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Mahrer tritt als Wirtschaftskammer-Präsident ab

WKÖ-Präsident Mahrer bei seinem Auftritt am Montag
WKÖ-Präsident Mahrer bei seinem Auftritt am Montag ©APA/TOBIAS STEINMAURER
Harald Mahrer (ÖVP) hat am Donnerstagnachmittag seinen Rückzug als Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) bestätigt. Der Druck auf ihn wurde über die letzten Tage zu groß, es ging um eigene Mehrfachbezüge, Gehälter in der Kammer, Gagenerhöhungen für Präsidiumsmitglieder und die zugehörige missglückte Kommunikation. Zur Nachfolge äußerte sich Mahrer bei seinem Videostatement, das auf Facebook veröffentlicht wurde, nicht.

"Ich sehe derzeit keine Möglichkeit, verantwortungsvolle Beiträge für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten", sagte Mahrer im Video. Er werde sowohl in der Kammer als auch im Wirtschaftsbund für eine "geordnete und zeitnahe" Übergabe sorgen.

Nachfolgefrage

Am 26. und 27. November finden die nächsten turnusmäßigen, offiziellen Gremiensitzungen der Landeschefinnen und -chefs von Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammern statt. Auch morgen, Freitag, soll es laut APA-Informationen auch eine Besprechung geben. Informell dürften die Telefone ohnehin durchwegs heißlaufen. Am 27. November könnte eine - zumindest interimistische Nachfolge Mahrers - im Wirtschaftsparlament der WKÖ eingesetzt werden.

Als zumindest interimistische Nachfolgerin Mahrers an der WKÖ-Spitze wurde die Tiroler Unternehmerin und WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz medial kolportiert. Offiziell ist das noch nicht. Die WKÖ ist einer der Sozialpartner und federführend bei den KV-Lohnverhandlungen involviert.

Mahrer ist auch Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes. Auch dort will Mahrer die Nachfolge bald geklärt haben. Zuletzt war der Wirtschaftsbund-Präsident stets auch WKÖ-Präsident, der Bund regiert in der Kammer absolut. Der Chef des bedeutenden Volkspartei-Bundes ist auch Mitglied im ÖVP-Bundesparteivorstand.

Als OeNB-Präsident Rückzug schon früher angekündigt

Den Rückzug als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hatte Mahrer schon am Montag verkündet. Offensichtlich gelang es damit nicht, die Lage zu beruhigen. Das galt auch für die Ankündigung zu Analysen und Reformen innerhalb der Kammer. Zuletzt verlor Mahrer mehr und mehr an Rückhalt in den eigenen Reihen - seien es Länderkammerchefinnen oder wichtige ÖVP-Politikerinnen und -Politiker.

Offen wurde sein Rücktritt eingefordert, spätestens am früheren Donnerstagnachmittag galt dieser als fix, doch war vorerst noch nicht bestätigt. Hinter Mahrer stellten sich etwa noch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Elisabeth Zehetner (beide ÖVP). Nach Mahrers Rückzug zollte Hattmannsdorfer ihm Respekt und dankte ihm. In die Zukunft gerichtet sagte der Wirtschaftsminister: "Es ist entscheidend das verlorene Vertrauen wieder zurückzugewinnen, denn gerade in herausfordernden Zeiten braucht es eine starke Interessenvertretung der Wirtschaft."

Mahrer wendete sich direkt an Unternehmer und Mitarbeitende

Mahrer wendete sich direkt an die Unternehmerinnen und Unternehmer, also seine Kammermitglieder sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kammer. Er verwies auf vieles, was man für die Mitglieder erreicht habe - im In- und Ausland. Das alles sei auf dem Fundament der gesetzlichen Interessenvertretung "einer liberalen Idee der Interessenvertretung" erfolgt.

Die Diskussion der vergangenen Tage kritisierte Mahrer, er habe sich zu Reformen in der Kammer bekannt und stets die Notwendigkeit sehr großer Reformen in Österreich betont. Doch "persönliche Ressentiment und Populismus haben die mediale Debatte der letzten Tage bestimmt - ohne Mehrwert für die Wirtschaft und unser Land: Das ist nicht mein Spielfeld."

