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Musik, Sport und dann der Aufruf zum Völkermord

„Hate Radio“ ist die jüngste Produktion des International Institute of Political Murder (IIPM), das vor vier Jahren von Milo Rau zur Re-Inszenierung geschichtlicher Ereignisse gegründet wurde.
„Hate Radio“ ist die jüngste Produktion des International Institute of Political Murder (IIPM), das vor vier Jahren von Milo Rau zur Re-Inszenierung geschichtlicher Ereignisse gegründet wurde. ©KUB/Tretter
Bregenz - In seinem bislang politischsten Projekt hinterfragt das KUB die Rolle von Medien.

„Wenn die Geschichte etwas lehrt, dann dass der Mensch immer so sadistisch ist, wie das Gesetz es ihm erlaubt“, erklärte der Schweizer Journalist, Wissenschafter und Theaterautor Milo Rau, der das Publikum mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert. Mit „Die letzten Tage der Ceausescus“ hat er für Diskussionen gesorgt und wesentliche Fragen aufgeworden, neuerdings beschäftigt er sich mit dem Genozid – jenem im Jahr 1994 in Ruanda. Zur Erarbeitung von solchen Projekten hat er vor wenigen Jahren das International Institute of Political Murder (IIPM) gegründet, ein Netzwerk von Künstlern und Forschern, die nachgespielte Ereignisse recherchieren.

Nachdem ein enorm vielschichtiges Reenactment-Vorhaben, das auch für die europäische Geschichts-, Rassismus- und Medienforschung von Bedeutung ist, kurz vor der Uraufführung steht, hat Eva Birkenstock, Kuratorin am Kunsthaus Bregenz, Milo Rau zur Präsentation von „Hate Radio“ eingeladen, bevor Aufführungen in Deutschland (u. a. in Berlin) und der Schweiz stattfinden.

Die Beschäftigung mit Medien, Performance und Theater, die das Programm der KUB-Arena nun unter Direktor Yilmaz Dziewior dominiert, erfährt damit – parallel zur großen Ausstellung von VALIE EXPORT – ein immens politisches Ausmaß.

Wichtige Korrektur

Der Fachmann und Autor Lennart Laberenz lässt in seinem Bericht über den ruandischen Genozid von 1994 den ehemaligen Südafrika-Korrespondenten der Zeit, Bartholomäus Grill, zu Wort kommen, der damals von einem „grausamen Stammeskrieg“ berichtete und angab, sich heute dafür zu schämen, weil er unverzeihliche Irrtümer enthielt. Weitere Blätter folgten ähnlich der offiziellen Lesart und berichteten von einem Einmarsch der Tutsi in die Nachbarländer. Das Verkennen der Situation führte bekanntermaßen auch zur Untätigkeit der Vereinten Nationen, die später kritisiert wurde.

Verkürzt dargestellt war der Auslöser des Genozids, bei dem während weniger Wochen mehr als eine Million Menschen geradezu abgeschlachtet wurden, die Postulierung, dass die Hutu die ausgebeuteten Opfer der zugewanderten Tutsi seien. Säuberungen – wir kennen das auch aus der europäischen Geschichte – seien die beste Lösung. In einem Land – einer ehemaligen Kolonie europäischer Mächte –, in dem es zudem ein Leichtes war, demokratische Regeln zu missbrauchen, funktionierte die Formel umgehend.

Hetzreden per Radio

Rebellen und Miliz wurden von einer Propanda unterstützt, bei der der Sender Radio-Télévision Libre de Mille Collines (RTLM), bei dem auch ein Europäer beschäftigt war, eine nachgewiesen maßgebliche Rolle spielte. Das Programm bestand aus Pop-Musik, Sportberichten, brutalen Hetzreden und regelrechten Aufrufen zum Mord. Studien zufolge waren die meisten Täter junge Männer, bei denen die fatale Mischung ankam.

Das IIPM hat für „Hate Radio“ mit inzwischen inhaftierten Moderatoren des Radiosenders ebenso Interviews geführt wie mit Angehörigen von Opfern. Dem Rhythmus von extremem Hass und sentimentaler Musik hat Milo Rau nachgespürt. Erscheinungsformen rassistischer Gewalt sollen transparent werden.

Voraufführungen am 2. November, 19 Uhr, und 4. November, 18.30 Uhr. Im Anschluss finden jeweils Podiumsdiskussionen statt. Weitere Veranstaltungen bis 19. November: www.kunsthaus-bregenz.at

(VN)

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