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Mindestsicherung - Vorarlberg verzichtet auf generellen Deckel

Landeshauptmann Markus Wallner und Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker haben im heutigen (Dienstag, 17. Jänner) Pressefoyer die Neuregelung bei der Mindestsicherung vorgestellt.
Landeshauptmann Markus Wallner und Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker haben im heutigen (Dienstag, 17. Jänner) Pressefoyer die Neuregelung bei der Mindestsicherung vorgestellt. ©VLK
Bregenz - Vorarlberg setzt bei der Mindestsicherung künftig auf Kürzungen der Richtsätze bei Wohngemeinschaften, bei der Anerkennung von Wohnkosten, bei den Kinderrichtsätzen sowie auf mehr Sachleistungen und Anreize für den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt. Eingespart werden sollen damit drei Mio. Euro pro Jahr. Auf einen generellen Deckel hat die schwarz-grüne Landesregierung verzichtet.
Mindestsicherung Neu vorgestellt

Der Vorarlberger Weg werde von Tirol fast 1:1 mitgetragen, verkündete Landeshauptmann Markus Wallner bei der Präsentation der neuen Regelung für die Vorarlberger Mindestsicherung am Dienstag im Anschluss an die Regierungssitzung in Bregenz. “Wir zeigen damit, dass in Österreich zumindest zwei Bundesländer in der Lage sind, bei diesem schwierigen Thema eine einheitliche Lösung zustande zu bringen”, betonte der Vorarlberger Landeschef, der auch kein Hehl daraus machte, dass ihm eine gesamtösterreichische Regelung lieber gewesen wäre. Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher ist in Vorarlberg vor allem wegen der starken Zunahme anerkannter Flüchtlinge seit 2010 um 57 Prozent gesiegen. Die Ausgaben (Land und Gemeinden) haben sich im selben Zeitraum von 18,1 Mio. Euro auf 37,5 Mio. Euro mehr als verdoppelt.

Wohnkosten

Konkret gilt bereits ab 1. Jänner in Vorarlberg ein neuer Mindestsicherungssatz für Wohngemeinschaften. Personen, die in WG leben – “das betrifft in erster Linie Asylberechtigte, die in Grundversorgungsquartieren verbleiben” -, erhalten anstatt bisher 630 Euro nur noch eine Geldleistung von 473 Euro. Die Kosten für das Zimmer übernimmt das Land als Sachleistung. Man gehe dabei von 200 bis 250 Euro aus, konkretisierte Wiesflecker.

Die Übernahme der Wohnkosten wird je nach Haushaltskonstellation begrenzt. Die Anpassungen werden laut Wallner zwischen 0 und 20 Prozent liegen. Darüber hinaus gehende Wohnkosten müssen aus dem Lebensunterhalt finanziert werden. Eine allein stehende Person erhält demnach beispielsweise künftig für die Finanzierung des Wohnbedarfs nur noch einen Höchstsatz von 503 Euro brutto inklusive allgemeine Betriebs- aber ohne Heizkosten (anstatt wie bisher 529 Euro). Damit werde der höchst anerkannte Wohnsatz zwar reduziert, man gehe dabei aber “sehr individuell” vor. “Das heißt, wir schauen uns jede Familiensituation an”, argumentierte die Soziallandesrätin und intensiviere parallel die Bemühungen “leistbaren Wohnraum” auf den Markt zu bekommen.

Mindestsicherung für Kinder

Die Mindestsicherungsrichtsätze für Kinder werden in Vorarlberg nach dem neuen Modell gestaffelt. Ab dem vierten Kind wird dieser von indexiert 184 Euro auf 126 Euro pro Monat reduziert, ab dem siebenten Kind auf 101 Euro. Das Land mache damit “eine leichte Gegenentwicklung” zur “sehr progressiven Ausgestaltung der Familienbeihilfe des Bundes”, die ab dem vierten und dann wieder ab dem siebenten Kind deutlich zunimmt, so Wiesflecker.

Der Vorarlberger Familienzuschuss, der als Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldes bis zum Alter von vier Jahren des Kindes gedacht ist, wird in Zukunft in das Einkommen mit einberechnet und damit wie andere Transferleistungen behandelt. Zudem will man auch weiterhin verstärkt auf Sachleistungen setzen. Die zu Beginn des Jahres 2016 eingeführte Integrationsvereinbarung wird gesetzlich in der Mindestsicherung verankert. Wallner kündigte in diesem Zusammenhang ab Mitte Februar genaue Kontrollen an. Asylberechtigte, die die Integrationsvereinbarung nicht erfüllen, müssen dann mit einer Kürzung der Mindestsicherung um bis zur Hälfte rechnen.