Mahrer wartete im Video, das im Christoph-Leitl-Saal im Dachgeschoß der Bundeswirtschaftskammer in Wien-Wieden vor nebeliger Stadtkulisse aufgenommen worden war, mit einer weiteren Kritik an die FPÖ auf, ohne deren Namen direkt zu nennen. Die größte Parlamentspartei ist ja gegen die Kammermitgliedschaften, die Mahrer einmal mehr verteidigte. Sie mache den Interessenausgleich zwischen kleinen, mittleren und großen Firmen erst möglich. Doch auch in den letzten Koalitionsverhandlungen, die zur Dreierkoalition führten, habe er, Mahrer, sich dafür eingesetzt, dass Österreich weltoffen bleibe - "demokratisch, wirtschaftlich stark und wirtschaftlich offen". Es brauche ein demokratisches Miteinander, wirtschaftliche Freiheit, Leistungskraft, Bedeutung des Eigentums und einen Wert von Verantwortung. Die FPÖ forderte von allen Parteien den Rücktritt Mahrers am lautesten.

Dank vom Kanzler

Bundeskanzler und ÖVP-Chef Christian Stocker äußerte Respekt für Mahrers Entscheidung und bedankte sich bei diesem. Mahrer habe in all seinen Funktionen großen Einsatz für Österreichs Wirtschaft und Standortpolitik bewiesen, "zuletzt auch in der schwierigen Phase der Regierungsbildung". Vom wichtigen Sozialpartner Wirtschaftskammer erwartet der Bundeskanzler "in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine rasche Neuaufstellung im Sinne der österreichischen Wirtschaft und des gesamten Staates". Aus den Reihen der Volkspartei mehrten sich am frühen Abend die Danksagungen an Mahrer.

Finanzminister um Sozialpartnerschaft besorgt

Kritisch zu den Vorgängen äußerte sich Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), der aus der Arbeiterkammer kommt, kurz vor Mahrers Rücktritt bei seinem Eintreffen zur Landeshauptleute-Konferenz in der Steiermark: "Die Schwäche der Wirtschaftskammer ist sicher problematisch für die Sozialpartnerschaft und schlecht für Österreich." Dauerhaft sieht er aber keine Gefährdung: "Ich glaube, das ist vorübergehend."

NEOS für WKÖ-Reformen und weniger Geld für Präsidiumsmitglieder

Auch die UNOS, die NEOS in der WKÖ, fordern weiterhin eine Kammerreform. Diese müsse jetzt folgen. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos forderte wie die FPÖ seit Tagen die Rücknahme der Erhöhungen der Entgelte für die Präsidiumsmitglieder. "Jetzt ist die Zeit gekommen, dass sich die Wirtschaftskammer von Grund auf erneuert und reformiert", so Hoyos. Die beiden größeren Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sind bei Reformen bei den Sozialpartnern allerdings deutlich zurückhaltender.

Freiheitlichen reicht Rücktritt nicht

Den Freiheitlichen reicht der Rücktritt Mahrers keineswegs. "Der Rücktritt hat an der Sachlage und am Skandal selbst nichts geändert", so Generalsekretär Michael Schnedlitz via Aussendung. "Es ist Feuer am Dach, weil nahezu sämtliche Präsidenten der Wirtschaftskammer in Bund und Ländern und auch deren Vizepräsidenten dabei aufgeflogen sind, dass sie sich Gagen-Erhöhungen um teils jenseits der 50 Prozent genehmigen und das mitten in einer Krise und auf Kosten der Unternehmer."

Grüne sehen aufgeblähten Kammer-Apparat

Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft in einer Aussendung: "Der Zorn der Unternehmer:innen über den aufgeblähten, teuren Apparat der Wirtschaftskammer ist nun offen zutage getreten. Die Situation ist jedoch keineswegs neu, sondern hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich zugespitzt. Insbesondere Ein-Personen-Unternehmer:innen, die rund 60 Prozent der Kammermitglieder ausmachen, fühlen sich nicht vertreten."

Die Industriellenvereinigung (IV) forderte Strukturreformen und Entlastungen - dafür gehörte die Entwicklung in der Wirtschaftskammer genutzt. Präsident Georg Knill bedankte sich für Mahrer für dessen Einsatz.

(APA)

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