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Mörbisch: Das "Weiße Rössl" im Wechselbad der Gefühle

Die Seefestspiele in Mörbisch feierten am Donnerstag Premiere. Trotz effektvoller Bühnengestaltung und lobenswerter Regie kann Intendant Harald Serafin nicht an die vergangenen Erfolge anknüpfen. Premierenbericht:  

Es war ein lauer Sommerabend gestern, Donnerstag, am Neusiedler See. Lau im doppelten Sinne: Denn mit dem Singspiel “Im Weißen Rössl” konnte Intendant Harald Serafin nur teilweise an die Erfolge der vergangenen Jahre anknüpfen – vor allem Zabine Kapfinger entpuppte sich in der Rolle der Rössl-Wirtin als völlige Fehlbesetzung. Im Vergleich dazu überzeugten Rainhard Fendrich als “Leopold” und Klaus Eberhartinger als “Sigismund” auf ganzer Linie – und spielten sich in das Herz des Publikums.

Die Cinemascope-Bühne der Seefestspiele von Mörbisch zu bespielen ist kein leichtes Unterfangen. Schon in früheren Zeiten sind einige Regisseure an den enormen Dimension dieser Bühne gescheitert. Regisseur Karl Absenger hat diese Herausforderung jedoch mit Bravour gemeistert. Mit viel Liebe zum Detail und einigem Geschick positioniert er das Geschehen über die ganze Bandbreite und sorgt für hübsche, großflächige Bilder. Perfekt unterstützt wird er dabei vom Bühnenbild Rolf Langenfass’. Einerseits hat der Ausstatter (Kostüme inklusive) die kitschig-ländliche Atmosphäre des Salzkammergutes gut eingefangen, andererseits mit einer großen Show-Bühne auf der Bühne den notwendigen Raum für die Revue-Nummern geschaffen. Nur fehlt es in Summe leider noch an den richtigen Anschlüssen in der Interaktion von Hauptdarstellern, Ballett und Komparserie. Ein Umstand, der sich hoffentlich mit den nächsten Vorstellungen verbessern lässt.

Rainhard Fendrich gibt einen lustigen Oberkellner Leopold, der sich mit Charme und überzeugendem Gesang sein Publikum zu erobern vermag. Nur manchmal rückt er in seiner Performance etwas gefährlich nahe an den Rollentypus Praterstrizzi. Damit vergibt er sich einige Chancen. Vergebens freilich sind sämtliche Bemühungen von Musiktheater-Debütantin Zabine Kapfinger. Wenig schauspielerisches Talent, kaum erkennbare Singstimme und überhaupt kein Timing machen aus ihrer “Rösslwirtin” eine minderbegabte Bauernmagd. Da hilft es auch nichts mehr, dass die ehemalige Jodl-Königin den Erzherzog-Johann-Jodler zum Besten gibt.

Ein wunderbarer Musik-Komödiant ist dagegen Klaus Eberhartinger. Sein “Schöner Sigi” wird in die Mörbischer Geschichte eingehen. Sehr ordentlich besetzt und in Summe recht amüsant sind Rafael Schuchter als “Piccolo”, Klaus-Dieter Lerche als “Giesecke” und Erik Göller als “Dr. Hinzelmann” mit Tochter “Klärchen” alias Ina Nadine Wagler. Marco Jentsch mit seinem sanften Operetten-Tenor gibt einen achtbaren “Dr. Siedler” und betört routinemäßig seine “Ottilie”, die adrette Anja-Katharina Wigger. Nicht zu vergessen: Intendant Serafin als “Kaiser Franz Joseph”: Eine Mords-Gaudi, wenn auch auf Musikantenstadl-Niveau.

Was wären jedoch die Seefestspiele Mörbisch ohne großes Ballett und aufwendige Revue? Daher dürfen die Damen und Herren des Corps de ballet sich auf voller Bühnenbreite in der geschmackvollen Choreographie von Giorgio Madia vom Kuhtanz über Calypso bis hin zur Revue-Kette voll ausleben – von etlichen Schlampereien einmal abgesehen. Schade nur, dass es jetzt auch in Mörbisch üblich geworden ist, Teile der Musik vom Band einzuspielen. Rudolf Bibl, der geniale langjährige musikalischer Leiter, hätte durchaus ein vollwertiges Orchester verdient.

Ralph Benatzky: “Im Weißen Rössl”, Libretto von Hans Müller und Erik Charell, Regie: Karl Absenger, Bühnenbild und Kostüme: Rolf Langenfass, Musikalische Leitung: Rudolf Bibl, Choreografie: Giorgio Madia. Mit Zabine Kapfinger – Wirtin Josepha Vogelhuber, Rainhard Fendrich – Zahlkellner Leopold Brandmeyer, Klaus-Dieter Lerche – Wilhelm Giesecke, Anja-Katharina Wigger – Ottilie, Marco Jentzsch – Dr. Otto Siedler, Klaus Eberhartinger – Sigismund Sülzheimer, Harald Serafin – Kaiser Franz Joseph, u.v.a., Seefestspiele Mörbisch, Nächste Vorstellungen am 11., 12., und 13. Juli; bis 24. August, Beginn 20.30 Uhr.

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