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Marder wird aufgezogen

Yvonne Moosbrugger (39) aus Lauterach zieht einen vier Wochen alten Marder auf. Marder sind kleine Räuber, aber auch äußerst nützlich.  | 

Eine kleine Räuberin ganz zahm

Für Yvonne Moosbrugger aus Lauterach ist heute ein besonderer Muttertag. Ihr Mann und ihre Kinder Hubert (9), Sabrina (11) und Matthias (12) werden sie mit einem guten Frühstück verwöhnen und ihr den ganzen Tag über kleine Pflichten abnehmen. Doch die Familie hat zurzeit ein zusätzliches kleines Baby im Haus. Ein ganz besonderes kleines Wesen – ein vier Wochen altes Mardermädchen. „Marianne“ haben Yvonne und ihre Kinder die Kleine getauft. Marianne ist ein Findelkind. Sie wurde in Thüringen entdeckt, in der Inatura in Dornbirn abgegeben und gelangte schließlich in die fachkundigen Hände von Moosbrugger. Die Lauteracherin zieht schon seit ihrer Jugend verwaiste Wildtiere auf. Und einmal wöchentlich arbeitet sie im Vorarlberger Tierheim.

Marianne wird’s schaffen

Bei Marianne ist sie zuversichtlich. Die Kleine wird überleben. Sie wirkt aufgeweckt und scheint in guter körperlicher Verfassung. Sie macht sogar schon langsam die Augen auf. „Das bedeutet aber auch, dass die friedliche Zeit mit ihr bald zu Ende geht“, sagt Yvonne halb ernst, halb lächelnd. Bald wird Marianne nämlich anfangen, ihre Umgebung zu erkunden und ganz schön lebendig durch die Gegend flitzen. Dann wird ihr Yvonne zusätzlich zur Katzen- und Kaninchenaufzuchtmilch auch etwas breiiges Katzenfutter geben.

Marder sind nützlich

Marianne ist der erste Marder, den Yvonne aufzieht. Sie hat schon Frettchen gepflegt, Kaninchen und sogar ein kleines Rehkitz. Die Menschen reagieren ganz unterschiedlich darauf, dass sie sich ausgerechnet um einen Marder kümmert. Marder werden von vielen als Schädlinge betrachtet. Da verwundert es sehr, dass man so ein Wesen auch noch aufzupäppeln versucht. „Nur die Menschen unterscheiden zwischen Schädlingen und solchen Tieren, die nützlich sind“, sagt Yvonne impulsiv. „In der Natur hat jedes Tier seinen Nutzen.“ Marder leben normalerweise im Wald. Doch sie werden immer mehr in bewohnte Gebiete gedrängt. „Aber sogar in einer städtischen Umgebung haben Marder eine sehr wichtige Funktion“, sagt Klaus Zimmermann von der Inatura. „Denn in solchen Gebieten gibt es sehr wenige kleine Räuber. Und Marder fressen Mäuse und Ratten und verhindern so deren Überpopulation.“

Haarspray und Pfeffer

Dass Marder von Autos und den Gummibestandteilen darin magisch angezogen werden, lässt Zimmermann lächeln. „Ja, das ist natürlich ein Problem“, gibt er zu. Doch da gebe es einige Tricks. Yvonne Moosbrugger schwört auf Hundehaare. Zimmermann ist sich da hingegen nicht so sicher.

„Früher versuchte man Marder mit Lärm oder eben Hunde- oder Pferdehaaren abzuhalten. Doch daran haben sie sich mittlerweile gewöhnt.“ Will man einen Marder nicht in seinem Auto haben, dann sollte man alle Gummiteile mit Haarspray besprühen, sagt Zimmermann. „Einige Autohändler werden mich jetzt verfluchen. Aber wenn man den Spray als Klebemittel verwendet und dann Pfeffer darauf streut, beißt so ein Marder garantiert nur einmal.“ Wenn man weiß, wo der Marder im Garten oder im Dachboden ein- und ausgeht, kann man diese Stellen laut Zimmermann auch mit Petroleum bestreichen. Wenn der kleine Kerl nach dem Darüberlaufen seine Pfoten abschleckt, wird es ihn ekeln und davon abhalten, diesen Weg noch einmal zu benützen. Marianne fängt an zu fiepen und zu gurren. Sie hat Hunger. Sofort bekommt sie ihr Fläschchen. Ein herziger Anblick.

Doch die Idylle ist trügerisch. Es ist nicht sicher, dass Marianne später wieder ausgewildert werden kann.

Nur im Notfall eingreifen

„Solche Fundtiere sind immer eine problematische Sache“, sagt Zimmermann. „Eigentlich sollte man Wildtiere dort belassen, wo sie sind. Nur im äußersten Notfall sollte man eingreifen.“ Ganz wichtig ist es, sie zuerst eine geraume Weile zu beobachten, um festzustellen, ob sie wirklich von ihren Müttern verlassen wurden. Häufig kommen diese nämlich wieder. „Säugetiere darf man auf keinen Fall berühren“, so Zimmermann weiter. Der Geruch würde die Mütter abschrecken. Bei Vögeln ist das anders. Kleine, aus dem Nest gefallene Kerlchen, kann man wieder ins Nest heben, oder zumindest an einen Platz weg vom Boden und möglichst außerhalb der Reichweite von Katzen. „Es ist wichtig, dass man nicht selbst versucht, solche kleinen Tiere aufzuziehen“, so Zimmermann. Allein schon falsche Ernährung kann immensen Schaden anrichten. Es gibt erfahrene Leute wie Moosbrugger, die das am besten übernehmen sollten. Marianne fühlt sich bei Familie Moosbrugger sichtlich wohl. Nur Zwergrehpinscherhündchen Bonnie beäugt die kleine Marder-Dame misstrauisch. „Bonnie ist eifersüchtig“, erzählt Sohn Hubert ernsthaft. „Das braucht sie aber nicht zu sein. Wir haben sie immer lieb, nur momentan müssen wir uns auch gut um Marianne kümmern.“

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