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Milde Urteile nach blutiger Familienfehde in Wien

Die relativ milden Urteile sind bereits rechtskräftig
Die relativ milden Urteile sind bereits rechtskräftig
Mit milden Urteilen ist der Prozess um eine blutige Auseinandersetzung zweier tschetschenischer Familien am Donnerstag zu Ende gegangen. Sechs Männer bekamen mehrmonatige Haftstrafen, ein Angeklagter wurde freigesprochen. Die Beschuldigten trafen sich im Oktober auf einer Wiese in Wien-Floridsdorf, um sich auszusprechen, am Ende waren vier schwer verletzt. Das Urteil ist rechtskräftig.


Der 42-jährige Hauptangeklagte, der bei dem Streit geschossen hatte, erhielt wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung 24 Monate, davon acht unbedingt, sein 48-jähriger Kontrahent muss wegen schwerer Körperverletzung von 18 verhängten Monaten sechs verbüßen. Die 20- bzw. 24-jährigen Söhne des 48-Jährigen müssen aufgrund ihrer einschlägigen Vorstrafen 14 bzw. 15 Monate hinter Gitter. Ihr Cousin wandert für 16 Monate ins Gefängnis. Der Bruder des 48-Jährigen fasste zwölf Monate auf Bewährung als Beitragstäter aus.

Auslöser des Streits war ein Foto einer jungen Frau im Arm eines Mannes, was für deren Vater eine Ehrenbeleidigung bedeutete. Ein 42-Jähriger, der das Foto herumgereicht haben soll, sowie zwei seiner Begleiter trafen die fünf Mitglieder der anderen Familie auf der Grünfläche in Floridsdorf für eine Aussprache. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung, die völlig aus dem Ruder lief. Am Ende waren vier Männer schwer verletzt. Drei erlitten Schusswunden durch den 42-Jährigen, der wiederum musste Schläge und Messerstiche einstecken.

Die beiden Familien stammen aus dem gleichen Dorf in Tschetschenien, lebten aber bereits seit Jahren in Wien und in der Steiermark. Im Oktober machte plötzlich das Foto der Tochter des 48-Jährigen die Runde. Schnell war ein 42-Jähriger als Verbreiter ausfindig gemacht, er soll das Bild fünf bis sechs Leuten aus der Heimat gezeigt haben. Zu viel für den Vater der Frau, der allerdings seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zur Tochter hat.

Auf der ruhigen Grünfläche vereinbarten die beiden Familien ein Treffen, um sich auszusprechen. Ab da scheiden sich die Aussagen der Männer, die sich vor Einzelrichter Norbert Gerstberger nur teilweise schuldig bekannten. Beide Parteien sprachen von Notwehr. Der 42-Jährige gab an, dass auf ihn eingeprügelt und mit einem Messer eingestochen worden sei, daraufhin habe er eine Waffe gezogen und “in den Boden geschossen”. Mit einer serbischen Zastava schoss er auf den Vater der Frau sowie zwei seiner Söhne in die Beine. Der 48-Jährige erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden musste und sich bis heute in stationärer Behandlung befindet, wie seine Anwältin Sonja Scheed ausführte. Am Donnerstag humpelte er auf Krücken in den Verhandlungssaal.

Die Kontrahenten des 42-Jährigen erzählten hingegen eine ganz andere Geschichte. Kaum hätte die Unterredung begonnen, “hat er hinten aus der Hose die Pistole gezogen und sofort geschossen”, berichtete der 48-Jährige. Um ihn am Schießen zu hindern, hätten die Familienmitglieder auf ihn eingeprügelt, erzählte sein 24-jähriger Sohn. “Ziel war es, ihm die Pistole wegzunehmen, damit er niemanden verletzt.” Der junge Mann gab jedoch zu, “aus Wut”, weil sein Vater blutend am Boden lag, dem 42-Jährigen mehrere Faustschläge ins Gesicht verabreicht zu haben. Sein Cousin habe dem 48-Jährigen auch das Messer weggenommen, womit er seinem Kontrahenten Verletzungen am Gesäß zufügte.

Keiner der Angeklagten wollte seine erlittenen Verletzungen vor Gericht geltend machen. Der 42-jährige Hauptangeklagte und sein 48-jähriger Kontrahent versöhnten sich vor einem extra herbeigeholten Imam der Gefängnisseelsorge. Mit der Hand auf dem Koran versprach der Jüngere, Gewalttätigkeiten gegenüber der anderen Familie zu unterlassen. Danach gaben sich die beiden die Hand und umarmten sich.

Die sechs Männer wurden im Sinne der Anklage wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung bzw. schwerer Körperverletzung, zwei zudem wegen versuchten Diebstahls verurteilt. Die beiden Männer sollen die Waren im Einkaufswagen so geschickt geschlichtet haben, dass die teuren Alkoholika in der Mitte des Korbes – wie Champagner und Wodka – nicht zu sehen waren. Ein weiteres Familienmitglied, das ebenfalls wegen des Vorwurfs des Diebstahls auf der Anklagebank saß, wurde freigesprochen.

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