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Medizin nicht am Altar der Ökonomie opfern

Abschließende Podiumsdiskussion bei der aks Sommerschule.
Abschließende Podiumsdiskussion bei der aks Sommerschule. ©H. Pfarrmaier
Bregenz. (hapf) „Der Arzt der Zukunft“ war das Thema einer abschließenden Podiumsdiskussion im Rahmen der 7. Sommerschule des Arbeitskreises für Vorsorge und Sozialmedizin (aks).

Vom 19. bis zum 21. Juli befassten sich dabei in der Aula Bernardi im Kloster Mehrerau  namhafte Referenten mit medizinischen Fachthemen.

Österreich verfügt mit 4,7 aktiven Medizinern auf 1000 Einwohner über eine der höchsten Ärztedichten weltweit. Dieses Bild könnte sich allerdings in nur eineinhalb Jahrzehnten ändern. Eine Studie prognostiziert bis 2030 einen Fehlbedarf von bis zu 7.400 Ärzten. Wie kann hier gegengesteuert werden, wie sieht der Arztberuf in der Zukunft aus? Darüber sprachen die Präsidenten der Österreichischen und Vorarlberger Ärztekammer, Artur Wechselberger und Michael Jonas sowie Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg.

Für Wechselberger wird künftig die Präventivmedizin und Rehabilitation breitern Raum einnehmen, die Krankheitsbilder würden komplexer und steigende Anforderungen sieht Österreichs oberster Arzt im Informationsaustausch und der Kooperation. Der Arzt der Zukunft werde zudem wesentlich von politischen Entscheidungen im Gesundheitssystem beeinflusst.  Wechselberger sprach sich dafür aus, die Attraktivität inländischer Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu erhöhen und geeignete Maßnahmen zum Verbleib von Studienabsolventen zu setzen. Etwa durch leistungsgerechte Honorierung, Entlastung von administrativen Aufgaben und der Unterstützung bei Praxisgründungen.

Medizin darf nicht der Ökonomie dienen

„Die Politik glaubt, alles über ökonomische Befindlichkeiten regeln zu können und glaubt, aus Patienten Kunden machen zu können“, so Giovanni Maio. Der Experte für Medizinethik warnte vor den heutigen Begehrlichkeiten, die Medizin in einen Gesundheitsmarkt zu verwandeln. In den Kliniken habe ein Denken eingesetzt, das stärker vom Managementdenken als vom medizinischen Denken geprägt sei. Unter dem politisch verordneten Zeitdiktat verkümmere eine Kultur des Heilens, weil die Behandlung von kranken Menschen immer mehr als messbare Handlung begriffen werde. Der sinnstiftende Dienst am Menschen gerate zu einer personenbezogenen Dienstleistung nach ökonomisch-verwaltungstechnischen Vorgaben. Maio: „Damit aber wird genau das unterbewertet, was für viele Menschen der eigentliche Grund war, sich für den Helferberuf Arzt zu entscheiden.“ Ökonomisches Denken sei zwar wichtig, weil losgelöst davon zu viele Ressourcen verschwendet würden. Es gelte jedoch, der Ökonomie ihren Platz zuzuweisen. Die Medizin dürfe nicht der Ökonomie dienen, wie es heute schon vielfach der Fall sei. Wenn  die Politik unter dem Motto der Freiheit des Patienten diesen zum Kunden mache, hieße das in letzter Konsequenz, es werde nicht mehr allen geholfen, sondern nur noch dann, wenn es sich lohne.

Sozialkompetenz und Pflegepraktikas

Bis 2025 werden Zweidrittel der Allgemeinmediziner und Fachärzte in Vorarlberg in den Ruhestand wechseln. Diesem Abgang von insgesamt 210 Ärztinnen und Ärzten stehen heuer lediglich 51 Vorarlberger Medizinanfänger gegenüber. Zum Erhalt des dzt. kassenärztlichen und des Spitalsärztestandes benötigt es jährlich 22 Studienabsolventen, bei Berücksichtigung der Drop-out-Rate und Abwanderung sogar 33 Absolventen. Moderatorin Agnes Mühlgassner, Chefredakteurin der Österreichischen Ärztezeitung, versuchte in der Podiumsdiskussion, den Fokus auf  das künftige Berufsbild zu lenken und herauszukristallisieren, wo es anzusetzen gilt, um auch den nötigen Nachwuchs zu bekommen.

Hier waren sich die Präsidenten Artur Wechselberger und Michael Jonas einig, dass es zu einer Attraktivierung des Berufsbildes kommen muss und auch im Medizinstudium bereits Wert auf Sozialkompetenz zu legen ist. Sie könnten sich auch vorstellen, Pflegepraktiken einzuführen. Sicherzustellen seien zudem mehr Studienplätze für heimische Jugendliche. Es gelte auch für eine ausbildungsgerechte Verwendung der Jungmediziner zu sorgen, die Mediziner von den zu hohen administrativen Aufgaben zu entlasten und Praxisgründungen entsprechend zu unterstützen.

Wie Magdalena Wöß sieht auch der Bregenzer Allgemeinmediziner und aks-Fortbildungsbeauftragte Rudolf Brugger in vermehrten Gruppenpraxen und deren besserer Unterstützung eine Möglichkeit, dem Fehlbestand vor allem an Allgemeinmedizinern künftig zu begegnen.  Unerlässlich ist auch für ihn, die Attraktivität des Arztberufes zu steigern und bereits in der Ausbildung darauf Einfluss zu nehmen.

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