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Märchenhafter "Bergkristall"

Die Verfilmung einer Stifter-Novelle als bewusst altmodisches Emotionskino für die ganze Familie - dieses ungewöhnliche Projekt hat der Bayer Joseph Vilsmaier verwirklicht.

„Bergkristall“, ein Teil der „Bunte Steine“-Sammlung des im Böhmerwald geborenen oberösterreichischen Autors, dessen 200. Geburtstag 2005 mit einem „Stifter-Jahr“ begangen wird, kommt am 19. November in die österreichischen Kinos. Die Open-Air-Uraufführung findet jedoch bereits am 12. November am Muttersberg bei Bludenz statt. Denn für die Dreharbeiten ist Vilsmaier wieder ins Montafon zurückgekehrt, wo er vor zehn Jahren Robert Schneiders Romanerfolg „Schlafes Bruder“ verfilmte.

Die Vorarlberger können zufrieden sein: Wunderbare Landschaftsaufnahmen machen Tourismus-Werbung pur, auch wenn die Natur in dem Film alles andere als anheimelnd wirken soll. Denn den spannenden Höhepunkt bildet die Suche nach zwei Kindern, die sich in den Bergen ausgerechnet am Weihnachtsabend verlaufen haben und in Schnee und Eis gegen den Erfrierungstod kämpfen. Und in der modernen Rahmenhandlung für die im 19. Jahrhundert spielende Geschichte hat Vilsmaier seine eigenen Erinnerungen an die Tage der Galtür-Katastrophe eingebaut: Eine deutsche Urlauberfamilie (als Mutter in einer Mini-Rolle: Katja Riemann) flüchtet sich in der ersten Nacht an ihrem Urlaubsort wegen andauernden Lawinenabgängen ins Pfarrhaus, wo der Onkel den Kindern die Legende um einen wundertätigen Bergkristall vorliest.

Erzählt wird die Geschichte zweier verfeindeter, nur durch einen Berg voneinander getrennter Ortschaften, die den über Generationen weitergegebenen Hass nicht überwinden können. Als der Schuster von Gschaid (Daniel Morgenroth) und die Färbertochter aus Millsdorf (Dana Vavrova) heiraten, schlägt der in Gschaid lebenden Familie immer wieder purer Hass entgegen. Die „Millsdorferin“ kehrt allein in ihr Dorf zurück, ihre beiden Kinder (Josefina Vilsmaier, die elfjährige Tochter von Vilsmaier und Vavrova, und Francois Göske) müssen für ihre Besuche lange, gefahrvolle Fußmärsche in Kauf nehmen. Ausgerechnet am Heiligen Abend werden sie vom einbrechenden Schneefall überrascht und verirren sich. Eine aus beiden Dörfern gestartete dramatische Suchaktion ist erfolgreich und besiegelt das Ende der langen Feindschaft.

Es geht um ewige Themen wie Liebe und Hass, den Wert von Familie und Freundschaft. Vilsmaier unternimmt keinen Versuch, dem alten Sujet neue Aspekte abzugewinnen, vertraut ganz auf die Kraft der Erzählung und konzentriert sich darauf, das Umfeld so authentisch wie möglich zu gestalten. Wer nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, wird in dem 90-minütigen Streifen viele Kritikmöglichkeiten finden, denn die dramaturgische Erzählweise ist ebenso naiv wie die Bildsprache des Films. Doch wer seine Skepsis beiseite lässt, der kann ein gefühlvolles Weihnachtsmärchen entdecken, das zwar „old fashioned“ wirkt, aber keineswegs „die gute, alte Zeit“ verklärt.

Das eigene familiäre Weihnachtsfest feiern die Familien Vilsmaier und Vavrova übrigens traditioneller Weise in einem alten Bauernhof im Böhmerwald. „Jedes Jahr werde ich dort gezwungen, mir alle alten Märchenfilme anzusehen, die das tschechische Fernsehen zu den Feiertagen sendet“, erzählt der Regisseur schmunzelnd. Dass sich diese prägenden Erlebnisse nun auch in „Bergkristall“ niedergeschlagen haben, ist unverkennbar. Es ist aber gewiss nicht das Schlechteste, das einem Film passieren kann.

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