Mahrer tritt auch als Präsident der Wirtschaftskammer zurück
Harald Mahrer (ÖVP) hat am Donnerstagnachmittag seinen Rückzug als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bestätigt. Der Druck auf ihn wurde über die letzten Tage zu groß, es ging um eigene Mehrfachbezüge, Gehälter in der Kammer, Gagenerhöhungen für Präsidiumsmitglieder und die zugehörige missglückte Kommunikation. Zur Nachfolge äußerte sich Mahrer bei seinem Videostatement, das auf Facebook veröffentlicht wurde, nicht.
"Ich sehe derzeit keine Möglichkeit, verantwortungsvolle Beiträge für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten", sagte Mahrer im Video. Er werde sowohl in der Kammer als auch im Wirtschaftsbund für eine "geordnete und zeitnahe" Übergabe sorgen.
Am 26. und 27. November finden die nächsten turnusmäßigen, offiziellen Gremiensitzungen der Landeschefinnen und -chefs von Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammern statt. Wenn nicht vorverlegt wird, dann sind die Personalien dann Hauptthema. Informell dürften die Telefone ohnehin durchwegs heißlaufen.
Als OeNB-Präsident Rückzug schon früher angekündigt
Den Rückzug als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hatte Mahrer schon am Montag verkündet. Offensichtlich gelang es damit nicht, die Lage zu beruhigen. Das galt auch für die Ankündigung zu Analysen und Reformen innerhalb der Kammer. Zuletzt verlor Mahrer mehr und mehr an Rückhalt in den eigenen Reihen - seien es Länderkammerchefinnen oder wichtige ÖVP-Politikerinnen und -Politiker.
Offen wurde sein Rücktritt eingefordert, spätestens am früheren Donnerstagnachmittag galt dieser als fix, doch war vorerst noch nicht bestätigt. Hinter ihn stellte sich etwa noch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Elisabeth Zehetner (beide ÖVP).
Mahrer wendete sich direkt an Unternehmer und Mitarbeitende
Mahrer wendete sich direkt an die Unternehmerinnen und Unternehmer, also seine Kammermitglieder sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kammer. Er verwies auf vieles, was man für die Mitglieder erreicht habe - im In- und Ausland. Das alles sei auf dem Fundament der gesetzlichen Interessenvertretung "einer liberalen Idee der Interessenvertretung" erfolgt.
Die Diskussion der vergangenen Tage kritisierte Mahrer, er habe sich zu Reformen in der Kammer bekannt und stets die Notwendigkeit sehr großer Reformen in Österreich betont. Doch "persönliche Ressentiment und Populismus haben die mediale Debatte der letzten Tage bestimmt - ohne Mehrwert für die Wirtschaft und unser Land: Das ist nicht mein Spielfeld."
Mahrer wartete im Video, das im Christoph-Leitl-Saal im Dachgeschoß der Bundeswirtschaftskammer in Wien-Wieden vor nebeliger Stadtkulisse aufgenommen worden war, mit einer weiteren Kritik an die FPÖ auf, ohne deren Namen direkt zu nennen. Die größte Parlamentspartei ist ja gegen die Kammermitgliedschaften, die Mahrer einmal mehr verteidigte. Sie mache den Interessenausgleich zwischen kleinen, mittleren und großen Firmen erst möglich. Doch auch in den letzten Koalitionsverhandlungen, die zur Dreierkoalition führten, habe er, Mahrer, sich dafür eingesetzt, dass Österreich weltoffen bleibe - "demokratisch, wirtschaftlich stark und wirtschaftlich offen". Es brauche ein demokratisches Miteinander, wirtschaftliche Freiheit, Leistungskraft, Bedeutung des Eigentums und einen Wert von Verantwortung. Die FPÖ forderte von allen Parteien den Rücktritt Mahrers am lautesten.
Nachfolgefrage
Als Nachfolgerin Mahrers an der WKÖ-Spitze wurde die Tiroler Unternehmerin und WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz medial kolportiert. Doch manch Medium glaubt auch an einen erst losbrechenden Machtkampf um die Mahrer-Nachfolge in der WKÖ. Die WKÖ ist einer der Sozialpartner und federführend bei den KV-Lohnverhandlungen involviert.
