Der Pförtner am Werkstor winkte dem Lkw-Fahrer noch freundlich zu. Auf der Ladefläche standen palettenweise Videorecorder – Adressaten waren aber nicht nur Kunden, sondern auch der Mitarbeiter selbst. Ein anderer Mitarbeiter stellte täglich auf der Außenmauer zwei Schachteln mit Textilien ab – und nahm sie auf dem Nachhauseweg mit.
Tabuthema
Das sind keine Einzelfälle. Doch sogenannte “Inventurdifferenzen” werdenweiterhin mit spitzen Fingern angegangen. Zumindest die Einzelhändler haben das Schweigen teilweise gebrochen. Demnach geht rund jeder fünfte aller Ladendiebstähle auf das Konto von Mitarbeitern und Inhabern und zehn Prozent auf die Rechnung von Lieferanten. Das sind im Vergleich wenig Delikte, während die Summen relativ hoch sind, so ein Beamter der Kriminalabteilung in Bregenz. 70 Prozent entfallen auf Kundendiebstähle.
Das Thema Mitarbeiterdiebstahl bleibt in vielen Unternehmen ein Tabu. Selbst wenn es Beweise gegen Verdächtige gibt, werde oft stillgehalten. Eine Kündigung, die normalerweise auf Mitarbeiterklau steht, findet oft genug nicht statt. So bekam ein Buchhalter, der erfundenen Phantom-Mitarbeitern monatelang satte Gehälter zahlte, noch ein gutes Zeugnis ausgestellt und wurde danach bei einem anderen Unternehmen wieder in gleicher Funktion beschäftigt. Kein Zufall: Meist wird aus Imagegründen auf eine Anzeige verzichtet, erklärt ein Fahnder. Käme es zu einem Prozess, würde das zu viel Staub aufwirbeln.
Die meisten Mitarbeiterdiebstähle bleiben unentdeckt. Ob Detektive, Artikelsicherung, Kameraüberwachungsanlagen oder Kontrollspiegel – viele Gegenmaßnahmen versagen, weil sich Mitarbeiter oder Lieferanten im Unternehmen nur zu gut auskennen. Betriebsinterne Ermittlungen sind oft problematisch, erklärt Dr. Manfred Fiel, Geschäftsführer der Handelssparte in der Vorarlberger Wirtschaftskammer: In einem Betrieb sollte schließlich ein gewisses Vertrauensverhältnis vorhanden sein.
40 Millionen Euro
Laut vorsichtigen Schätzungen des Innenministeriums kommen in Vorarlberger Betrieben durch Ladendiebstähle jährlich Waren und Gegenstände im Wert von 40 Millionen Euro abhanden. Österreichweit beträgt der Sachschaden rund eine Milliarde Euro.
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