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"Machen, was möglich ist"

Schwarzach - Kardinal Christoph Schönborn im "VN"-Interview zu Zölibat, Frauen im Priesteramt und die Evolutionstheorie.

VN: Zölibat, Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion, Zulassung von Frauen zum Priesteramt: Herr Kardinal, sind Sie es nicht schon leid, ständig die gleichen Fragen beantworten zu müssen?

Schönborn: Ich bin es leid, aber ich weiß, dass die Fragen immer wieder kommen werden. Ich werde auch immer wieder versuchen, darauf zu antworten. Ich möchte jedoch auch sagen, es sind wichtige Fragen, aber es gibt dringendere.

VN: Trotzdem: Ist es nicht frustrierend, wenn man den Menschen, die diese Fragen stellen, keine wirklich befriedigenden Antworten geben kann?

Schönborn: Es gibt auf gewisse Fragen nicht die Antwort, die die Fragenden sich wünschen. Wenn das frustrierend ist, dann muss man damit leben. Ich sehe es positiv. Dinge, die nicht möglich sind, über die kann man sich ärgern, man kann aber auch sagen, nützen wir die Chance dessen, was möglich ist. Ich werde vom lieben Gott am Ende meines Lebens nicht gefragt, hast du alles gemacht, was nicht möglich war, sondern hast du das gemacht, was möglich war. Und da gibt es sehr viel.

VN: Eines Ihrer Lieblingsthemen sind die Evolution und Schöpfung. Wäre es nicht auch in dieser Sache sinnvoller, sich praktischeren Dingen zuzuwenden als solchen, die sich letztlich ohnehin nicht stichhaltig nachweisen lassen?

Schönborn: Nehmen wir aktuell die Wirtschaftskrise. Die Frage Evolutionismus und Wirtschaftskrise hängen sehr eng zusammen. Das, sagen wir einmal ideologische darwinistische Konzept, der Stärkere überlebt, hat in der Wirtschaft zu dem geführt, wo wir heute sind. Wenn man in der Pädagogik nur mehr darauf schaut, junge Menschen fit zu machen für den Konkurrenzkampf und sie nicht in den großen menschlichen Werten erzieht, die die Gemeinschaft braucht, ist das auch wieder das Ergebnis eines Menschenbildes, das meiner Ansicht nach mit dem ideologischen Evolutionismus zusammenhängt. Es hat also sehr wohl ganz, ganz praktische Konsequenzen.

VN: Wohin führt die Diskussion und was kann am Ende stehen?

Schönborn: Das lässt sich nicht voraussagen, aber die Forschung geht weiter. Sehr erfolgreich, sehr spannend. Sie geht sicher einerseits stark in die Richtung, dass alles Lebendige wirklich einen nachweisbaren Zusammenhang hat, und in diesem Sinne ist die wissenschaftliche Theorie der Evolution natürlich mit ganz starken Argumenten gestützt und getragen. Auf der anderen Seite gilt es, das Unverwechselbare des Menschen, seiner Würde, seiner geistigen Fähigkeiten und Verantwortung deutlich herauszustellen gegenüber einer Reduktion, die ihn materialistisch sieht oder nur als Produkt der Evolution versteht, was sicher ungenügend ist.

VN: Inwieweit ist Gott für die Welt eigentlich noch relevant? Wenn ich an den Konflikt im Nahen Osten denke, der genau zu Weihnachten wieder aufgebrochen ist, birgt das nicht viel Tröstliches. Hat Gott noch Platz bei den Menschen?

Schönborn: Es wäre schön, wenn er mehr Platz hätte. Manchmal hat man den Eindruck, gerade auch jetzt in diesem so tragischen Konflikt im Nahen Osten, dass kein Platz in der Herberge ist. Es ist kein Platz in diesem aufgestauten Hass, in diesen verzweifelten gegenseitigen Kämpfen um Anerkennung und Lebensraum. Doch ich sage mir, wo anders soll eine Lösung sein, wenn nicht in dem, was Jesus dort in diesem Land und auf diesem Boden gelehrt hat, nämlich liebt eure Feinde, vergebt einander. Wie soll eine Lösung anders aussehen als mit dem was Jesus gerade dort gepredigt und gelebt hat.

VN: Hat ein Kardinal auch Wünsche ans Christkind?

Schönborn: Ich wünsche mir, dass das Evangelium stärker gelebt wird und es mehr Menschen gibt, die das vermitteln können.

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