Mahrer ist auch Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Auch dort will Mahrer die Nachfolge bald geklärt haben. Zuletzt war der Wirtschaftsbund-Präsident stets auch WKÖ-Präsident, der Bund regiert in der Kammer absolut. Der Chef des bedeutenden Volkspartei-Bundes ist auch Mitglied im ÖVP-Bundesparteivorstand.
Reaktionen vom Bundeskanzler abwärts
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker teilte der APA schriftlich mit, dass Mahrer "in einer auch für ihn sehr schwierigen Situation eine persönliche Entscheidung getroffen hat, die zu respektieren ist. Ich bedanke mich bei ihm für seine Verdienste um die Republik als Staatssekretär, Bundesminister und Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer." Mahrer habe in all diesen Funktionen großen Einsatz für Österreichs Wirtschaft und Standortpolitik bewiesen, "zuletzt auch in der schwierigen Phase der Regierungsbildung". Vom wichtigen Sozialpartner Wirtschaftskammer erwartet der Bundeskanzler "in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine rasche Neuaufstellung im Sinne der österreichischen Wirtschaft und des gesamten Staates, um bestmöglich für den Aufschwung arbeiten zu können".
Kritisch zu den Vorgängen äußerte sich Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), der aus der Arbeiterkammer kommt, kurz vor Mahrers Rücktritt bei seinem Eintreffen zur Landeshauptleute-Konferenz in der Steiermark: "Die Schwäche der Wirtschaftskammer ist sicher problematisch für die Sozialpartnerschaft und schlecht für Österreich." Dauerhaft sieht er aber keine Gefährdung: "Ich glaube, das ist vorübergehend."
Den Freiheitlichen reicht der Rücktritt Mahrers nicht. "Der Rücktritt hat an der Sachlage und am Skandal selbst nichts geändert", so Generalsekretär Michael Schnedlitz via Aussendung. "Es ist Feuer am Dach, weil nahezu sämtliche Präsidenten der Wirtschaftskammer in Bund und Ländern und auch deren Vizepräsidenten dabei aufgeflogen sind, dass sie sich Gagen-Erhöhungen um teils jenseits der 50 Prozent genehmigen und das mitten in einer Krise und auf Kosten der Unternehmer."
Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft in einer Aussendung: "Der Zorn der Unternehmer:innen über den aufgeblähten, teuren Apparat der Wirtschaftskammer ist nun offen zutage getreten. Die Situation ist jedoch keineswegs neu, sondern hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich zugespitzt. Insbesondere Ein-Personen-Unternehmer:innen, die rund 60 Prozent der Kammermitglieder ausmachen, fühlen sich nicht vertreten." Auch die UNOS, die NEOS in der WKÖ, fordern weiterhin eine Kammerreform. Diese müsse jetzt folgen.
Die Industriellenvereinigung (IV) forderte Strukturreformen und Entlastungen - dafür gehörte die Entwicklung in der Wirtschaftskammer genutzt. Präsident Georg Knill bedankte sich für Mahrer für dessen Einsatz.
APA-Informationen zufolge treffen sich die Länderkammerchefinnen und -chefs am Freitag neuerlich mit Mahrer für eine Sitzung. Mahrer war Anfang der Woche schon als Nationalbank-Präsident zurückgetreten.
Auslöser waren die Gehaltserhöhung der WKÖ-Belegschaft, zum Teil sehr hohe Entgeltsteigerungen in den Präsidien der Bundes- und Länderkammern sowie die verunglückte Kommunikation Mahrers dazu. Vorgeworfen wurde Mahrer auch die Kumulierung vieler Ämter.
Mahrer vor Rücktritt: Zuletzt nur mehr wenige Fürsprecher
Als erstes hatte die "Tiroler Tageszeitung" berichtet. Dann folgten auch noch die "Kronen Zeitung" und der "Kurier" - jeweils ohne Angabe von Quellen. Wie es mit Mahrers Parteijob als ÖVP-Wirtschaftsbund-Obmann weitergeht, blieb vorerst offen.
Der Rücktritt war offenbar für Mahrer nicht mehr abzuwenden. Zeitungen hatten am Donnerstag bereits geschrieben, er stehe vor dem Rückzug. Er selbst soll noch einen Abwehrkampf für seine Funktion versucht haben. Beigesprungen waren ihm zuletzt öffentlich nur Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Elisabeth Zehetner (beide ÖVP).
