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"Milchquoten-Erhöhung war absolut falsche Entscheidung"

"Die bäuerliche Interessenvertretung hat vor den negativen Auswirkungen einer Quotenerhöhung bei Milch immer gewarnt und wie der Preisverfall zeigt, war diese Erhöhung auch die falsche Entscheidung", erklärte Josef Moosbrugger, Vorsitzender des Ausschusses für Milchwirtschaft in der LK Österreich und Präsident der LK Vorarlberg.

“Eine stärkere Anlieferung als Folge der Quotenerhöhung und ein ungewöhnlich deutlicher Absatzrückgang bei Milchprodukten weltweit haben nun zu einer Situation geführt, die weder die Bauern noch die Molkereiwirtschaft längere Zeit aushalten werden. Die Europäische Kommission muss hier sofort eingreifen und alle Maßnahmen setzen, die mithelfen, den aus den Fugen geratenen europäischen Milchmarkt zu stabilisieren”, so Moosbrugger weiter.

Die Landwirtschaftskammer hat bekanntlich in der Vorwoche angesichts der prekären Lage am Milchmarkt gemeinsam mit den Verarbeitern alle bäuerlichen Milchproduzenten aufgerufen, die Anlieferung bis Ende Juni zu reduzieren, um die naturbedingten Lieferungsspitzen in den Grünlandgebieten zu senken. Abgesehen von dieser kurzfristigen Maßnahme, die vor allem an die Eigenverantwortlichkeit der Bauern appelliert, verlangt die Landwirtschaftskammer Österreich von der Europäischen Kommission aber auch europaweite Maßnahmen, um einerseits die Milchmengen wieder in den Griff zu bekommen und andererseits den Absatz innerhalb und außerhalb der EU deutlich zu beleben.

Verbrauch von Milch und Milchprodukten in Europa wieder ankurbeln

“Die Europäische Kommission hat erst für 2010 eine Zwischenbewertung und die Vorlage eines Maßnahmenberichts zugesagt. Doch das ist viel zu spät. Jetzt ist rasch zu handeln, um den aus den Fugen geratenen Milchmarkt wieder in den Griff zu bekommen. Es sind die jüngst auf bescheidenem Niveau eingeführten Exporterstattungen auszuweiten und die Intervention ist entsprechend aufzustocken. Gleichzeitig brauchen wir in der Europäischen Union ausreichend Finanzmittel für eine umfassende Absatzförderung für Milch und Milchprodukte. Denn wenn eine Branche mit EU-weit Millionen Betroffenen in eine existenzielle Krise gerät, muss die EU handeln, wie sie es bei anderen Branchen auch getan hat”, forderte Moosbrugger.

Milchbauern dürfen nicht Opfer der Krise werden

Der durchschnittliche Milchauszahlungspreis in Deutschland liege derzeit näher bei 20 als bei 25 Cent und dies bedeutet, dass bei solchen Milchpreisen auch ganz große Betriebe nicht mehr kostendeckend produzieren können. “Wenn selbst Betriebe in Ostdeutschland mit mehr als 300 Kühen Produktionskosten von über 30 Cent pro kg haben und der Milchpreis bei 20 Cent liegt, dann wird durch die europäische Wirtschaftspolitik in Kauf genommen, dass es auf allen Ebenen ein großes Bauernsterben gibt, die Milchproduktion in Europa deutlich zurückgehen wird und extreme Preisschwankungen folgen. Die derzeit außerordentlich schwierige Situation sieht man auch daran, dass im Handel Heumilch, Almmilch sowie der Ursprungsschutz und kleine bäuerliche Strukturen offenbar immer weniger bedeuten und Billigschienen und Eigenmarken im Vormarsch sind. Drastisch zeigt sich der Preisverfall auf den sogenannten Spotmärkten für täglich gehandelte Milch, denn diese erzielte letztes Jahr um diese Zeit noch 50 Cent pro kg und derzeit sind es oft nicht einmal mehr 15 Cent pro kg Milch”, erläuterte Moosbrugger.

Milchmarkt stabilisieren und Verarbeitungskosten senken

“Diese extremen Preisschwankungen, die in den letzten beiden Jahren bereits in Erscheinung getreten sind, sind weder für die Erzeuger noch für die Wirtschaft und schon gar nicht für die Verbraucher wünschenswert, weil sie langfristig die Qualität und Sicherheit der Produktion gefährden. Aus Sicht der Bauernvertretung sind daher sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Seite Maßnahmen zur Stabilisierung des Milchmarktes notwendig, um das Überleben der Milchbauern in Europa und speziell in den Berg- und benachteiligten Gebieten zu sichern. Es ist uns schon klar, dass weder die EU noch die Nationalstaaten den Milchpreis garantieren können, schließlich bleibt die Rolle des Marktes auch zukünftig vorrangig. Aber wir verlangen, dass genau beobachtet wird, ob die Märkte auch funktionieren. Ebenso wichtig wie Hilfsmaßnahmen der EU ist ein funktionierendes Kostensenkungsprogramm, das für den einzelnen Hof ebenso gilt, wie für die Milchverarbeitung. Wir appellieren daher auch an die Milchverarbeiter, ihre Strukturen zu straffen und die Kosten zu senken, denn nur eine verbesserte Molkereistruktur kann die Effizienz steigern, die Kosten senken und insgesamt die Marktposition gegenüber dem Lebensmittelhandel stärken”, betonte Moosbrugger.

Fakten und Zahlen zur heimischen Milchproduktion

Österreichs Milchproduktion findet zu mehr als drei Vierteln im benachteiligten und Berggebiet statt: Von insgesamt 43.574 Milchbauern im Milchwirtschaftsjahr 2007/08 waren 38.057 (87%) im benachteiligten Gebiet und davon 31.410 Bergbauern. Von der gesamten Milchmenge wurden etwa 80% im benachteiligten Gebiet und 65% im Berggebiet produziert. Gerade in den Berggebieten ist Grünland und dessen Verwertung über Wiederkäuer häufig die einzige landwirtschaftliche Produktionsmöglichkeit mit entsprechender Wertschöpfung und nur auf diese Weise können bäuerliche Vollerwerbsbetriebe weiter bestehen. Allerdings sind gerade diese strukturellen Nachteile ausschlaggebend für die naturbedingt hohen Produktionskosten der heimischen Milch. Verbunden mit einer hohen Arbeitsbelastung und geringer Rentabilität veranlasst dies Milchbauern auf vielen Höfen zum Verkauf ihrer Milchkühe – bis zu sechs Milchbauern geben täglich die Milchproduktion auf.

Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt in Österreich bei zwölf Milchkühen und einer Milchquote von etwa 65.000 kg. Im Vergleich dazu gibt es in deutschen Milchviehbetrieben durchschnittlich 41 Milchkühe und eine jährliche Milchanlieferung von 280.000 kg Milch. Wesentliche größere Kuhbestände gibt es noch in Dänemark mit durchschnittlich 112 Milchkühen pro Betrieb, im Vereinigten Königreich mit 137 und im Nachbarland Tschechien sogar mit 253 Milchkühen pro Betrieb, wobei in diesen Ländern auch “Höfe” mit mehreren hundert bis zu tausend Kühen keine Seltenheit sind.

Landwirtschaftskammer Österreich

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