Integration in den Arbeitsmarkt

Als “allerallerwichtigste Zielsetzung” des Vorarlberger Mindestsicherungsmodells bezeichnete Wallner die Integration von Mindestsicherungsbeziehern in den Arbeitsmarkt. Zur Verbesserung des beruflichen Wiedereinstiegs wird deshalb die Freibetragsgrenze für “Aufstocker” von 17 auf maximal 30 Prozent erhöht. Das entspreche in etwa 300 Euro, die bei der Berechnung der Mindestsicherung als Ergänzungsleistung unberücksichtigt bleiben, führte Wiesflecker aus.

In Kraft treten werden die neuen Regelungen ausgenommen der Wohngemeinschaftssätze ab 1. Juni. Die Beschlussfassung im Landtag soll Anfang April erfolgen. Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher ist in Vorarlberg vor allem wegen der starken Zunahme anerkannter Flüchtlinge seit 2010 um 57 Prozent gesiegen. Die Ausgaben (Land und Gemeinden) haben sich im selben Zeitraum von 18,1 Mio. Euro auf 37,5 Mio. Euro mehr als verdoppelt.

Caritas mit Kritik

Caritasdirektor Walter Schmolly begrüßt, dass mit der Neuregelung wichtige „rote Linien“ nicht überschritten werden und keine Pauschaldeckelung kommt. Dennoch treffe es die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Einschnitte bei der Deckung des Wohnbedarfes und das Ziel einer Aktivierung in den Arbeitsmarkt erfordern nun entsprechende Begleitmaßnahmen im Bereich Wohnen und Arbeit. Um diese Ansätze rasch zu entwickeln lädt die Caritas zu einem Expertenhearing im März ein

NEOS mit Kritik und Anerkennung

“Wir begrüßen, dass überhaupt eine Einigung zustande gekommen ist und dass es keine undifferenzierte Deckelung geben wird. Wir freuen uns auch, dass eine unserer zentralen Forderungen – nämlich mehr Anreizsetzung für die Aufnahme einer Beschäftigung – zumindest im Ansatz umgesetzt wird”, erklärt NEOS-Sozialsprecherin Martina Pointner. Kritisch sehe sie jedoch vor allem die Tatsache, dass es nach wie vor nicht gelungen sei, dafür zu sorgen, dass sich Arbeit immer auszahlt.

SPÖ: “Nicht die Armen, sondern die Armut bekämpfen”

“Mit den Vorschlägen von ÖVP und Grünen zur Neugestaltung der Mindestsicherung wird nicht die Armut bekämpft, sondern die Armen. Wenn man bedenkt, dass 8, in Worten Acht, Menschen dieser Welt mehr Vermögen haben, als die gesamte ärmere Hälfte der Menschheit, ist dies eine beschämende Erkenntnis in einem reichen Land wie Österreich”, resümieren die designierte SPÖ-Landesparteivorsitzende LAbg. Dr. Gabi Sprickler-Falschlunger und SPÖ-Clubobmann Michael Ritsch die Vorschläge von ÖVP und Grünen zur Mindestsicherung und fordern gleichzeitig, diese Schieflage zu verändern.

FPÖ sieht sich teilweise bestätigt

“Zumindest hat die schwarz-grüne Landesregierung nach langem Zögern und Herumlamentieren erkannt, dass eine Reform der Mindestsicherung unumgänglich ist. Wir werden uns das Vorarlberger Modell in seiner Gesamtheit genau anschauen, bisher liegt ja nur ein Pressepapier und noch kein Gesetzestext vor. Klar ist für uns, dass es Kostendämpfungsmaßnahmen braucht und diese sind in Ansätzen im nun vorgelegten Papier erkennbar. Ob die Korrekturen ausreichen ist allerdings im Detail zu prüfen”, so der FPÖ-Klubobmann Daniel Allgäuer in einer ersten Reaktion auf den heute vorgestellten “Vorarlberger Weg der Mindestsicherung”.

Grüne: Mindestsicherungsreform mit Augenmaß

Als “Kompromiss mit Verbesserungen, Verschlechterungen und Weiterentwicklungen” bezeichnet Grünen-Klubobmann Adi Gross die heute von der Landesregierung präsentierte Reform der Vorarlberger Mindestsicherung. Er könne sich für das vorliegende Paket nicht begeistern, halte es aber angesichts der Umstände für vertretbar. Vor allem sei damit ein Kahlschlag verhindert worden. “Davon sind wir weit entfernt.”

(APA/Red.)

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