sind die Statine sehr gut verträglich. Aber sie haben wie jedes Medikament natürlich Nebenwirkungen. So klagen Patienten beispielsweise mitunter über Muskelbeschwerden. In seltenen Fällen kann es zur Muskelauflösung kommen. Aber wichtig ist: Man sollte sich keine Angst einreden.

Müssen die Statine bei einem Schlaganfallrisiko ein Leben lang eingenommen werden?

SALY: Eines vorweg: Man wird von Statinen nicht abhängig und man kann sie jederzeit absetzen. Wirksam sind sie jedoch nur für die Dauer der Behandlung.

Können Hormone die Bildung von LDL-Cholesterin beeinflussen?

SALY: Hormone wirken stärker auf das HDL-Cholesterin. Frauen haben übrigens von Natur aus mehr gutes Cholesterin. Da sind sie genetisch bevorzugt. Nach dem Wechsel geht aber auch das HDL zurück und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall steigt. Ursprünglich meinte man, eine Hormonbehandlung könnte das ändern. Studien zeigten aber, dass sich eine solche Therapie die Verklumpung des Blutes begünstigt und damit die Herzinfarkt- und Schlaganfallgefahr erhöht.

Wenn ein Ultraschall der Halsschlagader positiv ausfällt, sind dann auch die Herzkranzgefäße in Ordnung?

SALY: Die einfachste Methode ist tatsächlich, sich die Halsschlagader anzuschauen. Ins Herz sieht man sehr schlecht hinein. Wenn an der Halsschlagader keine Ablagerungen festzustellen sind, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass beim Herz auch nicht viel sein wird. Das ist aber keine Garantie.

Kann ein zu hohes Cholesterin genetisch bedingt sein?

SALY: Es ist sogar die Hauptursache für einen zu hohen Cholesterinspiegel. Vor allem das Ausmaß der Bildung von Cholesterin in der Leber ist stark genetisch bedingt. Hier empfehle ich immer, dass sich die ganze Familie untersuchen lässt.

Gibt es Unterschiede bei den Medikamenten?

SALY: Ja, wir verfügen über starke und schwächer wirkende Statine. Die stärkeren Medikamente sind viel teurer und es gibt noch keine Generika. Die Entscheidung, wer welches Statin erhält, hängt aber immer vom Risiko ab.

Müssen Statine am Abend eingenommen werden?

SALY: Das gilt nicht für alle. Tabletten, die nur kurz im Körper bleiben, sollten tatsächlich abends eingenommen werden, weil das Cholesterin in der Nacht produziert wird. Präparate, die länger im Körper bleiben, können auch am Tag eingenommen werden.

Können Sie eine gute Ernährungsfibel empfehlen?

SALY: Darin wird leider sehr viel Sinn mit Unsinn vermischt. Ich rate, auf die Empfehlungen offizieller Gesellschaften zurückzugreifen. Denn die haben eine wissenschaftliche Basis. Was aber immer gilt: Nicht zu viel essen, zu Ballaststoffen, Obst und Gemüse greifen, gute Fette verwenden, nicht zu viel rohes Fleisch essen: Das alles beeinflusst die Gesundheit insgesamt.

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