(APA/Red)
Der Mann "aus der Wirtschaft" Harald Mahrer verlässt WKÖ-Chefsessel
"Keine halben Sachen": Nun tritt Harald Mahrer auch als Präsident der Wirtschaftskammer zurück, was er eigentlich durch seinen vorherigen Rücktritt als Nationalbankpräsident vermeiden wollte. Doch am Ende ging es sich für eines der letzten personellen Überbleibsel der türkisen Zeit der Kurz-ÖVP offenbar nicht mehr aus. Mahrer hat nicht nur den Rückhalt von Unternehmern verloren, sondern auch in seiner Volkspartei und in der vom ÖVP-Wirtschaftsbund geprägten Kammer.
Selbst verkündet hat Mahrer Stand Donnerstag früher Nachmittag seinen Abtritt aus der WKÖ zwar noch nicht, und auch die Wirtschaftskammer wollte noch nichts bestätigen. Doch inoffiziell und dank übereinstimmender Medienberichte darf davon ausgegangen werden. Am Freitag gibt es nach APA-Informationen noch einmal ein Treffen Mahrers mit den Chefinnen und Chefs der Länder-Wirtschaftskammern. Danach dürfte allerspätestens offiziell kommuniziert werden. Würde er bleiben, drohe ihm ein Schicksal als "Lame Duck", sagte ÖVP-Kennerin Heidi Glück. Als er seinen Rückzug aus der Notenbank bekannt gab, sagte er, er wolle keine halben Sachen machen und sich voll auf die Kammer konzentrieren - soweit kommt es nun nicht mehr.
"Ich komme aus der Wirtschaft"
Unter Unternehmensvertretern, deren Betriebe Pflichtmitglieder in der Kammer sind, hatte Mahrer nie einen so starken Rückhalt wie sein Vorgänger Christoph Leitl. Leitl führte eine mittelständische Firma, Mahrer war PR-Unternehmer. Doch just auch die verunglückte Öffentlichkeitsarbeit rund um Lohnerhöhungen in der Wirtschaftskammer, hohe Gagensteigerungen in den Präsidien der Bundes- und Länderwirtschaftskammern hat dem Mann, der stets betonte "ich komme aus der Wirtschaft", den Job als oberster Wirtschaftslobbyist Österreichs gekostet. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Mahrer gab sich stets weltgewandt, die große internationale Bühne war die Seine. Er blühte etwa auf, wenn es in Singapur große Vernetzungstreffen der Außenwirtschaft der WKÖ gab. Man kann ihm nicht absprechen, dass er um die Internationalisierung der heimischen Wirtschaft bemüht war. Doch bei den Betrieben, die nur in der Heimat tätig sind und täglich mit den steigenden Kosten kämpfen, kam er damit nicht an. Kritiker attestieren Mahrer Abgehobenheit und ein Agieren wie ein Politiker, nicht wie ein Unternehmer. Da nützten Aussagen wie jene, dass man die Leistungen der Wirtschaftskammer schlicht besser darstellen und kommunizieren müsse, bei weitem nicht.
Mahrer galt als Ämterkumulierer
Mahrer galt vielen als Anhäufer verschiedener Ämter bzw. Posten. Jahrelang war er der Mann für wirtschaftspolitische Jobs, für die die ÖVP jemanden brauchte. Er habe einen "vorgestrigen Hang zur Häufung von Ämtern", dann aber auf ein Amt verzichtet, das nicht zur Debatte stand, sagte kürzlich etwa Politologe Ferdinand Karlhofer.
Seine Karriere startete Mahrer nach dem Studium der Betriebswirtschaft in einem politischen Feld, und zwar als Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Anschließend widmete sich der am 27. März 1973 geborene Wiener vor allem der Beratungs- und PR-Branche. So gründete er die legend Consulting GmbH und leitete für mehrere Jahre die österreichische Kommunikationsberatung Pleon Publico.
Den Sprung in die Spitzenpolitik machte Mahrer im September 2014 als Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Mit dem Abtritt von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im Mai 2017 stieg er für etwas mehr als ein halbes Jahr zum Wirtschafts- und Wissenschaftsminister auf. Später im Jahr wurde er Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes und dann der Wirtschaftskammer (2018), in deren Parlament der Wirtschaftsbund das Sagen hat. Nun muss sich Mahrer wohl neu orientieren. Eine Unternehmensberatung namens HM Tauern Holding Beteiligungsgesellschaft m.b.H. mit Sitz in Spittal in Kärnten besitzt und führt er bereits.
(Von Philip Stotter/APA)
(APA/Red)
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