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Letzte Rede: Christian Kern verabschiedete sich von der Politik

Kern zog auch eine persönliche kritische Bilanz.
Kern zog auch eine persönliche kritische Bilanz. ©APA/ROBERT JAEGER
Am Donnerstag verabschiedete sich Altbundeskanzler Christian Kern offiziell von der Politik. In seiner Abschiedsrede warnte der ehemalige SPÖ-Chef vor einer Spaltung der Gesellschaft.

Der ehemalige SPÖ-Chef Christian Kern hat sich am Donnerstag aus dem Nationalrat verabschiedet. Nach nur rund einem Jahr im Hohen Haus betonte der Ex-Kanzler, er habe den Zeitpunkt selbst gewählt, und das sei gut so. In seiner Abschiedsrede verpackte Kern auch eine Warnung vor einer Spaltung der Gesellschaft.

Kern blickte in seiner Rede während der Debatte zu verschiedenen zwischenstaatlichen Abkommen kritisch auf seine Zeit in der Berufspolitik zurück. Seit der Zeit Jörg Haiders habe der Populismus in Österreich Platz bekommen. Damit habe sich eine Spirale in Gang gesetzt, die bis heute andauere.

Kern warnt bei Abschied vor gesellschaftlicher Spaltung

Es gehe oft nur um die Schlagzeile des nächsten Tages und die meisten Likes auf Facebook, so Kern. Dies sei eine schlechte Entwicklung, weil damit die Werte der Aufklärung in weite Ferne gerieten, so sein Befund. Und dies sei eine Entwicklung in globalem Ausmaß, meinte der ehemalige Bundeskanzler mit Blick auf Polen, Italien, Brasilien, Thailand und die USA: “Und der Großmeister dieser Disziplin sitzt im Weißen Haus der Vereinigten Staaten.”

Kern nahm den bevorstehenden Jahrestag der Novemberpogrome (9. November) zum Anlass, auf die Zerbrechlichkeit der Demokratie hinzuweisen: “Demokratie braucht Rationalität und Geschichtsbewusstsein”, sagte er. “Es ist ein schmaler Grat von der Gewalt der Worte hin zur Gewalt der Taten”, daher gelte es, in der Politik ein besonders sensibles Bewusstsein zu haben. “Demokratie bedeutet aber auch, dass alle Menschen frei geboren und gleich an Würde und Rechten sind. Ich kann nur davor warnen, unsere Gesellschaft in Freunde und Feinde zu spalten”, sagte er – dabei denke er “besonders an unsere muslimische Mitbürger”.

Persönliche kritische Bilanz zur Berufspolitik

Verantwortung mahnte Kern auch beim Klimaschutz ein. Es werde oft gefragt, warum man hier nicht weiterkomme. Es gehe um die “Angst, im Kleinen Nachteile zu erleiden, das macht uns im Großen alle zu Verlierern”.

Aber auch persönlich zog Kern durchaus eine kritische Bilanz seiner kurzen Zeit in der Berufspolitik: Er habe festgesellt, dass man dabei zu einer “Projektionsfläche” wird, Menschen würden in diese “die größten Erwartungen hinein geheimsen” – aber es passiere auch das komplette Gegenteil. “Ich habe festgestellt, dass das herzlich wenig mit der wirklichen Person zu tun hat”, so Kern.

Sein Abschied falle ihm aus manchen Gründen auch nicht allzu schwer, deutete Kern an: “Natürlich machst du auch Erfahrungen, die du gerne missen möchtest, die dich geradezu zum Querausstieg motivieren, animieren”, sagte er. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Politik sagte Kern: “Es ist richtig so, es ist ein Ende und es ist gut so, für die Personen, für die Sache und für alle Beteiligten.” Dank richtete er nicht nur an seine Mitarbeiter, sondern auch an all jene, die sich außerhalb des Hohen Hauses politisch engagieren, etwa an die Bürgermeister.

Eher unversöhnlich gab sich Kern bei seinem letzten Auftritt im Hohen Haus gegenüber den Freiheitlichen: Bei “aller Wertschätzung für die einzelne Person” habe er sich immer wider gewundert, “wie wenig segensreich dann die Arbeit der Gruppe ausgefallen ist”, sagte er in Richtung der FPÖ.

Die freiheitlichen Abgeordneten versagten Kern im Anschluss dann auch einen Abschiedsapplaus. Von seiner eigenen Fraktion bekam der ehemalige SPÖ-Chef hingegen Standing Ovations, auch die übrigen Fraktionen spendeten Beifall, wenngleich innerhalb der ÖVP eher etwas verhalten. Nach kurzen Verabschiedungen durch die Zweite Nationalratspräsidenten Doris Bures und einer Umarmung durch seine Nachfolgerin Pamela Rendi-Wagner entschwand Kern dann rasch dem Plenum.

In der Debatte ging es unter anderem um ein (einstimmig abgesegnetes) Abkommen mit der Schweiz, die eine bessere Kooperation in der Flugsicherung zwischen den beiden Ländern bringen soll. Militärflugzeuge der beiden Länder dürfen damit künftig die gemeinsame Staatsgrenze überfliegen, der Einsatz von Waffen bzw. Warnschüssen bleibt aber verboten. Zudem wird durch das Abkommen ermöglicht, ein gemeinsames Luftsperrgebiet zu errichten.

Einstimmig angenommen wurde im Anschluss auch ein All-Parteien-Antrag, der die Regierung auffordert, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen.

(APA/Red)

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