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Marlis Sejkora: "Es ist unsere Aufgabe, uns um einsame Menschen zu kümmern"

Marlis Sejkora, Leiterin der Ifs Beratungsstelle in Bregenz zum Thema Einsamkeit
Marlis Sejkora, Leiterin der Ifs Beratungsstelle in Bregenz zum Thema Einsamkeit ©VOL.AT /Andergassenj
Durch die Ausgangsbeschränkungen verschlimmert sich die schwer ertragbare Einsamkeit vieler Menschen. Nicht zuletzt auch die Depression und andere Krankheiten, die Begleiter dieses Alleinseins sind. Marlis Sejkora und ihr Team der ifs Beratungsstelle in Bregenz sind tagtäglich für diese Menschen am Rande der Gesellschaft da.  

Teufelskreis versus Genugtuung

Es gibt viele Infizierte, schwere Krankheitsverläufe und Menschen sterben an Corona. „Gerade einsame Menschen setzen sich sehr mit der Corona-Krise auseinander“, erklärt Marlis Sejkora vom Institut für Sozialdienste in Bregenz. Die pessimistische und angsterfüllte Betrachtungsweise der Realität, die charakteristisch für eine Depression sind, führt dazu, dass gerade jene Menschen in einen Teufelskreis geraten und nicht mehr in der Lage sind „zu relativieren“, bringt es Sejkora auf den Punkt. Es kommt zu einer Abwärtsspirale negativer Gedanken und einer großen Angst vor Corona und dem Tod.

Auf der anderen Seite gibt es wiederum einsame Menschen, für die sich aufgrund ihrer permanenten und vorhergehenden Isolation durch die Krise nicht viel verändert. Für solche Menschen kann die momentan angeordnete "Selbst-Quarantäne" „sogar etwas Genugtuung schaffen, da sie sehen, dass es anderen gerade ähnlich ergeht“, beschreibt Sejkora die andere Seite der Einsamkeits-Medaille in Corona-Zeiten.

Einsamkeit ist nicht gleich Einsamkeit

Viele Leute kennen gar keine Einsamkeit, weil sie sich sehr gut mit sich selbst beschäftigen können. „Es gibt Menschen, die jedoch unter ihrer Einsamkeit leiden“, erläutert Sejkora die Unterschiede. „Des Weiteren würden diese Leute gerne mehr Zeit in Gesellschaft verbringen, schaffen es jedoch nicht“, präzisiert die Sozialarbeiterin und Mediatorin den Leidensdruck dieser Menschen.

Ratschläge helfen nicht mehr

Je nach Schweregrad der Depression, ist es vielen Betroffenen nicht mehr möglich, gut gemeinte Ratschläge umzusetzen. „Wenn jemand in einer schweren Depression ist, ist er krank“, räumt Sejkora ein. „Diese Menschen sollen sich bitte unbedingt bei uns melden“, so der eindringliche Appell der ifs-Expertin.

Die Beratungszeiten wurden ausgedehnt. Beratungen finden täglich bis 20:00 Uhr statt, auch samstags. Sejkora fordert genauso Bekannte und Freunde dazu auf, als Stütze zu dienen und auf das Beratungsangebot des Ifs aufmerksam zu machen. Im Falle einer depressiven Verstimmung rät Sejkora eingeschlafene Kontakte per Telefon wieder aufleben zu lassen, oder Bilder aus unbeschwerten Zeiten hervorzuholen, um so bewusst positive Gefühle zu kreieren.

Gerade im Bezug auf das Aufleben lassen alter Bekanntschaften per Telefon, berichtet Sejkora von positiven Erfahrungen aus ihrem beruflichen Alltag: „Klienten haben uns geschildert, dass sich ein konstanter Telefonkontakt entwickelte und die Leute, die sie anriefen, sich auch bei ihnen wieder zurückmeldeten“.

Positive Entwicklung

„Im Vergleich zu früher scheint die Gesellschaft im Hinblick auf psychische Leiden mehr Akzeptanz zu zeigen“, bestätigt Sejkora, die schon seit über 30 Jahren im sozialen Bereich tätig ist. Nichtsdestotrotz gebe es noch Luft nach oben. Im Zuge dessen wünscht sich Sejkora auch, dass jeder einzelne Mensch auf jene Mitmenschen zugeht.

„Es ist unsere Aufgabe uns um diese Menschen am Rande der Gesellschaft zu kümmern – auch nach Ostern und auch nach der Corona-Krise“, so ihr zukünftiger Wunsch und Appell an die Vorarlberger Gesellschaft.

(VOL.AT)

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