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Erster Fall in Ischgl bereits am 5. März

Eine Schweizerin soll der Patient X sein.
Eine Schweizerin soll der Patient X sein. ©APA
Der erste Corona-Fall ist in Ischgl bereits am 5. März aufgetreten.

Update: Gesundheitsminister Anschober gab am Donnerstag an, dass die Frau bereits am 5. Februar in Ischgl war. Am Nachmittag wurde dies korrigiert. Es habe einen Eingabefehler gegeben.

Sie war am 5. März in Ischgl erkrankt, hatte allerdings nur leichte Symptome. Positiv getestet wurde zwei Tage später - am 7. März. Das sagte Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), am Donnerstag.

Barkeeper nicht der "Superspreader"

Die AGES hat mittlerweile mehr als 40 sogenannte Coronavirus-Cluster in Österreich analysiert. Unter dem Namen "Cluster S Ischgl" wurden die Fallhäufungen ausgehend von der Region Paznaun analysiert. Allein in Österreich lassen sich 611 Infektionen direkt auf Ischgl zurückführen. Betroffen sind alle Bundesländer, "Hauptpunkt ist natürlich Tirol", erläuterte der Infektiologe. Dort sind es insgesamt 199 Infektionen, gefolgt von 127 in Oberösterreich und 102 in Vorarlberg. Immerhin sechs Fälle aus dem "Cluster S" gibt es auch im Burgenland, in Wien sind es fünf. Wie Allerberger bei einer Pressekonferenz erläuterte, stellen von den 611 Personen 573 die sogenannte Primärgeneration dar, also Personen, die die Infektion im Paznauntal selbst erworben haben. 38 Fälle gab es in den Folgegenerationen, also etwa Personen, die zurück zu Hause "die Ehefrau anstecken" und die selbst nicht in Ischgl, St. Anton, Serfaus, Galltür oder St. Christoph waren. Der Infektiologe betonte auch, dass sich mindestens die gleiche Zahl, wenn nicht doppelt so viele im Ausland aufhalten, also Touristen, die nach dem Winterurlaub heimgekehrt sind. Der "Cluster S" habe sich "erstaunlicherweise nur über drei Generationen" gezogen.

Barkeeper nicht die Primärquelle

Bisher war einem Barkeeper des Apres-Ski-Lokals "Kitzloch" in Ischgl unterstellt worden, als erster Infizierter zahlreiche weitere Personen angesteckt zu haben. Primärquelle ist aber laut der AGES-Analyse die Schweizer Kellnerin des gleichen Lokals. Sie hatte jedoch nur leichte Symptome und war nicht beim Arzt gewesen. Erkrankt war die Frau bereits am 5. Februar. Wo sie sich selbst angesteckt hat, ist nicht klar. Bei der amtsärztlichen Untersuchung im März kam dann heraus, dass sie positiv war. Der Barkeeper wiederum wurde als erstes diagnostiziert, "er ist als einziger zum Arzt gegangen", erläuterte Allerberger. Daraufhin habe er fälschlicherweise die Rolle des angeblichen Weiterverbreiters "umgehängt bekommen", betonte Allerberger. Wichtig für das Contact tracing sei "der Tag des Erkrankungsbeginns, der Tag der Diagnose muss in vielen Fällen nichts aussagen", betonte Allerberger. Ansteckend sind Infizierte laut dem Experten "nur acht Tage".

Eine weitere Kellnerin des Apres-Ski-Lokals zeigte am 8. Februar erste Symptome. Der Barkeeper selbst erst am 2. März. Dazu kamen weitere Mitarbeiter dieser Bar, darunter auch der Geschäftsführer oder auch der DJ. Neben den "Kitzloch"-Mitarbeitern gab es bereits am 26. Februar in Ischgl auch zwei erkrankte Erasmus-Studenten aus Norwegen, die in Bologna studierten und sich beim Skifahren in Ischgl "mit Sicherheit nicht" dort angesteckt hätten, erläuterte Allerberger. Die Patientin Null ist laut Angaben des Experten "pumperlgesund", ebenso die weiteren Angestellten der Bar, die alle maximal 50 Jahre alt sind. In Tirol selbst sind ungefähr acht Personen des "Cluster S" auf der Intensivstation.

