Es klingt nach einer Hiobsbotschaft für Millionen Schlafsuchende: Wer regelmäßig Melatonin einnimmt, könnte sein Risiko für Herzinsuffizienz um bis zu 90 Prozent erhöhen. So lautet zumindest das Ergebnis einer Analyse, die Forschende kürzlich beim Jahreskongress der American Heart Association präsentierten.
Die Studie wertete elektronische Gesundheitsdaten von rund 130.000 Erwachsenen mit diagnostizierter Schlaflosigkeit über einen Zeitraum von fünf Jahren aus. Das Resultat: Bei Personen mit mindestens einjähriger Melatonin-Einnahme traten Herzprobleme, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle häufiger auf als in der Vergleichsgruppe.
Doch bevor nun die Melatonin-Gummibärchen in den Müll wandern, lohnt ein genauerer Blick auf die Datenlage.
Factbox: Die Melatonin-Studie – Was wurde untersucht?
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Art der Untersuchung:
Eine Beobachtungsanalyse, vorgestellt beim Jahreskongress der American Heart Association (AHA). -
Datenbasis:
Elektronische Gesundheitsdaten von rund 130.000 Erwachsenen mit diagnostizierter Schlaflosigkeit. -
Zeitspanne:
Erfasst wurden Daten über einen Zeitraum von fünf Jahren. -
Vergleichsgruppen:
Personen mit mindestens einjähriger Melatonin-Einnahme wurden mit Personen ohne dokumentierte Dauereinnahme verglichen. -
Erhobene Ereignisse:
- Diagnosen von Herzinsuffizienz,
- Krankenhausaufenthalte wegen Herzschwäche,
- Sterblichkeit aus jeglicher Ursache.
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Hauptbefund:
Die erfassten Ereignisse traten in der Melatonin-Gruppe häufiger auf. -
Ziel der Analyse:
Erste Hinweise zu sammeln, ob ein möglicher Zusammenhang zwischen langfristiger Melatonin-Einnahme und Herzproblemen bestehen könnte.
Eine Studie voller Fragezeichen
Der Vorarlberger Pharmazeut Guntram Mähr dämpft die Aufregung erheblich. Die Untersuchung zeige vor allem eines: dass weitere Forschung nötig sei. An der methodischen Grundlage übt er deutliche Kritik.
Die untersuchten Gruppen stammten aus verschiedenen Ländern mit völlig unterschiedlichen Regulierungen. In manchen Staaten ist Melatonin rezeptpflichtig, in anderen steht es im Drogerieregal zwischen Vitamintabletten und Hustenbonbons. Ob die Kontrollgruppe tatsächlich nie zu dem Hormon gegriffen hat, bleibt unklar. Ebenso wenig erfasst die Studie, ob die Teilnehmer an Depressionen oder Angstzuständen litten – Erkrankungen, die ihrerseits die Sterblichkeit erhöhen.
Auch die zentrale Frage nach der Dosierung bleibt offen. In Österreich enthalten gängige Präparate meist ein Milligramm – die Untergrenze dessen, was überhaupt als wirksam gilt.
Die unterschätzte Zeitbombe
Dennoch ist Melatonin kein harmloses Naschwerk. Bei hoher Dosierung oder langfristiger Einnahme drohen Nebenwirkungen: Schwindel, Konzentrationsstörungen, das typische „Hangover"-Gefühl am Morgen. Entscheidend ist auch der Einnahmezeitpunkt. Wer das Hormon um 22 Uhr schluckt, hat meist keine Probleme. Wer es um fünf Uhr morgens nimmt, erlebt die volle sedative Wirkung – mit entsprechenden Folgen für den Tag.
Besondere Vorsicht gilt für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie sollten vor jeder Einnahme das Gespräch mit Arzt oder Apotheker suchen: Welche anderen Medikamente werden eingenommen? Welche Vorerkrankungen bestehen? Wie ausgeprägt ist die Schlafstörung?
Auch offene Fragen zur Dosierung machen den Apotheker skeptisch. "Ich habe in der Studie noch nicht gefunden, wie hoch die eingenommenen Mengen überhaupt waren", sagt er. In Österreich enthalte ein übliches Nahrungsergänzungsmittel meistens 1 Milligramm – und erst ab dieser Dosis gelte Melatonin überhaupt als wirksam.
Die bessere Alternative
Statt zum Hormon zu greifen, rät Mähr zu einem anderen Ansatz: die körpereigene Melatoninproduktion anzukurbeln, etwa über Serotonin. Oder auf pflanzliche Präparate mit entspannender Wirkung zu setzen. Und vor allem: zuerst die Schlafhygiene zu überprüfen, bevor man zur Tablette greift.
Wer unsicher ist, dem empfiehlt der Experte zudem einen Besuch im Schlaflabor. Dort lässt sich etwa eine Schlafapnoe ausschließen – eine Erkrankung, die selbst Herzprobleme verursachen kann und häufig unerkannt bleibt.
Das Fazit des Pharmazeuten fällt nüchtern aus: Die Frage, ob Melatonin tatsächlich das Herz schädigt, bleibt vorerst ungeklärt. Die aktuelle Analyse sei eine „gute Voranalyse" – nicht mehr, nicht weniger. Grund zur Panik besteht nicht. Aber auch kein Grund zur Sorglosigkeit.
Wer sollte besonders vorsichtig sein?
Für bestimmte Personengruppen gilt bei der Einnahme von Melatonin erhöhte Aufmerksamkeit – ein Gespräch mit Fachleuten ist hier besonders wichtig.
Diese Fragen sollten Sie mit Ihrem Apotheker klären:
- Welche anderen Medikamente nehmen Sie ein?
- Welche Vorerkrankungen bestehen?
- Zu welcher Uhrzeit nehmen Sie das Präparat?
- Wie stark ausgeprägt ist Ihre Schlafstörung?
Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Vor der Einnahme von Melatonin oder ähnlichen Präparaten empfiehlt sich grundsätzlich ein Gespräch mit dem Arzt oder in der Apotheke.
Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Vor der Einnahme von Melatonin oder ähnlichen Präparaten empfiehlt sich grundsätzlich ein Gespräch mit dem Arzt oder in der Apotheke.
(VOL.AT)
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