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Lügen für die Familienehre

Wer als Zeuge vor Gericht lügt, sitzt bald selber auf der Anklagebank. Strafdrohung: bis zu drei Jahre Haft. Trotzdem steigen die Anzeigen wegen Falschaussage dramatisch.

Der Dornbirner wollte seinem Bekannten nur einen Gefallen tun: beim Prozess um einen Verkehrsunfall sagte er am Landesgericht Feldkirch zu Gunsten des Angeklagten aus und log über den Unfallablauf, dass sich die Balken bogen. Sein Pech: Ausgerechnet ein Unfallsachverständiger des Gerichts stand zum Zeitpunkt des Vorfalls an der Kreuzung und hatte das Geschehen be­obachtet – die dreiste Lüge flog auf. Der Zeuge bekam eine Anzeige wegen Falschaussage. Kein Einzelfall für Richter und Staatsanwälte. Die Wahrheit ist zwar ein dehnbarer und subjektiver Begriff, doch angesichts oft dreister Lügen seitens der Zeugen reißt irgendwann auch dem gelassensten Richter der Geduldsfaden – und dies mit steigender Tendenz.

Die Anzeigen wegen Falschaussagen nahmen heuer im ersten Halbjahr um das Vierfache im Vergleich zum Vorjahr zu. Wird vor Gericht immer mehr gelogen? Dr. Heinz Rusch von der Staatsanwaltschaft: „Ein Strafverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn der Verdacht besteht, dass ein Zeuge vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat, daran hat sich seitens der Staatsanwaltschaft nichts geändert, wir sind nicht strenger geworden.

Der Anstieg könnte aber mit der Änderung der Strafprozessordnung zu tun haben, denn seit Jahresbeginn ist schon die falsche Aussage gegen­über einem Polizeibeamten strafbar. Das war bis zum vergangenen Jahr nicht der Fall und darüber muss man sich als Zeuge im Klaren sein.“ Festzustellen, ob jemand absichtlich lügt, sei laut Rusch allerdings nicht so einfach, dazu müsse man die Gesamtumstände und die Beweislage berücksichtigen.

„Bei Unfällen ist es besonders schwierig, oder wenn Taten Monate oder Jahre zurückliegen und sich die Zeugen nicht erinnern, da gibt es dann bei fünf Zeugen auch fünf Versionen. Wenn jemand vorsätzlich lügt und dabei nervös ist, merkt das ein erfahrener Richter aber oft sehr schnell und hakt nach“, warnt Rusch, dass Lügen vor Gericht meist kurze Beine haben.

Familiensinn

Gerichtssprecher Dr. Reinhard Flatz hat in seiner langjährigen Arbeit als Richter die Erfahrung gemacht, dass der klassische Fall der Falschaussage zumeist Angehörige von Angeklagten betrifft. „Da will man dann natürlich Unheil abwenden und das Familienmitglied schützen“, so Flatz. So geschehen in der vergangenen Woche, als ein türkischer Mann wegen Vergewaltigung seiner Exfreundin vor Gericht stand. Mehrere männliche Verwandte versuchten, die junge Frau ins schlechte Licht zu rücken und gaben an, von ihr „sexuell belästigt“ worden zu sein.

Richter Peter Mück glaubte den Märchen der empörten Verwandtschaft allerdings nicht und verurteilte den Mann zu vier Jahren Haft. Der Einzige, für den eine falsche Aussage straflos bleibt, ist übrigens der Angeklagte: er darf lügen. Ob das immer die beste Variante ist, steht aber auf einem anderen Blatt.

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