Coronavirus nicht extrem ansteckend

Allerberger betonte bei der Pressekonferenz, dass das Coronavirus nicht "extrem ansteckend ist", die Infektionen passieren in Apres-Ski-Lokalen, wo Menschen in einer Distanz weniger als einen Meter zumindest 15 Minuten Kontakt haben. "Das Virus hat keine Flügel. Es fliegt weder in einem Bundesgarten noch auf der Skipiste auf 2.000, 3.000 Meter Höhe", sagte Allerberger. Die Infektionen passieren in Apres-Ski-Lokalen, dort, wo Menschen auf engem Raum zusammenstehen. "Ich fahre jeden Tag mit der U-Bahn, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, und hab keine Angst, solange die Menschen zumindest einen Meter Abstand halten", bekräftigte der Experte.

Er wies zudem darauf hin, dass man "mit Rückschlüssen vorsichtig sein" müsse. "Das ist kein Kriminalprozess, es sind Indizien, die für uns wichtig sind, weil sie Anleitungen für künftige Maßnahmen sind", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). "Die Betroffenen können in der Situation nichts dafür, ihnen ist überhaupt kein Vorwurf zu machen", sagte der Minister. "Wir sind keine Gerichtsbehörde", konstatierte Anschober.

40 Cluster in Österreich untersucht

Die Experten der AGES haben bereits mehr als 40 Cluster in Österreich untersucht. Der erste mit dem Buchstaben A war jener in Wien und Niederösterreich, wo aus Italien zurückgekehrte Personen mehrere Menschen im Umfeld angesteckt hatten. Den Experten gingen mittlerweile die Buchstaben für die Cluster-Reihung aus, "die Kollegen müssen sich ein neues System einfallen lassen", sagte der Leiter des Bereichs Humanmedizin der AGES.

Analyse der Pressekonferenz

Bisher 92.190 Testungen in Österreich

Bisher hat es in Österreich 92.190 Testungen auf SARS-CoV-2 und damit deutlich mehr, als zuletzt vom Gesundheitsministerium verlautbart wurde, gegeben.

Das gab Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt. Mit gestern, Mittwoch, waren bundesweit knapp 56.000 Testungen ausgewiesen worden.

"Es gibt deutlich mehr Testungen, als in den Tagesmeldungen ersichtlich", sagte Anschober. Als Grund für die Differenz nannte Anschober, dass viele kleine Labors - österreichweit führen mittlerweile über 40 diese Tests auf das Coronavirus durch - noch nicht mit der Schnittstelle verbunden sind, die direkt Daten ins Epidemiologische Meldesystem (EMS) einspeist.

3,5 Prozent der heimischen Infektionen aus dem Ausland

Beim Großteil der Coronavirus-Infektionen in Österreich haben sich die Betroffenen auch hierzulande angesteckt. Lediglich 3,5 Prozent der Fälle haben ihre Quelle wahrscheinlich im Ausland, ergab eine Analyse der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Insgesamt 306 Personen haben demnach die Infektion "im Ausland erworben", sagte Franz Allerberger, Leiter des Bereichs Humanmedizin der AGES.

"Die Botschaft ist, der Großteil steckt sich bei uns an", sagte der Experte. Er geht im übrigen davon aus, dass "bald ein Prozent der Bevölkerung", also rund 90.000 Menschen, in Österreich infiziert sein werden.

Bei der Analyse der AGES kam heraus, dass insgesamt 133 positive Fälle in Österreich ihren Ursprung in Italien haben. 29 sind auf Deutschland zurückzuführen, 20 auf Spanien, 13 auf Großbritannien, elf auf Ägypten und zehn auf die Vereinigten Arabischen Emirate. Stand der Untersuchung ist der 30. März.

Liveblog zur Corona-Krise

(APA)

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